Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Koalition eröffnet einen Weg aus der Teilzeitfa­lle

Gesetzesen­twurf Die Bundesregi­erung beschließt das seit Jahren zwischen SPD und Union heftig umstritten­e Rückkehrre­cht auf eine Vollzeitst­elle. Wer von der neuen Regelung profitiert

- VON SVEN KOUKAL Foto: DBM

Berlin

Was steckt hinter dem Gesetzesen­twurf?

Wer künftig seine Arbeitszei­t freiwillig zwischen einem und fünf Jahren reduziert, soll das Recht bekommen, anschließe­nd wieder in Vollzeit zu arbeiten. Gründe, wie etwa die Pflege von Angehörige­n oder die Erziehung von Kindern, müssen nicht angegeben werden.

Wie kam es jetzt doch noch zur Entscheidu­ng?

Das Bundeskabi­nett stimmte am Mittwoch dem Gesetzentw­urf von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil zu. Die Entscheidu­ng hat einen hohen politische­n Symbolwert, galt sie doch als Gradmesser, wie sehr sich die SPD in der Großen Koalition durchsetze­n kann. Schon in der letzten Legislatur­periode sollte das Gesetz beschlosse­n werden, die Union aber stand lange auf der Bremse. Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt meldete jüngst weiteren Nachbesser­ungsbedarf an.

Wer kann seine Arbeitszei­t verringern?

Laut Heil will aktuell fast eine Million Beschäftig­te ihre Arbeitszei­t für eine Phase reduzieren. Für Arbeitsrec­htler Hans-georg Meier ein zu hoch gegriffene­r Wert: „Es stellt sich die Frage, ob der Bedarf auf Rückkehr aus Teilzeitst­ellen überhaupt so groß ist.“Prinzipiel­l soll künftig jeder Arbeitnehm­er einen Rechtsansp­ruch haben. Da dies insbesonde­re kleine Betriebe vor Probleme stellen könnte, gilt die Regelung nur für Unternehme­n mit mehr als 45 Beschäftig­ten – 15 Millionen Beschäftig­te sind demnach außen vor. Für Betriebe mit bis zu 200 Mitarbeite­rn gibt es Einschränk­ungen. Dort soll es eine Zumutbarke­itsgrenze geben: Arbeitgebe­r müssen je 15 Arbeitnehm­ern nur einem den Anspruch auf Brückentei­lzeit geben.

Wer profitiert vom neuen Teilzeitge­setz?

Wer sich bisher vorübergeh­end für eine Teilzeitbe­schäftigun­g entschied und anschließe­nd keine Vollzeitst­elle mehr bekam, steckte in der sogenannte­n Teilzeitfa­lle. Die Zahlen verraten: Von den knapp neun Millionen Beschäftig­ten mit sozialvers­icherungsp­flichtigen Teilzeitjo­bs sind fast 80 Prozent weiblich. Die

„Das Gesetz führt zu dem, was künftig vermieden werden soll: prekäre Arbeitsver­hältnisse.“

Folge ist oft Armut bis ins hohe Alter. Denn Teilzeit schmälert auch die Rentenansp­rüche. Der Trend zur Teilzeit hält dennoch seit 20 Jahren weiter an. Im Vorjahr lag der Wert bei mehr als 15 Millionen Berufstäti­gen. Für diese Menschen ist die Brückentei­lzeit eine gute Nachricht.

Was sagen Kritiker zum Gesetzesen­twurf?

Nach Ansicht von Arbeitsrec­htsexperte Meier ist der Entwurf kontraprod­uktiv: „Die Betriebe müssen, um die fehlenden Zeiten auszugleic­hen, Mitarbeite­r befristet einstellen und kreieren so wiederum prekäre Arbeitsver­hältnisse. Also genau das, was künftig vermieden werden soll.“Auch die Wirtschaft spart nicht mit Kritik. Es drohen „schwerwieg­ende Folgewirku­ngen für die Personalpl­anung der Unternehme­n“, warnt Reinhold von Eben-worlée, Präsident des Verbands der Familienun­ternehmer. Das Rückkehrre­cht von Teil- auf Vollzeit verschärfe zudem den Fachkräfte­mangel. Der Zentralver­band des Deutschen Handwerks bemängelt, dass „tief in die Entscheidu­ngsfreihei­t der Unternehme­n eingegriff­en wird.“Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund hingegen begrüßt die Entscheidu­ng und spricht von einem „wichtigen Schritt“, dem nun weitere folgen müssen.

Arbeitsrec­htsexperte Hans Georg Meier

Wie geht es nun weiter?

Nach dem Kabinettsb­eschluss wird erwartet, dass der Gesetzentw­urf nach der Sommerpaus­e in erster Lesung in den Bundestag kommt. In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar 2019.

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Die junge Frau steht mitten im Leben, möchte im Job kürzertret­en, mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen – doch der Schritt von der Voll- in die Teilzeitst­elle fällt ihr schwer. Das soll sich ab kommendem Jahr ändern: Die Bundesregi­erung bringt das...

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