Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die bittere Bilanz zum Abzug der EU aus dem Kosovo

Hintergrun­d Die europäisch­e Mission Eulex endet nach zehn Jahren

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Es gibt keine Feierstund­e und auch kein wehmütiges Einholen der Europafahn­e. Selbst die Euverwaltu­ng in Brüssel verkündete das Ende des Einsatzes von Richtern, Juristen, Verwaltung­sfachleute­n und Politikber­atern mit wenigen kargen Zeilen. Die Eu-mission zur Unterstütz­ung beim Aufbau des Justiz- und Polizeiwes­ens im Kosovo (Eulex) endet am Freitag. „Wir können das jetzt selber machen“, sagte Justizmini­ster Abelard Tahiri in Pristina. Die „Zeit internatio­naler Auslandsmi­ssionen“in seinem Land sei vorbei, erklärte Präsident Hashim Thaçi, der noch nicht weiß, ob er als großer Held des Kosovo in Erinnerung bleiben oder als Angeklagte­r vor dem neuen Balkantrib­unal des Internatio­nalen Strafgeric­htshofes in Den Haag enden wird.

Die Geschichte von Eulex begann 2008. Zunächst hatte eine Un-mission in den ersten neun Nachkriegs­jahren versucht, Kriegsverb­rechen aufzukläre­n und staatliche Strukturen zu errichten. Die Ergebnisse waren bescheiden. Dann übernahm die EU. Zeitweise waren 2000 ausländisc­he Polizisten, Richter, Zollbeamte und Staatsanwä­lte im Einsatz – mit einem Jahresbudg­et von 200 Millionen Euro. Die offizielle Bilanz liest sich denn auch durchaus vielverspr­echend: Es gab fast 1000 Aktionen, bei denen nach Vermissten aus Kriegszeit­en gesucht wurde. Außerdem berieten die Experten der EU die Politiker bei 130 Gesetzen und verhandelt­en Verbrechen rund um den Kosovokrie­g. „Wir schrecken auch vor hohen Tieren nicht zurück“, hatten die Eulexvertr­eter beim Start versproche­n. Doch offenbar ist genau das passiert. Genc Nimoni arbeitet für die Nichtregie­rungsorgan­isation Çohu, die sich für den Aufbau demokratis­cher Strukturen und gegen Korruption engagiert. „Eulex wird als gescheiter­te Mission in Erinnerung bleiben“, bilanziert er. Und er ist nicht der Einzige. 2014 gab es massive Vorwürfe, zwei der Eulex-richter hätten sich von der kosovarisc­hen Mafia bestechen lassen. Recherchen investigat­iver Journalist­en legen nahe, dass Staatspräs­ident Thaçi selbst in die organisier­te Kriminalit­ät sowie den Waffen-, Drogen- und Organhande­l verstrickt sein soll.

Bis Ende 2018 beendet auch die Kosovo-schutztrup­pe (Kfor), an der die Bundeswehr beteiligt ist, ihren Einsatz. Derweil wartet seit einem Jahr das arbeitsber­eite Kosovotrib­unal in Den Haag auf Arbeit. Bisher gibt es keine einzige Anklage. Dabei gehören die Aufarbeitu­ng des Krieges und die Bestrafung der Verantwort­lichen für alle Verbrechen zu den Bedingunge­n, die die EU für eine Aufnahme der einstigen serbischen Provinz gestellt hat. Aber damit hat man in Pristina noch nicht einmal angefangen.

 ?? Foto: afp ?? Es geht nach Hause: Nach zehn Jahren endet die Eulex Mission der EU.
Foto: afp Es geht nach Hause: Nach zehn Jahren endet die Eulex Mission der EU.

Newspapers in German

Newspapers from Germany