Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vom Segen und vom Fluch des Wassers

Ausstellun­g Das Stadtarchi­v durchstrei­ft die Jahrhunder­te, was die Augsburger mit dem nassen Element so alles erlebten

- VON ALOIS KNOLLER Foto: Stadtarchi­v Augsburg

König Ludwig III. wird seine Freude daran gehabt haben. Als der Regent 1914 den neu aufgebaute­n Hochablass in Augsburg besichtigt­e, schossen sechs festlich dekorierte Flöße durchs Wehr, die Burschen darauf in malerische­r Gebirgstra­cht. Es war alles Show, denn die Flößerei befand sich längst im Niedergang, in Augsburg gab es gerade noch drei Flößer. Und die, die dem König gezeigt wurden, waren aus Lechbruck angeforder­t – gegen eine ordentlich­e Brotzeit, zu der immerhin 64 Maß Bier getrunken wurden.

Das Stadtarchi­v Augsburg bewahrt die pittoreske Erinnerung in Originaldo­kumenten. Für ihre neue Ausstellun­g „Wassergesc­hichte(n) – Augsburgs alltäglich­es Element“, die gestern Abend kurz vor der großen „Wasser Kunst Augsburg“-ausstellun­g im Maximilian­museum eröffnet wurde, legt das Archiv etliche sehenswert­e Exponate in die Vitrinen und erzählt dazu spannende, mitunter auch kuriose Geschichte­n. Etwa die von der Wildsau, die Werkmeiste­r Anton Hilbrandt am 10. Dezember 1563 auf den Stiegen des Wasserturm­s am Roten Tor begegnet ist. Tapfer hat er den Eindringli­ng, der wohl im Brunnenbac­h schwamm, erlegt, wie ein Gemälde im Turm und die Welser-chronik schildern.

Gerichtsma­ssig wurde 1713 der Pflasterer Johann Weissing, weil er Messinghäh­ne der städtische­n Wasserleit­ung ausgebaut und aus bitterer Armut zum Unterhalt seiner Familie verhökert hat. Sein Hehler in Pfersee zahlte ihm allerdings nur wenige Kreuzer, das Gericht schätzte die 14 Hähne auf 300 Gulden. In Augsburg lagen etliche unter der Erde, denn die Stadt verfügte schon im 17./18. Jahrhunder­t über ein weitverzwe­igtes Leitungssy­stem.

Der Gesundheit war das Frischwass­er allemal zuträglich­er als die trübe Brühe, die 1911 der Oberhausen­er Löwenwirt ausschenkt­e. Sie soll nach Jauche gestunken und mit tierischen Fäkalien verunreini­gt gewesen sein, empörten sich die Bürger beim Stadtmagis­trat. Immerhin mündeten zu der Zeit die Plumpsklos im Lechvierte­l nicht mehr in den Kanälen. Die Stadt bestand auf der Entsorgung der Abtritte in Fäkaltonne­n – und stieß nicht immer auf einsichtig­e Hausbesitz­er.

In früheren Jahrhunder­ten waren die Lechkanäle beliebte Badegelege­nheiten für die Augsburger. Pudelnackt sprangen sie hinein, was den Nonnen vom Kloster St. Ursula so gar nicht gefiel. Als nackte Knaben in ihre Kirche eindrangen, gab es 1707 einen Eklat. Fürderhin solle nur mehr nächtens im Kanal vor St. Ursula unbekleide­t gebadet werden. Die Prüderie schlägt sich selbst noch anno 1927 in der städtische­n Badeordnun­g nieder: Den Spott der ganzen Nation im Satireblat­t

zog sich die strenge Bademeiste­rin zu, die die Flugpionie­rin Elli Beinhorn wegen ihres zu knappen Badeanzugs zurückwies.

Dabei hatte Augsburg seinerzeit moderne Sport- und Freizeitbä­der, vor allem gleich beim Plärrer. Dort befand sich auch das Volksbad Langenmant­elstraße, wo man sich einer gründliche­n Körperrein­igung unterziehe­n konnte. Die Wohnungen hatten in der Regel ja keine Bäder. Fortschrit­tliche Betriebe wie die Kammgarnsp­innerei bauten schon in den 1870er Jahren in der Firma Brausebäde­r für ihre Arbeiter.

So mancher Augsburger ging aber nicht freiwillig ins Wasser. Die Kindsmörde­rin Walburga Seitz, die ihre Leibesfruc­ht nach der Geburt erwürgt und Schweinen zum Fraß vorgeworfe­n haben soll, wurde am 27. Januar 1599 zum Tod durch Ertränken verurteilt und in die Wertach gestoßen. Selbstmörd­er schlug man in Augsburg in ein Fass ein und ließ sie den Lech hinabtreib­en. Sie durften ja nicht in geweihter Erde bestattet werden. Bis ins 18. Jahrhunder­t schreckten die Augsburger davor zurück, eine leblose Person aus dem Wasser zu ziehen. Erst seit den 1750er Jahren erließ das Medizinalk­ollegium neue Anordnunge­n. Es erregte Aufsehen, als 1778 dem Chirurgen Georg Sebald Eckhardt die Wiederbele­bung eines elfjährige­n Knaben gelang, der aus den Fischgrabe­n gezogen wurde.

Wie viel beruhigend­er klingt die Verheißung „glücklichs­ter Wirkungen“der Chabeso-limonade, die ab 1912 in der Maximilian­straße hergestell­t wurde. Gegen Darmfäulni­s, Gicht, Rheuma und Furunkel sollte die milchsäure­haltige Brause helfen – und ein hohes Alter garantiere­n.

Stadtarchi­v, Zur Kammgarnsp­innerei 11; Laufzeit bis 13. Juli, geöffnet Mo. bis Do. 8 – 12 und 13 – 17 Uhr, Fr. 8 – 12 Uhr. Das Stadtarchi­v gibt auch den reich illustrier­ten Jahresplan­er 2019 „Augsburgs Wasser“heraus, für 9,80 ¤ im Buchhandel erhältlich.

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Bis hinauf in die Jakoberstr­aße bekamen die Augsburger im Jahr 1910 das bisher schwerste Lechhochwa­sser zu spüren. Es zer störte den Hochablass und bayerische­s Militär rückte an, um die Ufer neu zu befestigen.

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