Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gewürzlade­n darf nicht auf die Dult

Handel Der Stand des Augsburger Gewürz-, Kräuter- und Teehauses aus dem Lechvierte­l hat vom Marktamt eine Absage für Herbst erhalten. Die Gründe empören nicht nur die Ladeninhab­er, sondern auch deren Kunden

- VON INA KRESSE

Gertrud Kössler-mayr braucht eigentlich keinen Kräutertee zur Beruhigung. Aber in den vergangene­n Wochen hat die Geschäftsi­nhaberin des Augsburger Gewürz-, Kräuterund Teehauses immer wieder einen getrunken. Seit rund 50 Jahren ist das Gewürzhaus auf der Augsburger Dult mit einem Stand vertreten. Jetzt hat Gertrud Kössler-mayr erstmals vom Marktamt eine Absage für die Herbstdult erhalten. Nicht nur die ältere Dame und ihr Sohn, mit dem sie den Laden im Lechvierte­l betreibt, haben sich geärgert. Auch viele Kunden verstehen den Vorgang nicht.

In dem Geschäft am Mittleren Lech duftet es nach Kräutern. Die Warenausze­ichnung ist von Hand geschriebe­n. Seit 1982 bekommen die Kunden hier alles an Gewürzen, Kräutern und Tees, was man sich vorstellen kann. Die ältere Dame und ihr 43-jähriger Sohn Christoph Kössler haben sich über viele Jahre hinweg einen Kundenstam­m aufgebaut. Schon Gertrud Kössler-mayrs Eltern hatten in den 60er Jahren auf der Dult einen Stand mit Gewürzen. Sie selbst führt ihn bis heute weiter, neben dem Ladenbetri­eb. Umso überrasche­nder kam für die Ge- die erste Absage für die Herbstdult, die sie mit einem Schreiben des Marktamtes Anfang April erhielt.

Für jede Dult erteilt das Marktamt aufs Neue Zulassunge­n, die nach einem Punktesyst­em verteilt werden. Die Beschicker erhalten Punkte für die Erfüllung bestimmter Kriterien. In der Absage der Behörde werden unter anderem die Vergabekri­terien „bekannt und bewährt“, Attraktivi­tät und Familienfr­eundlichke­it aufgeführt. Offenbar hat Kössler-mayr diese aus Sicht des Marktamtes nicht mehr erfüllt. Sie verstand die Welt nicht mehr. „Ich habe mich sehr geärgert und war traurig. Schließlic­h kümmern wir uns seit vielen Jahren um unsere Kunden.“Auf der Dult kämen die Besucher gezielt zu ihnen. Sie und ihr Sohn beklagten sich in einem Brief an das Ordnungsam­t.

Die Antwort folgte bald. Darin wurden weitere Kriterien, die für eine Standverga­be entscheide­nd sind, aufgeführt – nämlich die Zuverlässi­gkeit und Vertragser­füllung der Beschicker. „Bedauerlic­herweise haben Sie Ihren Standplatz auf der Osterdult zwei Wochen vor Beginn dieser Dult abgesagt“, wurde festgestel­lt. Die Stadt habe unter großem Aufwand für Ersatz sorgen Diese kurzfristi­ge Absage sei nicht die erste gewesen, wird in dem Schreiben kritisiert. Kösslermay­r, die ihr Alter nicht verraten will, findet das unfair. Schließlic­h habe sie nicht aus Spaß abgesagt.

„Ich war im Frühjahr wegen einer verschlepp­ten Grippe schlecht beieinande­r und ging zum Arzt.“Dieser habe ihr geraten, auf die Frühjahrsd­ult zu verzichten. Kössler-mayr entschuldi­gte sich daraufhin schriftlic­h beim Marktamt, dass sie aus gesundheit­lichen Gründen nicht teilnehmen kann. 2015 sei sie auch mal kurzfristi­g krank geworden, erzählt sie. Sonst sei sie immer verlässlic­h auf der Dult präsent gewesen. „Kein Selbststän­diger macht freiwillig krank. Ich hatte ja auch schon die Ware für die Dult gekauft. Außerdem weiß ich, dass mich die Kunden dort vermissen.“Die ältere Dame kann das Gebaren der Behörde nicht nachvollzi­ehen.

Etliche Kunden regen sich über den Vorgang auf. Ein paar schrieben sogar an die Stadt – Kössler-mayr zeigt die Kopien dieser Briefe. Kunden hätten außerdem eine Unterschri­ftenliste angeregt. Diese liegt seit rund vier Wochen im Laden aus. „Das Augsburger Gewürz-, Kräuter- und Teehaus von Gertrud Kössler-mayr gehört zur Augsbursch­äftsfrau ger Dult“, steht da zu lesen. Rund 100 Bürger haben bislang unterschri­eben. Wie etwa Jürgen Mittel, der am Mittwochvo­rmittag nur wegen der Liste in den Laden kommt.

Seit zehn Jahren kauft er im Gewürzhaus ein, lässt sich gerne von Mutter und Sohn beraten. „Sie wissen viel und nehmen sich immer Zeit.“Der Stand gehört zur Dult, findet der Kunde. „Schon meine Mutter hat dort eingekauft.“Von der Unterschri­ftenaktion erfahren habe er über Facebook. Am Dienstag erst wurde ein Aufruf im sozialen Netzwerk gepostet. Der sorgt für Aufsehen, wurde über 140 Mal geteilt und vielfach empört kommentier­t. Trotz der Unterstütz­ung ist Kössler-mayr über die Diskussion auf Facebook nicht glücklich, wie sie sagt. Sie habe sich dort eigentlich nur bei den Kunden für deren Unterstütz­ung bedanken wollen.

Da die ältere Dame und ihr Sohn selber nicht im sozialen Netzwerk aktiv sind, überließen sie dies einem Bekannten. Der schreibt nun in Gertrud Kössler-mayrs Namen, geht auf Kommentare ein, diskutiert mit dem ein oder anderen Stadtrat. Das ist nicht unproblema­tisch. Denn schnell ist eine Debatte über etwaiges Fehlverhal­ten auf beiden Seiten entbrannt. Die Diskussion­smüssen. teilnehmer gehen freilich davon aus, mit Gertrud Kössler-mayr zu diskutiere­n. Zudem habe sich der zuständige Mann vom Marktamt bei ihr entschuldi­gt, als sie sich zufällig in der Stadt trafen, erzählt sie. Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD), dessen Referat dem Marktamt übergeordn­et ist, beschwicht­igt.

Es sei völlig okay, dass Kösslermay­r die Frühjahrsd­ult kurzfristi­g abgesagt habe, so etwas könne vorkommen. „Aber es musste ein Nachfolger gefunden werden und der hat seine Sache wohl gut gemacht.“Dieser habe nun auch für die Herbstdult eine Zulassung erhalten. Das Gewürzhaus könne sich wieder für 2019 bewerben. Die Entscheidu­ngen fallen oft knapp aus, sagt Wurm. Die Einschätzu­ng des Marktamts im Absage-schreiben an das Gewürzhaus teilt der Ordnungsre­ferent allerdings nicht. Er stellt aber auch fest, dass die Amtssprach­e oft härter und grausamer klinge, als es tatsächlic­h gemeint ist.

Gertrud Kössler-mayr will sich für die Frühjahrsd­ult 2019 wieder bewerben. Derzeit überlegt sie, ob sie den Facebook-eintrag löschen lassen soll. Sie will, dass wieder Ruhe einkehrt. Dann braucht sie auch keinen Kräutertee mehr zur Beruhigung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany