Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Göttlich, diese Wasserkunst
Ausstellung Der richtige Umgang mit dem Wasser ist in Augsburg schon früh perfektioniert worden. Die jetzt umfassend erlebbare Geschichte aus technischen Errungenschaften und künstlerischer Überhöhung soll bald Weltkulturerbe werden
Augsburg Einen Schluck Wasser? Kein Problem, einfach den Hahn aufdrehen. So simpel ist das heute hierzulande. In jeder Stadt, in jedem Dorf gibt es selbstverständlich ein funktionierendes Trinkwassersystem. Das ist in Deutschland Standard. Vor fünfhundert Jahren war ein eigener Haus-wasseranschluss allerdings etwas Unerhörtes. Die Stadt, in der das damals möglich war, ist Augsburg. Am 9. September 1558 erhielt zum Beispiel der Großkaufmann und Bürgermeister Jakob Herbrot einen privaten Zugang an das städtische Wassernetz.
Augsburg beschäftigt sich mit seiner historischen Wasserwirtschaft so intensiv wie noch nie, denn Augsburg hat gute Chancen, dass diese Errungenschaft als ein Unescoweltkulturerbe eingetragen wird. Im Zug des mehrjährigen Bewerbungsprozesses sind die Geschichte und die historischen Fakten genau erforscht worden – bis hin zu den privaten Wasseranschlüssen im 16. Jahrhundert. Im Augsburger Maximilianmuseum werden diese und andere Wassergeschichten bis Ende September in einer großen und hochwertigen Ausstellung unter dem Titel „Wasser Kunst Augsburg“sichtbar. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, als die freie Reichsstadt Augsburg ein Treiber des Fortschritts war und die Residenzstadt München dagegen alt aussehen ließ.
Zum Beispiel mit den Prachtbrunnen, in denen die bürgerliche Stadt um das Jahr 1600 zeigte, zu wie viel Wohlstand sie es auch durch die Wassertechnik gebracht hatte. In München gab es auch kunstvolle Brunnen, aber nur in Augsburg führten sie dauerhaft Wasser. Die Originalfiguren des Augustusbrunnens, mit dem die Stadt auf dem Rathausplatz ihren historischen Stolz demonstrierte, sind ein zentraler Bestandteil der Ausstellung. So nahe wie jetzt konnte man den vier Flussgöttern des Brunnens noch nicht kommen. Lech, Wertach, Singold und Brunnenbach stellen diese Figuren von Hubert Gerhard dar, die Wasserläufe waren die Lebensadern Augsburgs.
Anhand eines blauen Fadens, der durch die einzelnen Sektionen führt, wird im Maximilianmuseum in die Wassergeschichte eingeführt. Sie beginnt im frühen 14. Jahrhundert; zu dieser Zeit finden sich erste Dokumente, in denen immer wieder die Lechmeister erwähnt werden. Sie hielten die Kanäle, die vom Lech in die Stadt führten, in Schuss. Die Lechmeister gehörten zu den wenigen hoch bezahlten städtischen Bediensteten. Schon im ausgehenden Spätmittelalter zahlten sich solche städtische Investitionen in die Infrastruktur im Nachhinein aus. Eine Vielzahl von Mühlen konnte betrieben werden, das Handwerk prosperierte, der Reichtum wuchs, auch die Kunstfertigkeit und das technische Know-how. Es gab Sägemühlen in der Stadt, die extradünnes Furnierholz schneiden konnten. Und Kistler, die mit dem Furnier ihren Weltruhm begründeten und Wunderschränke erschufen.
Eines hängt direkt mit dem anderen zusammen, sobald es ums Wasser geht. Die großen historischen Stadtpläne, die gezeigt werden, sind auch deshalb entstanden, um das Kanalsystem darzustellen oder aber die komplizierten Grenzverläufe an Lech und Wertach festzuhalten. Im Zweifelsfall waren dem Augsburger Bürgertum religiöse Vorbehalte weniger wichtig als technisches Können. So nahm die Stadt Pilgram Marpeck in den Dienst, der als Wiedertäufer erst aus Tirol emigrieren musste, später auch nicht mehr in Straßburg bleiben durfte. Zwischen 1546 und 1556 verantwortete er den Ausbau der Wasserversorgung in Augsburg. Erstaunlich ist auch, dass dieses System aus Kanälen und Rohrleitungen über Jahrhunderte hinweg akribisch gepflegt worden ist. In der Schau finden sich ausgeklügelte Lehrmodelle, mit denen der Augsburger Brunnenmeister Caspar Walter die Funktionsweise von Mühlen, Wehren und Pumpwerken erklärte. Das Wissen um die Wassertechnik wurde von Generation zu Generation weitergegeben und erweitert.
Mit einem hohen Aufwand haben die Augsburger Kunstsammlungen diese Ausstellung konzipiert und gestaltet. Das lässt sich auch an den Leihgebern ersehen: Vom Louvre stammen Zeichnungen, die die Figuren des Augustusbrunnens kurz nach dem Guss und vor der Montage zeigen. Aus der Thyssen Bornemisza Collection stammt ein Seemonster aus Bergkristall. Dieses kunsthandwerkliche Meisterstück ist im zweiten Teil der Ausstellung zu finden, der nicht mehr die lange und vielfältige Augsburger Wassergeschichte zum Thema hat, sondern das Wasser allgemein zum kunstgeschichtlichen Thema macht.
Das Element begegnet einem hier in verschiedenen Funktionen: zum Reinigen (mit einer Lavabo-garnitur) und als heilsspendende Substanz (in Form einer Taufgarnitur). Ein fantastischer Tischbrunnen aus Silber stellt die Verwandlung von Wasser in Wein dar – Bacchus lässt grüßen. Fast schon gruselig blickt einem eine Ningyo – eine japanische Sirene aus dem 18. Jahrhundert – entgegen. Den Kunstsammlungen ist da ein großer Ausstellungswurf gelungen, der die Augsburger Wassergeschichte anschaulich macht. Und der begleitende Katalog ist jedem ans Herz zu legen: Er öffnet die Schleusen zu den Geschichten.
Laufzeit der Schau bis zum 30. Sep tember im Maximilianmuseum Augs burg. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Don nerstag bis 20 Uhr. Dazu ist ein reich bebilderter Katalog im Verlag Schnell und Steiner erschienen (450 Seiten, im Museum für 24,95 Euro erhältlich).