Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Lampen-diebstahl im großen Stil
Fünf Mitarbeiter eines Speditionsbetriebs stahlen bei Ledvance Tausende von hochwertigen Lampen für über 100 000 Euro und verkauften sie. Wie ihnen die Ermittler auf die Schliche kamen
Firmen, die hochwertige Industrieprodukte herstellen, wissen, dass ungetreue Mitarbeiter immer wieder aus den Lagerhallen Waren verschwinden lassen, die dann im Internet kostengünstig angeboten werden. Betriebsinterne Testkäufer versuchen, „heiße Ware“aufzuspüren. So auch firmeneigene „Detektive“des Lampenwerks „Ledvance“(früher Osram) in Augsburg.
Sie stießen im Herbst 2016 auf der Webseite eines Berliner Internetshops auf ein ungewöhnliches Angebot: Dort wurden neuartige Halogenlampen des Typs Xenarc Night Breaker angepriesen, die das Unternehmen überhaupt noch nicht auf den Markt gebracht hatte. Die Xenon-lampen – Stückpreis etwa 65 Euro – mussten aus Lagerbeständen gestohlen worden sein. Eine interne Revision ergab, dass rund 15000 hochwertige Lampen verschiedener Typen abhandengekommen waren. Die Kripo konnte Diebe und Hehler ermitteln – allerdings nur für einen Teil der gestohlenen Ware. Fünf Mitarbeiter eines Speditionsbetriebes, der für Ledvance in Lechhausen ein Lager betrieb, standen jetzt wegen Bandendiebstahls vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Baptist Michale.
Den Lageristen, teils Schichtführer des Dienstleisters, warf Staatsanwalt Andreas Kraus vor, zwischen April 2015 und Oktober 2016 insgesamt einige Tausend Xenon-lampen im Wert von über 100 000 Euro geklaut und an Hehler verhökert zu haben. Die Angeklagten im Alter 29 und 55 Jahren waren an den Diebstählen in unterschiedlicher Dimension beteiligt. Manche hatten nur 400 oder 500 Lampen verschwinden lassen. Sie verkauften sie pro Stück für vier Euro an den Drahtzieher der Geschäfte, einen Kollegen, 29. Der verscherbelte sie für acht Euro an zwei Hehler weiter, gegen die eigens ermittelt wird.
Der größte Coup ging am 4. Oktober 2016 über die Bühne. Ein Schichtführer des Logistikers, 55, wartete, bis am Schichtende alle Mitarbeiter verschwunden waren. Dann rollte ein angemieteter Kleinlaster an die Laderampe. Innerhalb von zehn Minuten waren drei Paletten mit rund 2600 Xenon-lampen im Inneren des Lasters verstaut. Der Fahrer – angeblich für einen normalen Umzug geködert und deshalb ahnungslos – lieferte die „heiße Ware“noch in der Nacht bei einem Hehler in einer Garage im Raum Rain am Lech ab. Rund 2000 Stück der Lampen konnte die Kripo später im Lager des Internet-shops in Berlin sicherstellen und aufgrund eines Barcodes dem Diebstahl zuordnen. Über die Auswertung von Handydaten des Hehlers gerieten die Ermittler auf die Spur des 29-jährigen Angeklagten, der als Organisator der Diebstähle gilt. Er wanderte einige Wochen in Untersuchungshaft, packte dann aus und nannte die Namen seiner Kollegen, die in die illegalen Geschäfte involviert waren.
Aus Platzgründen hatte das Gericht den Prozess kurzerhand in den Saal 101 verlegt, in dem normalerweise nur das Schwurgericht tagt. Die fünf Angeklagten wurden von sechs Anwälten (Michael Tusch, Dominik Hofmeister, Thilo Robeller, Ralf Schönauer, Klaus Rödl und Felix Dimpfl) vertreten. Nach Gesprächen hinter verschlossenen Türen zwischen Gericht, Staatsanwaltzwischen schaft und Verteidigung legten alle Angeklagten umfassende Geständnisse ab. Wer nun genau erstmals die Idee vom Lampen-klau hatte, war nicht mehr genau zu klären. Ein Angeklagter nannte Geldmangel als Motiv. „Wir bekamen am 15. des Monats Gehalt, die Woche davor war aber schon kurz vor knapp. In Gesprächen unter uns Kollegen hat sich das dann halt so ergeben.“Ideengeber für den großen Coup soll der Kollege gewesen sein, der sich ohnedies einen neuen Arbeitgeber suchen wollte. Er soll zu dem Hauptangeklagten gesagt haben: „Bevor ich hier aufhöre, möchte ich noch absahnen.“
Bei der Frage der Schadenshöhe gab der für die interne Sicherheit bei Ledvance zuständige Manager im Zeugenstand auch Einblicke in die Preisgestaltung. Die reinen Herstellungskosten für eine dieser speziellen Xenon-lampen betrage etwa sieben Euro, der Großhandelspreis dann 35 bis 40 Euro. An die Verbraucher werden die Lampen letztlich für rund 65 Euro verkauft. Der Gesamtschaden von über 100 000 Euro errechne sich aus dem Großhandelspreis, sagte der Zeuge.
Das Logistikunternehmen hatte nur dem Hauptangeklagten, der in U-haft saß, gekündigt. Zwei sind immer noch bei der Firma beschäftigt, einer hat einen anderen Job, einer ist arbeitslos. Alle sind nicht vorbestraft. Der Hauptangeklagte wurde am Ende am härtesten bestraft. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu drei Jahren Haft. Ein 29-Jähriger, der beim großen Coup das Fahrzeug organisiert hatte, soll zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Zwei Angeklagte kamen mit Bewährungsstrafen von zehn und 17 Monaten davon, der fünfte Mann muss eine Geldstrafe bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.