Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Grab zu lang: Das Amt drohte mit Bußgeld
Streitfall Auf dem Neuen Ostfriedhof entsprechen alte Grabstätten nicht den heutigen Vorschriften. Rund 100 Bürger bekamen daher ein Schreiben vom Friedhofsamt. Jetzt spricht der Referent von einem „Missverständnis“
Michaela Achtsteins erster Gedanke war: „Das darf doch nicht wahr sein.“Sie hatte zuvor einen Brief der städtischen Friedhofsverwaltung geöffnet und gelesen. In dem amtlichen Schreiben steht, dass ihr Familiengrab zu lang ist. Die Augsburgerin wird aufgefordert, die Grabstätte umgehend zu kürzen. Ansonsten droht ihr ein Verwarnungsgeld. Michaela Achtstein konnte nicht glauben, was sie da las. Denn das Familiengrab auf dem Neuen Ostfriedhof im Stadtviertel Lechhausen gibt es seit 53 Jahren.
Allein schon der Ton des städtischen Schreibens, das unserer Redaktion vorliegt, ist bemerkenswert. „Die zulässigen Maße Ihrer Grabstätte sind mit einer Länge von 220 Zentimenter um 20 Zentimeter überschritten“, heißt es da. Und: „Wir fordern Sie deshalb auf, bis in spätestens vier Wochen, gerechnet ab dem Datum dieses Schreibens, Ihre Grabstätte in den satzungsgemäßen Zustand zu bringen.“Sollte die Augsburgerin dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird ihr in dem Brief ein Verwarnungsgeld in Höhe von 35 Euro angedroht. „Eine Unverschämtheit“, findet Michaela Achtstein.
Sie ist nicht die Einzige, die ein solches Schreiben bekommen hat. Kürzlich hat die Stadt rund 100 Beanstandungen wegen zu langer Gräber an Grabrechtsinhaber verschickt. Auch Annette Wetzel ist unter den Betroffenen. Auch sie ist richtig sauer, und das aus mehreren Gründen. Ihre Familie hat die Grabstätte im Neuen Ostfriedhof 1970 übernommen. Jahrzehntelang habe es keine Beanstandungen wegen der Länge gegeben, sagt sie. Nun werde eine Frist von lediglich vier Wochen gesetzt, um es zu kürzen. Was sie besonders empört: „In dem Schreiben wird gleich mit einem Bußgeld gedroht, ohne dass wir angehört wurden.“Verwundert über die neuen Vorgaben ist die 49-jährige Augsburgerin auch deshalb, weil ihre Familie erst in diesem Jahr die Grabrechte erneuern ließ. Bei dieser Gelegenheit sei die Grablänge in der kein Thema gewesen.
Michaela Achtstein hat sich auf dem Neuen Ostfriedhof genauer umgeschaut. Die 74-Jährige hat ein Maßband mitgenommen, um nachzumessen. Und ja, es stimmt: Ihr Familiengrab hat mit 2,20 Metern tatsächlich Überlänge im Vergleich mit heutigen Grabstätten. Dafür sei es aber nur 80 Zentimeter breit und damit schmäler als heute üblich, sagt sie. Auch der Grabstein entspreche nicht bis auf den Zentimenter der heutigen Norm. „Auf dem Neuen Ostfriedhof gibt es aber noch viele andere solcher Gräber“, sagt sie.
Ein typisches Merkmal der alten Grabstätten ist, dass sie von Minihecken umrandet sind. Diese setzen grüne Akzente im Friedhof und bilden einen schönen Kontrast zu den modernen Steineinfassungen. Mi- chaela Achtstein findet auch, dass man schon genau hinsehen muss, damit man die Überlänge der Gräber bemerkt. Müsste die schwerbehinderte Seniorin die grüne Einfassung entfernen lassen und auch noch das Weihwasserbecken auf dem schweren Steinsockel versetzen,
Manche Gräber wurden schon verändert
wäre das für sie mit hohen Kosten verbunden. Und überhaupt: „Normalerweise müsste es Bestandsschutz geben“, findet sie.
Eine Nachfrage unserer Zeitung bei der Stadt ergibt: Für ältere Gräber gibt es genau diesen Bestandsschutz. Das teilt Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) mit, der auch für die Friedhofsverwaltung zustänfriedhofsverwaltung dig ist. Und inzwischen rudert man im Amt auch kräftig zurück, was das umstrittene Schreiben an Bürger angeht. Erben spricht von einem „Missverständnis“.
Zum 1. Mai habe es einen Wechsel im Bereich der Friedhofsverwaltung des Neuen Ostfriedhofs gegeben. Bei der jährlichen Standfestigkeitskontrolle der Grabsteine sei auch eine Kontrolle bei einem Teil der Grabfelder vorgenommen worden, und zwar an Hand der aktuellen städtischen Friedhofssatzung. Dabei fiel auf, dass eine größere Anzahl von Gräbern nicht den aktuellen Vorgaben der städtischen Friedhofssatzung entspricht.
Die festgestellten vermeintlichen „Mängel“wurden vom Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen bei den Grabrechtsinhabern beanstandet, so Erben. „Dabei wurde nicht beachtet, dass sich im Laufe der Jahre zahlreiche Vorschriften der Friedhofssatzung geändert haben und deshalb bei älteren Grabstätten ein Bestandsschutz besteht.“Inzwischen sei jedoch die Überprüfung der weiteren Gräberfelder eingestellt worden. Soweit sich die Betroffenen gemeldet hätten, seien sie über das Missverständnis informiert und die Beanstandung mündlich zurückgenommen worden. Nach Angaben des Referenten gingen etwa 100 Beanstandungen an Grabrechtsinhaber am Neuen Ostfriedhof. Sie sollen nun ein schriftliches Entschuldigungsschreiben bekommen. Damit sei die Beanstandung vom Tisch.
Teilweise seien die Gräber aber auch schon den aktuellen Vorschriften der Friedhofsatzung angepasst worden. »Kommentar