Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stephanie Weigel und ihr Herz für Tollwood

Porträt Seit zwölf Jahren arbeitet Stephanie Weigel für das Festival in München, das heute startet. Ihre Aufgabe: Das Fest soll möglichst nachhaltig sein. Warum sie auch schon in Augsburg angefragt wurde

- VON INA KRESSE Foto: Bernd Hohlen

Stephanie Weigel ist leidenscha­ftliche Augsburger­in. Trotzdem ist ihr Arbeitsmit­telpunkt das Münchner Tollwood-festival, das dieses Jahr sein 30. Jubiläum feiert. Weigel leitet dort seit zwölf Jahren die Abteilung „Mensch und Umwelt“. So lange kümmert sie sich bereits darum, das Fest so nachhaltig wie möglich zu machen. Dabei sei schon viel erreicht worden, sagt sie. Ab diesem Jahr etwa würden Plastikstr­ohhalme verboten. Weigel findet, dass sich in der Stadt Augsburg diesbezügl­ich auch einiges tut. Ihrer Meinung nach ist aber immer noch Luft nach oben.

Vor einigen Wochen erst hat Stephanie Weigel das Modular-festival in Augsburg besucht. Die Veranstalt­er hatten um Unterstütz­ung und Tipps gebeten, wie man das Festival nachhaltig­er gestalten kann. „Sie bemühen sich sehr“, sagt die 49-Jährige und lobt etwa, dass in manchen Bereichen im Wittelsbac­her Park Grasschutz­matten ausgelegt wurden und es auch etliche Stände mit Bioprodukt­en gab. Die ersten 80 Prozent Nachhaltig­keit zu schaffen seien vergleichs­weise einfach, weiß die Augsburger­in aus eigener Erfahrung. „Aber dann geht es um die Feinheiten und viele Verästelun­gen.“Sie führt das Beispiel Schafswoll­e an, bei der man genauer hinsehen sollte.

Auf dem Tollwood, das im Sommer im Olympiapar­k und im Winter auf der Theresienw­iese stattfinde­t, wird nämlich darauf geachtet, dass keine Wollproduk­te verkauft werden, bei denen das Schaf das sogenannte Mulesing über sich ergehen lassen musste. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das für die Tiere äußerst schmerzhaf­t sein muss. Weigel erklärt es.

„Schafe haben am Hinterteil Hautfalten, in denen sich gerne Parasiten festsetzen. Und diese Hautfalten werden einfach weggeschni­tten.“Will ein Händler auf dem Tollwood also Wollproduk­te verkaufen, müsse er einen Nachweis vorlegen, dass auf diese schmerzhaf­te Prozedur verzichtet wurde „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, ist die Erfahrung der Mutter, die auch schon mal für Greenpeace gearbeitet hatte. Ihr persönlich­er Antrieb ist, dass sie Ungerechti­gkeit schlecht aushalte. Die Welt habe genügend Energie und Ressourcen für alle, findet sie. Die Augsburger­in will ihren Teil dazu beitragen, dass die Menschen lokal und global miteinande­r und füreinande­r da sind. „Bei uns auf dem Tollwood kommt die Welt zusammen. Und dieser Welt fühle ich mich verpflicht­et.“

Ihr Job beinhaltet viel Überzeu- gungsarbei­t. Zur Genüge habe die Augsburger­in schon den Satz „das geht nicht“gehört. Wie einst bei dem Vorhaben, auf dem Tollwood nur noch Bio-lebensmitt­el zu verkaufen. Auf Großverans­taltungen geht das nicht, schlug ihr vor vielen Jahren entgegen. Solche Äußerungen wecken erst recht ihren Ehrgeiz. „Wir setzten uns hin und bauten Beziehunge­n zu Großhändle­rn von Biowaren auf.“Der Stand, an dem man geröstete Maiskolben erhält, bezieht beispielsw­eise längst seine Produkte von einem Biobauern in der Nähe. Eigentlich mag Weigel Vorschrift­en nicht. Trotzdem liege es an einem Veranstalt­er als Hausherr, Betriebsvo­rgaben zu machen. „Allerdings fordern wir nicht nur, sondern unterstütz­en und motivieren auch,“betont sie. Im Übrigen findet die Augsburger­in, dass auch Städte auf diesem Weg immer mehr Nachhaltig­keit fördern können. „In München etwa darf man auf Großverans­taltungen kein Einweggesc­hirr mehr verwenden.“Das findet Weigel freilich gut. In Augsburg selbst nehme sie auch viele Diskussion­en um Nachhaltig­keit wahr.

„Aber es braucht einzelne Antreiber, die Zeichen setzen und etwas voranbring­en“, sagt Stephanie Weigel. Das könne ein Veranstalt­er, aber auch eine Behörde sein. Sie begrüßt, dass in der Fuggerstad­t inzwischen der Recup-becher eingeführt wurde, um den Müll zu reduzieren. Ein Pfandbeche­r, in dem der Kunde in Bäckereien und Cafés seinen Kaffee zum Mitnehmen nachfüllen lassen kann. „Denn Coffeeto-go kennen viele Menschen aus ihrem Alltag. Da ein Angebot zu machen, das jeder wahrnimmt, ist eine gute Sache. Zumal dem Kunden nicht zu viel abverlangt wird.“Ohnehin würde das Thema Nachhaltig­keit bei der jungen Generation ganz anders wahrgenomm­en, als noch zu ihrer Jugend.

„Die Zeit, in der man die Vorstellun­g hatte, mit einem GrünkernBr­atling einen Elefanten erschlagen zu können, ist lange vorbei“, sagt Weigel und lacht. Inzwischen gehöre Nachhaltig­keit vielmehr zum Livestyle. „Es hat nichts mehr mit Verzicht zu tun.“Die Augsburger­in findet, dass beim Thema Nachhaltig­keit die breite Masse längst an- sprechbar sei. „Man muss die Menschen nur abholen und ihnen Lust machen, mit zu gehen.“Das funktionie­re auch auf einem Festival, wie dem Tollwood in München. Warum? „Weil wir keinen moralinsau­ren Zeigefinge­r heben, sondern Spaß haben.“

Zahlen und Infos zu Tollwood

Bio gastronomi­e Seit 2003 ist das Festival nach Angaben der Veran stalter komplett bio zertifizie­rt. Damit stammen nahezu 100 Prozent der Lebensmitt­el aus biologisch­em Anbau oder artgerecht­er Tierhaltun­g. Die Bio gastronomi­e erspare dem Klima – neben den Vorteilen für Umwelt, Tiere und Gesundheit – rund 20 Pro zent und damit 116 Tonnen Kohlen dioxid pro Jahr.

Produkte Ein großer Teil der Pro dukte auf dem „Markt der Ideen“sind nach den Prinzipien des Fairen Handels produziert.

Statt Einweg gibt es bei Gläsern, Tellern, Servietten nur Mehrweg.

Strohhalme Ab 2018 gibt es nur

Das Festival im Olympia park Süd beginnt am heutigen Mitt woch, 27. Juni, und dauert bis Sonntag, 22. Juli. Zum 30 jährigen Jubiläum wird Carmina Burana am kommenden Samstag und Sonntag auf der Bühne im Olympiasee aufgeführt. Der Eintritt ist frei. Einlass 20 Uhr, Beginn 22 Uhr.

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 ??  ?? Stephanie Weigel lebt in Augsburg, arbeitet aber fürs Tollwood. Ihre Tipps zum Thema Nachhaltig­keit sind aber auch in der Heimatstad­t gefragt, zum Beispiel beim Modu  lar festival im Wittelsbac­her Park.
Stephanie Weigel lebt in Augsburg, arbeitet aber fürs Tollwood. Ihre Tipps zum Thema Nachhaltig­keit sind aber auch in der Heimatstad­t gefragt, zum Beispiel beim Modu lar festival im Wittelsbac­her Park.

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