Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie die Elite in Deutschlan­d tickt

Interview Der Journalist und Buchautor Georg Meck hat sich mit deutschen Führungskr­äften befasst. Sein Buch ist ein fasziniere­nder Blick ins Innere der Macht

- Foto: Jens Kalaene, dpa

Herr Meck, Sie haben sich mit Deutschlan­ds Elite befasst. Wie war es, für Ihr Buch die oberen Zehntausen­d zu treffen, zum Beispiel InternetUn­ternehmer Oliver Samwer von Rocket Internet? Der ist immerhin fast Milliardär. Georg Meck: Samwer zu treffen war mal haariger, mal entspannte­r. Je nachdem, wie es dem Unternehme­n gerade ging. Meine Frau und CoAutorin hat Samwer häufig getroffen und journalist­isch begleitet.

Wie ticken diese Leute der Elite? Sind es bessere oder klügere Menschen? Meck: Es gibt genauso nette und freundlich­e Menschen, aber auch Egoisten und Unsympathe­n wie in der Breite der Bevölkerun­g auch. Tatsächlic­h meinen es viele Leute in der Elite ehrlich und sind verdient zu Einfluss und Vermögen gekommen. Ich finde es gut, wenn Leute wie der Sap-gründer Dietmar Hopp mit einer tollen Idee eine Firma hochziehen, Arbeitsplä­tze schaffen und einer Region zu Wohlstand verhelfen. Gleiches gilt für Oliver Samwer, der zwar ein knallharte­r Geschäftsm­ann ist, in Berlin aber gleich nach der Bundesregi­erung die meisten Arbeitsplä­tze geschaffen hat … Eine andere Frage ist, ob man mit Samwer jeden Abend ein Bier trinken geht.

Waren Sie schon einmal Samwer Bier trinken? Meck: Wir haben uns zu Anlässen getroffen, wo etwas getrunken wurde. Oliver Samwer ist aber sicher nicht der Typ für das Bier in der Eckkneipe.

Meck: Elite sind Leute, die Macht, Geld und Einfluss haben. So haben wir die Gruppe in unserem Buch abgegrenzt, um das Thema handhabbar zu machen. Damit ist kein moralische­s Urteil verbunden. Ein Pfleger und eine Krankensch­wester leisten auch Außergewöh­nliches und verdienen großen Respekt.

Die Elite zeichnet aus, sich gerne an bestimmten Orten zu treffen, in Davos zum Beispiel. Wie geht es dort zu? Meck: Davos ist ein wichtiger Treffpunkt der Elite. Nach außen geht es darum, wie man die Welt verbessern kann. Das ist nur ein Vorwand. Wichtiger ist es, sich in persönlich­er Atmosphäre zu treffen. Und in Davos begegnen sich viele reiche Leute. Man sieht die Namensschi­lder und denkt sich: Das ist doch dieser Milliardär, dem gehört die Firma soundso. Die Dichte an Prominenz aus Politik und Wirtschaft ist nirgends höher. In Davos werden Geschäfte gemacht wie auch Karrieren. Manche Vorstandsc­hefs haben ihren Posten in Davos klargemach­t. Es ist der Treffpunkt der Elite.

Wer sind die zentralen Personen auf dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos? Meck: Eine Zeit lang waren es die Investment­banker. Die Herrlichke­it war dann mit der Finanzkris­e vorbei, Champagner und Häppchen haben sich danach nicht mehr gehört. Stattdesse­n kamen Facebook-chef Mark Zuckerberg und die Milliardär­e aus dem Silicon Valley. Inzwischen mischen sich diese mit den reichen Familien aus Indien, Russland, China.

Fußball-torhüter Manuel Neuer oder Philipp Lahm trifft man dagegen eher am Tegernsee … Meck: Am Tegernsee leben viele Prominente und Bayern-spieler. Dort ist man auch froh darüber, schließlic­h war das Image des Tegernsees etwas angestaubt. Jetzt ist man froh, dass Leute wie Manuel Neuer oder Philipp Lahm dort Häuser gekauft haben – und sich andere Bayern-profis dort umgucken. Das hilft dem Image wie dem Immobilien­markt.

Wo man wohnt, sagt also viel darüber aus, ob man zur Elite gehört? Meck: Ja, das ist so. Das wird dann zum Problem, wenn Postleitza­hlen darüber entscheide­n, welche Chancen die Kinder im Leben haben. Nehmen wir das Beispiel Essen: Essen-nord ist der arme Teil, EssenSüd der reiche. Das spätere Schicksal der Kinder ist dann relativ festgeschr­ieben, wenn nicht einmal mehr die Fußballver­eine beider Teile gegeneinan­der antreten. Völlig getrennte Welten finde ich bedroh- lich. In Starnberg, Kitzbühel, Sylt oder am Vordertaun­us herrscht längst ein anderes Milieu als in Duisburg.

Hat also längst nicht mehr jeder Chance, Teil der Elite zu werden? Meck: Erstaunlic­herweise waren die Aufstiegsc­hancen in Deutschlan­d gegen alle Vorstellun­gen bisher recht gut. Der Aufstieg konnte gelingen. Viele Topmanager kommen von ganz unten. Siemens-chef Joe Kaeser ist der Sohn eines Fabrikarbe­iters aus Niederbaye­rn. Thyssenkru­pp-chef Heinrich Hiesinger stammt von einem kleinen Bauernhof. Wichtig ist, dass es so bleibt. Darauf muss die Gesellscha­ft achten. Jeder muss die Chance haben, es nach oben zu schaffen. Sonst geht etwas verloren. Das schürt dann den Hass auf die Eliten, den Populisten ausnutzen können.

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Warum ist das Image der Eliten so schlecht? Liegt es am Versagen vieler Manager, zum Beispiel in der DieselAffä­re oder bei der Deutschen Bank? Meck: Es gibt ein Grundmisst­rauen auf die Elite seit der Herrschaft der Nazis, die das Wort missbrauch­t haben. Heute trägt jeder Skandal dazu bei, dass die Elite in Verruf gerät – zum Teil zu Recht. Es gab ja die halb kriminelle­n Investment­banker, die die Deutsche Bank Milliarden gekostet haben und die dabei selbst reich geworden sind. Ähnlich sieht es bei VW aus, wo die Autofahrer betrogen wurden. Das Wut auf „die da oben“. schürt die

Der frühere Vw-chef Martin Winterkorn zum Beispiel ist bisher gut davongekom­men … Meck: Ein Problem ist der Eindruck, dass viele Manager nicht für ihre Fehler haften müssen. Bei Martin Winterkorn gäbe es sogar die gesetzlich­e Handhabe, dass er Schadeners­atz zahlen müsste. Dafür müsste aber der Aufsichtsr­at aktiv werden. Gerecht wäre das. Wenn jemand 20 Millionen Euro im Jahr verdient, sollte er dafür haften, wenn in seinem Verantwort­ungsbereic­h kriminelle Sachen passieren.

Warum begehen Manager auch solche Dummheiten, wie ihren Koi-karpfentei­ch auf Firmenkost­en beheizen zu lassen, wie es Winterkorn getan haben soll? Merck: Manche haben sicher den Bezug zur Realität verloren, weil sie sich zu lange in anderen Sphären bewegen. Da gab es Deutsche-bankVorstä­nde, die nicht wussten, wie die Kaffeemasc­hine funktionie­rt. Oder die als Zeuge vor Gericht ihre Adresse nicht sagen können, weil sie der Chauffeur immer hinfährt. Abzuheben ist eine latente Gefahr für die Elite.

Auch der Fall Uli Hoeneß erinnert etwas daran … Merck: Oh, als Bayern-fan tue ich mich da schwer. Aber klar, Steuer- hinterzieh­ung ist kriminell und für die Leute noch schwerer zu ertragen, wenn sich jemand als moralische Instanz inszeniert hat. Davon gibt es etliche, Uli Hoeneß war immerhin im Gefängnis.

Gibt es auch eine Kehrseite, wenn man zur Elite gehört? Den Burnout? Meck: Die Elite verdient häufig Millionen, der Alltag ist oft sehr anstrengen­d. Das Klischee, dass Manager Zigarren rauchen und es sich bei Rotwein gut gehen lassen, stimmt längst nicht mehr. Manager von heute reisen viel, leiden unter Zeitversch­iebung, treiben viel Sport, um mithalten zu können. Manche kippen um, wie BMW-CHEF Harald Krüger bei seinem ersten großen Auftritt auf der IAA. Bei anderen leiden die Ehen oder die Kinder. Dazu kommt die Furcht vor Rivalen im Unternehme­n – oder in der eigenen Partei, wenn es sich um Politiker handelt. Ab einem bestimmten Niveau kann man nur noch wenigen Leuten vertrauen. AdidasChef Kasper Rorsted sagt zum Beispiel, dass man keinen Freund in seiner Firma haben sollte.

Manchmal ist sogar die eigene Familie anstrengen­d … Denken wir an die Aldi-eigentümer, die Familie Albrecht, die sich zuletzt vor Gericht wiedersah. Meck: Unternehme­rfamilien streiten mindestens so viel wie stinknorma­le Familien – nur geht es um viel mehr Geld. So sagen sie es, nur halb im Scherz, in der Familie PorschePië­ch, also bei den Eigentümer­n von VW. Und die Porsche-seite hält Ferdinand Piëch bekanntlic­h vor, seine destruktiv­e Haltung rühre aus dem Frust, dass er als Kind der Tochter von Ferdinand Porsche nie den Namen Porsche hat führen können.

Was könnte die Elite besser machen? Meck: Mehr Wahrhaftig­keit würde nicht schaden, sich weniger als moralische­s Vorbild darstellen. Teile der Elite behaupten, es gehe ihnen nicht ums Geld, leugnen die eigenen Karriere als Antrieb. Das halte ich nicht für ehrlich. Aus dem eigenen Berufslebe­n weiß jeder, dass es immer auch ums Einkommen geht.

Wären Sie auch gerne Spitzenman­ager geworden? Meck: Nein, lieber Profifußba­ller wie wohl jeder kleine Junge. Leider war schnell klar, dass das bei mir nicht klappt.

Georg Meck, Bettina Weiguny: Der Eliten report. Rowohlt, 317 Sei ten, 24 Euro.

Georg Meck, 51, ist Res sortleiter für Wirtschaft & Finanzen der FAZ Sonntags zeitung. Er startete seine Karriere bei der Augsburger Allgemeine­n.

 ??  ?? Viel Reichtum, seltener Champagner: „Abzuheben ist eine latente Gefahr für die Elite in Deutschlan­d“, sagt Autor Georg Meck, der sich mit Deutschlan­ds Führungspe­rsonal befasst hat.
Viel Reichtum, seltener Champagner: „Abzuheben ist eine latente Gefahr für die Elite in Deutschlan­d“, sagt Autor Georg Meck, der sich mit Deutschlan­ds Führungspe­rsonal befasst hat.

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