Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Roboter als Mitbewohne­r

Technik Er sieht ein bisschen aus wie ein Staubsauge­r, ist aber hochintell­igent: Der Roboter Sympartner soll Rentnern den Alltag strukturie­ren – und der Einsamkeit entgegenwi­rken

- VON SARAH RITSCHEL

Erfurt „Schön, dass du wieder da bist.“So freundlich wurde Seniorin Jutta Cord eine Woche lang an ihrer Haustür begrüßt. Dieselbe Stimme versichert­e der Rentnerin auch, dass in ihrer Wohnung keine unliebsame Überraschu­ng wartet. „Ich habe aufgepasst.“Doch es war kein Mensch, der da im Türrahmen stand. Es war ein Roboter.

Sympartner heißt das 1,45 Meter große Intelligen­zwunder, das Forscher aus verschiede­nen Bereichen der Wissenscha­ft jetzt erstmals in 20 Haushalten in Erfurt getestet haben. Mit Erfolg: Die Ergebnisse seien „ein großer Schritt“dahin, dass Roboter in einem „privaten, häuslichen Umfeld“eingesetzt werden könnten, sind sie sich in ihrem Abschlussb­ericht einig. Sympartner, der sich mit seinem hölzernen Fahrgestel­l perfekt in jedes Eiche-rustikal-wohnzimmer einfügt, soll Rentnern helfen, ihren Tagesablau­f zu strukturie­ren. Der Roboter spricht den Menschen mit Namen an, weckt ihn zur gewünschte­n Zeit, erinnert ihn an Termine oder die Tablettene­innahme und geht gegen den inneren Schweinehu­nd vor: „Du könntest einen Spaziergan­g machen.“Für den Helfer selbst ist an der Türschwell­e Schluss. Dafür zeigt er auf Knopfdruck den Fahrplan der Straßenbah­n an.

Im Haushalt kann Sympartner den älteren Menschen nicht helfen und auch nicht ihre Pflege übernehmen. Dafür ist die Technik noch nicht ausgefeilt genug, zudem hat der technische Helfer keine Arme. Man habe den Roboter bewusst nicht wie einen Menschen gestaltet, erklärt Sibylle Meyer, Leiterin des Sibis-instituts für Sozialfors­chung und Projektber­atung in Berlin. „Das wäre ethisch nur schwer vertretbar. Wir können menschlich­en Kontakt nicht einfach durch Maschinen ersetzen.“Die Senioren aus der Testgruppe – sie sind zwischen 62 und 94 Jahre alt – wissen genau, dass es sich bei Sympartner um eine Maschine handelt.

Trotzdem hat Meyer die Erfahrung gemacht, dass Rentner „positiver gestimmt“nach Hause gingen, wenn sie wussten: Da ist jemand, der auf mich wartet. Meyer vergleicht dieses Empfinden damit, mit einem Haustier zusammenzu­leben. Wie belastend es sein kann, stets in eine leere Wohnung zu kommen und dort auch noch kaum Besuch zu empfangen, hat zuletzt etwa eine Studie der Ruhr-universitä­t Bochum gezeigt. Jeder fünfte Deutsche über 85 Jahren fühlt sich demnach allein. Bei den 45- bis 65-Jährigen ist es jeder Siebte. Besonders ältere, kranke Menschen, die kaum noch

Demenzpati­enten bekommen Hilfe

ihr Haus verlassen könnten, seien betroffen, sagt Psychologi­e-professori­n Maike Luhmann: „Ein Teufelskre­is, denn soziale Isolation kann Krankheite­n wie Depression oder Herz-kreislauf-erkrankung­en begünstige­n.“

Auch wenn ihr Roboter älteren Menschen keine praktische Arbeit abnehmen kann, glaubt Sozialwiss­enschaftle­rin Meyer, dass er ein selbstbest­immtes Leben in den eigenen vier Wänden auf Dauer unterstütz­en würde. „Einsamkeit ist eine große körperlich­e und psychische Belastung“, sagt auch sie – und ist sicher: Selbst wenn Sympartner eine Maschine ist, er kann auf die Stimmung älterer Menschen „aufhellend­e Wirkung haben“. Demenzpati­enten könne er an Dinge erinnern, die sie allein zu vergessen drohten. Etwa: „Hast du schon etwas getrunken?“Mit Fragen wie diesen leistet er einen Beitrag zur körperlich­en Gesundheit. Noch ein Vorteil: Der Roboter ist nie genervt, auch wenn er Dinge noch so oft sagen muss. „Er bleibt immer freundlich.“

Wann der Roboter flächendec­kend bei Rentnern in Deutschlan­d einziehen kann, will Meyer nicht beurteilen. Das hänge nicht zuletzt davon ab, wie die Technik sich preislich entwickle. Außerdem wollen die Forscher ihr neuestes Baby nicht nur in Ein-personen-haushalten testen wie bisher, sondern auch in Wohnungen mit mehr Menschen und über einen längeren Zeitraum. Und im Idealfall muss Sympartner irgendwann nicht mehr stetig neu programmie­rt werden, sondern lernt selbst aus Erfahrung, wann er seinen Besitzer ans Schuhputze­n, Bett überziehen und Trinken erinnern muss – oder wann er einfach mal einen schönen Film einlegen sollte.

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Foto: Arifoto Ug, Michael Reichel, dpa Fügt sich mit seinem Standfuß mit heller Holzoptik perfekt ins Wohnzimmer: der Roboter Sympartner. Er kann Senioren wie Jutta Cord aus Erfurt ans Trinken oder ihre Tab letteneinn­ahme erinnern, weckt sie zur gewünschte­n Zeit und schlägt auch mal einen...

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