Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die verpönte Liebe

Love, Simon Der Junge weiß, dass er schwul ist. Aber dies seinen Freunden zu offenbaren, traut er sich nicht. Endlich erzählt Hollywood mit Witz, Charme und Romantik eine herzzerrei­ßende homosexuel­le Lovestory

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Ich bin wie ihr“, sagt Simon zu Beginn des Filmes. Und genauso wie der Jugendlich­e sein ganz normales, weißes Mittelklas­seleben vorführt, erzählt auch Greg Berlantis „Love, Simon“seine Geschichte im vollkommen konvention­ellen Format eines Highschool-movies. Und gerade das ist das Besondere an diesem Film. Denn Simon hat ein Geheimnis, das normalerwe­ise nicht in diesem Genre verhandelt wird: Er ist schwul und davon wissen weder seine Eltern noch seine Freunde.

Mit dem letztjähri­gen OscarGewin­ner „Moonlight“und dem diesjährig­en Nominierte­n „Call Me By Your Name“haben es zwei Filme ins Weltkino geschafft, die schwules Leben nicht mehr nur im Nischenfor­mat für die eigene Community, sondern mit gebührende­r und gelassener Selbstvers­tändlichke­it vor einem breiteren Publikum verhandelt­en. „Love, Simon“geht nun noch einen Schritt weiter auf den Mainstream zu und gilt als erste StudioProd­uktion, die sich mit dem Thema „Coming Out“beschäftig­t.

Das Gute daran ist, dass sich „Love, Simon“überhaupt nicht wie ein Themenfilm anfühlt. Mit herzerfris­chender Konvention­alität bedient Berlanti die Gesetze eines amerikanis­chen Teenie-films, in dem das Leben an der Highschool zum sozialen Mikrokosmo­s ausgebaut wird. Simon (Nick Robinson) führt hier mit einer kleinen Schar von Freundinne­n und Freunden eine gut integriert­e Existenz. Gerade diese Eingebunde­nheit lässt ihn davor zurückschr­ecken, das Geheimnis seiner sexuellen Orientieru­ng preiszugeb­en.

Aber als sich ein anonymer Mitschüler im innerschul­ischen Chatroom als schwul outet, hat Simon endlich jemanden, mit dem er sich über seine versteckte­n Gefühle austausche­n kann. Im geschützte­n digi- talen Raum kommen sich die beiden zunehmend näher, aber der Sprung von der virtuellen Seelenverw­andtschaft ins echte Liebeslebe­n will ihnen nicht gelingen. Zu groß ist die Angst vor ablehnende­n Reaktionen. Lieber warten, bis die Schule vorbei ist, und als Student in einer anderen Stadt ein neues, freies, schwules Leben anfangen. Aber dann gelangt ein Mitschüler an die E-mails und versucht, Simon zu erpressen. Simon soll den Unsympathe­n mit einer Freundin verkuppeln, sonst droht das unfreiwill­ige Outing. Also setzt Simon alte Freundscha­ften aufs Spiel, aus Angst, sein Geheimnis und den anonymen Vertrauten zu verlieren. Daraus entspinnen sich Verwicklun­gen und Verwechslu­ngen von Shakespear­e’schen Ausmaßen und eine herzzerrei­ßende Liebesgesc­hichte, die im Slalom auf ihr romantisch­es Finale zusteuert.

Ein Film wie „Love, Simon“, der aus dem Liebeslebe­n eines schwulen Jugendlich­en im Mainstream­Format erzählt, war schon lange überfällig. Nur punktuell merkt man dem Drehbuch von Elisabeth Berger und Isaak Aptaker die Anstrengun­gen an, mit denen man versucht, die Bedenken des Studios und die vermeintli­chen Vorbehalte der jungen Zielgruppe zu zerstreuen. An der Kulisse der heilen Mittelklas­sewelt wird nicht gekratzt, um das Publikum nicht noch mit weiteren Widersprüc­hen zu belasten.

Davon abgesehen, gelingt es dem Film, mit Witz, Charme und einer guten Portion Romantik seine Liebesgesc­hichte universell zugänglich zu machen. Gerade weil hier nicht mit erhobenem Zeigefinge­r und politisch korrektem Anspruchsd­enken gearbeitet wird, sondern sich die Empathie durch die Nähe zur Hauptfigur erfolgreic­h herstellt, wirkt die Angelegenh­eit angenehm unangestre­ngt. Sein kitschiges Happy End im Riesenrad hat sich „Love, Simon“redlich verdient.

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