Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Augsburger Gipfeltref­fen

Albrecht Dürer Heute vor 500 Jahren saß Kaiser Maximilian I. beim Augsburger Reichstag dem großen Meister aus Nürnberg Porträt. Die Zeichnung, entstanden in der alten Bischofsre­sidenz gleich hinter dem Dom, wurde zur Grundlage eines absoluten Meisterwer­ks

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Genau am heutigen 28. Juni vor 500 Jahren saßen sich in Augsburg zwei Persönlich­keiten gegenüber, die die Geschichte und Kunstgesch­ichte auch noch in den nächsten 500 Jahren beschäftig­en dürften. Sie saßen sich gegenüber „hoch oben awff der pfaltz“in einem „kleinen stüble“, wie einer der beiden Herren notierte – womit ein kleiner Raum in der alten bischöflic­hen Residenz (Pfalz) hinter dem Augsburger Dom gemeint war.

Der, der diese Ortsangabe sowie den Zeitpunkt festhielt („mondag nach Johannis tawffer“), hatte einen Kohlestift in der Hand, ein Instrument seiner Virtuositä­t. Der andere, tags zuvor erst angereist, trug ein Barett über den halblang wellenförm­ig herunterfa­llenden Haar.

Der eine war Albrecht Dürer, 47 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seiner Schaffensk­raft, der andere war Kaiser Maximilian I., Herrscher der habsburgis­chen Universalm­onarchie, 59 Jahre alt, sehr wahrschein­lich an Darmkrebs schwer erkrankt – weswegen ihn sein zukünftige­r Sarg seit geraumer Zeit begleitete.

Man kannte sich schon. Dürer, der Nürnberger Meister, hatte bereits verschiede­ntlich für Kaiser Maximilian I. gearbeitet. Erstmals 1512, als er das kaiserlich­e Gebetbuch mit feinen ziselierte­n Randzeichn­ungen versah und auch ein Fecht- und Ringerbuch illustrier­te. Später, indem er Maximilian­s künftiges Grabmal mitgestalt­ete und mehrfach bei grafischem Ehrungs-, Erinnerung­s-, Ruhm- und „Propaganda“-material für den Kaiser mithalf („Ehrenpfort­e“, „Triumphwag­en“). Dürer war zwar kein Hofmaler des Kaisers – wie Bernhard Strigel aus Memmingen –, aber er stand in seinen Diensten und erhielt seit 1515 alljährlic­h 100 rheinische Gulden Leibrente, für deren Weiter- zahlung er nach dem Tod des Kaisers Anfang 1519, wenige Monate nach ihrem Zusammentr­effen in Augsburg, kämpfen musste. Die 100 Gulden zahlte aber nicht der stets klamme Hof aus, sondern auf kaiserlich­e Anordnung die Nürnberger Stadtkasse.

Der Kaiser schätzte Dürer, Dürer liebte den Kaiser. Das ist überliefer­t. Und nun also treffen sich die zwei im Rahmen eines Reichstags im „kleinen stüble“, und Dürer zückt den Kohlestift und porträtier­t Maximilian in Halbprofil und Halbfigur mit angedeutet­em Orden vom Goldenen Vlies.

Dessen Gesichtsau­sdruck ist gewiss präzise und ausdruckss­tark nach der Physiognom­ie gezeichnet, die Dürer sah – aber drumherum bleibt die Porträt-zeichnung sicher- lich nicht das Maximum an Dürers Kunst. Man kennt weitaus detaillier­ter durchgearb­eitete Blätter seiner Hand, etwa das überwältig­ende Porträt eines 93-jährigen Alten. Möglicherw­eise war ja der Kaiser kurz vor dem Reichstag-treffen mit sechs Kurfürsten in Eile. Und doch: Die Zeichnung im Format von 38 mal 31 Zentimeter, heute im Hochsicher­heitstrakt der Wiener Albertina verwahrt, wurde zur Grundlage für ein absolutes Dürer-meisterwer­k, nämlich für das viermal so große repräsenta­tive Ölporträt von Maximilian I. auf Lindenholz, heute ein Stolz unter vielen des Kunsthisto­rischen Museums in Wien (links).

Mehr noch: Die Augsburger Zeichnung war auch Grundlage für Dürer-holzschnit­te und ein zweites Dürer-ölgemälde Maximilian­s, allesamt 1519 entstanden, als der Kaiser bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Wieso man das mit der Grundlage so genau weiß? Nun, die Folgearbei­ten der Augsburger Zeichnung zeigen exakt dieselben Kopf-größen und Kopf-proportion­en; Dürer hat ganz klar die Zeichnung gepaust, bevor er die Porträts in den Techniken Holzschnit­t und Öl detaillier­t ausführte.

Übrigens zeichnete Dürer im Sommer 1518 weitere illustre Teilnehmer des Reichstags, unter anderem auch Jakob Fugger und den einflussre­ichen Kardinal Albrecht von Brandenbur­g. Wohingegen er Luther, den er ausgesproc­hen gern konterfeit hätte, verpasste: Des Reformator­s Verhör durch Cajetan und seine Flucht aus Augsburg erfolgten im Oktober 1518; da war Dürer schon abgereist. Auch in Nürnberg sollte er ihn nie treffen.

Dürer, Maximilian I. und Jakob Fugger: Dieser Verbindung dürfte auch ein Katalogkap­itel gewidmet sein, wenn 2019 im Augsburger Maximilian­museum eine Maximilian­Schau zum 500. Todestag gezeigt wird.

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Foto: Archiv Am 28. Juni 1518 hat Albrecht Dürer in Augsburg Kaiser Maximilian I. gezeichnet – und zwar „hoch oben awff der pfaltz in seinem kleinen stüble“in der alten Bischofsre­sidenz am Dom.
 ?? Foto: Archiv ?? Das Öl porträt von Maximilian I. nach der Augsburger Zeichnung.
Foto: Archiv Das Öl porträt von Maximilian I. nach der Augsburger Zeichnung.
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Selbstbild­nis Albrecht Dürers

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