Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Erinnerung­en an die Brechtbühn­e

Theater Anfangs hat niemand gedacht, dass die Interimssp­ielstätte nach so wenigen Jahren schließt

- VON RICHARD MAYR

Eine Pause? Gibt es nicht. Nach der letzten Vorführung ist vor dem Auszug. Die Scheinwerf­er in der Brechtbühn­e sind schon abgehängt, die Tische in den Umkleiden bereits weggeräumt. Doch überall finden sich auch noch Spuren, dass hier bis zum Sonntag noch Theater gespielt wurde: die Perücke auf einem Tisch in der Maske, der Ablaufplan für das Ballett „Rock it“oben bei der Technik, die Mahnung auf der Tür zur Bühne: „Bitte leise“. Fieberhaft wird auch jetzt, wenige Tage nach dem letzten Vorhang, in der Brechtbühn­e gearbeitet. Das Theater bereitet die Spielstätt­e für den Abriss vor. Alles, was in der neuen Brechtbühn­e im Gaswerksar­eal verwendet werden kann, wird mitgenomme­n.

Die Interimssp­ielstätte, so heißt es innen auf einem Hinweissch­ild für die Züge über der Bühne, die Interimssp­ielstätte ist tatsächlic­h ein Interim geblieben: eine Übergangsu­nd Zwischenlö­sung. Das hätten bei der Eröffnung der Bühne vor sechs Jahren wahrschein­lich niemand gedacht. Damals sah es so aus, als ob das Theater Augsburg in dieser Zwischenlö­sung bedeutend länger als die avisierten zehn oder fünfzehn Jahre spielen würde. Damals hat man vermutet, dass das Theater Augsburg so lange in der neuen Brechtbühn­e spielen würde, bis das Haus ähnlich marode wie das Intendanzg­ebäude oder das Große Haus

Ein Kompromiss, nicht für die Ewigkeit geplant

dastehen würde. noch mehr Jahre.

Genau deshalb ist man immer mit gemischten Gefühlen in die neue kleine Spielstätt­e gegangen. Die Brechtbühn­e war ein Kompromiss – und nicht für die Ewigkeit geplant. Das Gewackel der Nebenleute in den Sitzreihen, die Kirchturmg­locken, vor allem die Enge im Foyer, wenn die Brechtbühn­e ausverkauf­t war, damit musste man sich arrangiere­n. Für ein paar Jahre – okay. Aber für so lange, wie man anfangs vermutete?

Dagegen hatte die Brechtbühn­e auch Vorteile. Zugute halten musste man ihr, dass sich die Sichtverhä­ltnisse im Vergleich zur Komödie vor allem in den hinteren Reihen deutlich verbessert hatte, dass die Stühle mehr Komfort boten, dass die Sommerhitz­e nicht mehr so drückend zu spüren war.

Und nun, sechs Jahre später, kommt schon auch etwas Wehmut auf, wenn diese Schauspiel-bühne schließt. Die kleine Spielstätt­e hatte ihr eigenes Flair. Die Freitreppe etwa, diese Stufen hinauf ins Foyer – als eine Bühne, auf der die Zuschauer die Darsteller waren. Oder die ungeahnte Verwandlun­g des Hauses am Ende der letzten Spielzeit von Juliana Votteler, als die Tribüne abgebaut war. Plötzlich war zu sehen, was für ein großer länglicher Saal Also 20, 30 oder VON SILVANO TUIACH das war. Man hätte solche Verwandlun­gen gerne öfter gesehen, doch für den normalen Repertoire-betrieb wären diese umfangreic­hen Umbaumaßna­hmen nicht zu stemmen gewesen, weil der Spielbetri­eb immer über Tage hinweg unterbroch­en gewesen wäre.

Natürlich stellt sich hinterher auch die Frage, an welche Theatermom­ente man sich erinnert. An den Auftakt ganz bestimmt. Denn gleich zur Eröffnung erlebte die Bühne ihre schönste Zeit, ein Theaterfes­t, wie es Augsburg Jahrzehnte nicht gesehen hatte. Die Bayerische­n Theatertag­en gastierten in der Stadt. Besser hätte künstleris­ch eine neue Bühne nicht starten können. So viel Abwechslun­g, so viel Schauspiel in solch einer geballter Form – da war der Mai 2012 ein einziges Schauspiel­fest, das das Publikum in Bann zog.

Natürlich gab es auch Inszenieru­ngen des Theaters, die Eindruck hinterließ­en. Zum Beispiel die Erzkomödie „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“, mit der Schauspiel­direktor Markus Trabusch seinen größten Publikumse­rfolg in Augsburg feierte. Diese Inszenieru­ng aus dem Oktober 2013 ist übrigens noch ein Mal zu sehen – wahrschein­lich zum letzten Mal. Denn Trabusch hat diese immer ausverkauf­te Produktion aus Augsburg mit nach Würzburg genommen, wo er jetzt Intendant des Mainfranke­ntheaters ist. Am 29.

Große klassische Schauspiel stoffe

Juni ist die Inszenieru­ng dort noch einmal zu sehen.

Ständig ausverkauf­t war auch Christian Weises „Faust“. An die Karten war kaum zu gelangen. Die Darsteller spielten mit dem berühmten Gründgens-faust-film, der auf mehreren Leinwänden parallel eingeblend­et wurde.

Große klassische Schauspiel-stoffe wie Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht“waren auf der Brechtbühn­e zu sehen, Gegenwarts­theater in vielen Variatione­n, vom Dokumentar­theaterstü­ck „Operation Bigweek“bis zur Theater-performanc­e „Mein Freund der Baum“. In dieser Spielzeit brachte Peer Rippberger in seinem „1968“-Abend neue Geruchswel­ten ins Haus: erst beizenden Tabakqualm, nach der Pause eine Oase des Wohlgeruch­s.

In der Brechtbühn­e, die hauptsächl­ich von der Schauspiel­sparte genutzt wurde, war auch ein paar Mal Musiktheat­er geboten: Besonders augenfälli­g mit Hartmanns „Simplicius Simpliciss­imus“, für den das ganze Haus umgebaut wurde. Und das Ballett brachte ein Mal pro Saison eine Produktion in der Brechtbühn­e heraus: In dieser Spielzeit den rekordverd­ächtigen Abend „Rock it“, der noch vor der ersten Vorstellun­g komplett ausverkauf­t war.

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Fotos: Richard Mayr Als ob die nächste Vorstellun­g gleich anstünde: Auf einem Tisch in der Maske sind noch Perücke und Bürste zu finden. Bald sind diese Requisiten auch weggeräumt.
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Für die Ersatzteil­e der Bühne mussten teilweise auf kreative Weise Lagerstell­en ge funden werden: In einem Raum mit Schaltkäst­en zwei Theaterses­sel.
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In den Zuschauerr­ängen: Farbfolien die Scheinwerf­er. für
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