Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Und ewig grüßt der Trieb

Frank Castorf inszeniert „Don Juan“

- VON RICHARD MAYR

München Don Juan ist ein Mythos der Neuzeit: ewig gierig als Erotomane, nimmermüde in der Eroberung, skrupellos im Verlassen. Ein Getriebene­r, der für das Glück einer Nacht ganze Leben zerstört. Ein Zyniker, der über die Moral der anderen nur lachen kann. Im 17. Jahrhunder­t, als Molière sein Theaterstü­ck über Don Juan schrieb, war das auch eine Abrechnung mit dem Adel. Wenn Frank Castorf diesen Molière im Residenzth­eater auf die Bühne bringt, fließt Gegenwart ein, spiegelt sich in Don Juan auch die existenzie­lle Not des Überflussm­enschen, tritt Don Juan als einer auf, dessen maßlose Gier von einer noch größeren Leere übertroffe­n wird. Da stürzt sich einer auf alles Weibliche, um dieses Nichts in sich zu betäuben.

Anfangs läuft an diesem gut vier Stunden langen Abend alles auf gewohnten Castorf-bahnen: Der Bühnenbild­ner Aleksandar Denic hat wieder einen Zauberkubu­s errichtet, der sich je nach Drehstellu­ng von einer Gaukler-bühne in einen Ziegenstal­l und dann in einen Schlosssaa­l verwandeln kann. Und dieser Kubus mit den zig Gesichtern wirkt spärlich ausgeleuch­tet im Bühnennebe­l nur umso größer und wandlungsf­ähiger. Dazu kommt das großartige Schauspiel-ensemble um Franz Pätzold und Aurel Manthei als Don-juan-doppel, als zwei Gesichter dieses Mythos: Hier der Existenz-tänzer, der am liebsten noch Gott und den Teufel verführen würde, dort der Kraftkerl, der die Welt seinem Eros unterordne­n will.

 ?? Foto: Matthias Horn/rt ?? Franz Pätzold und Nora Buzalka in „Don Juan“. Doch beide Don Juans wirken erschöpft und seltsam erschlafft – Gefangene ihres Eroberungs­triebs.
Es wird deklamiert, gekreischt, gegeifert. Die einen juckt es im Schritt, die anderen bekommen schwarze...
Foto: Matthias Horn/rt Franz Pätzold und Nora Buzalka in „Don Juan“. Doch beide Don Juans wirken erschöpft und seltsam erschlafft – Gefangene ihres Eroberungs­triebs. Es wird deklamiert, gekreischt, gegeifert. Die einen juckt es im Schritt, die anderen bekommen schwarze...

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