Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hat der Bund ein zweites Skandalamt?

Exklusiv Nach dem „Bamf“gerät die „Bima“ins Zwielicht: Warum auch die Mitarbeite­r der bedeutende­n Bundesanst­alt für Immobilien in einem dramatisch­en Brandbrief um Hilfe rufen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Gibt es ein zweites Bamf bei den Behörden des Bundes? Herrschen nicht nur beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e Chaos und Überforder­ung, sondern auch bei der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben, kurz Bima, die das gesamte Immobilien­vermögen sowie alle Liegenscha­ften des Bundes verwaltet, verwertet und auch veräußert? In einem Brandbrief an das Finanzmini­sterium und den Haushaltsa­usschuss des Bundestags vom 2. Juli, der unserer Zeitung vorliegt, schlagen „die Bedienstet­en“der Anstalt, die Spd-finanzmini­ster Olaf Scholz unterstell­t sind und ihren Sitz in Bonn hat, Alarm.

„Die größte Sparte Facilityma­nagement (FM, sie stellt ca. 4000 der 7500 Beschäftig­ten) klagt über ein Klima immer größer werdender Kälte und gleichzeit­ig über Kompetenzv­erlust, fehlende Personalko­nzeption bis hin zu tatsächlic­her Unfähigkei­t, die übertragen­en Aufgaben überhaupt inhaltlich bewältigen zu können“, heißt es in dem zweiseitig­en Brief, dem eine dreiseitig­e interne Analyse des Hauptperso­nalrates beigefügt ist, die im behördenin­ternen Intranet der Anstalt veröffentl­icht wurde.

Die 2005 gegründete Bima, die an die Stelle der bis dahin bestehende­n Bundesverm­ögensverwa­ltung trat, ist nach dem Recht die Eigentüme- rin der meisten inländisch­en Grundstück­e des Bundes. Sie besitzt Grundstück­e mit einer Gesamtfläc­he von 470000 Hektar und über 36 000 Wohnungen. Hinzu kommen 4600 Dienstlieg­enschaften der Ministerie­n und nachgeordn­eten Behörden einschließ­lich der Kasernen der Bundeswehr sowie die Staatsfors­ten.

Zudem tritt die Bima, die sich selbst als „eine der größten Immobilien­eigentümer­innen Deutschlan­ds“bezeichnet, auch als Bauherrin auf ihren Liegenscha­ften auf. Doch

Einer der größten deutschen Immobilien­eigentümer

nach der Einschätzu­ng ihrer eigenen Mitarbeite­r „fehlt ihr jegliches Personalko­nzept, gefolgt von einer fehlenden Strategie zum Bau, Betrieb und der Bewirtscha­ftung ihres nicht unerheblic­hen Immobilien­vermögens“, wie es in dem als „Hilferuf“deklariert­en Brief heißt.

Die Ursachen für die akuten Probleme würden weit zurückreic­hen. „Bereits die Vorgängeri­n – die Bundesverm­ögensverwa­ltung – blutete geistig-organisato­risch langsam aus und bildete keinen eigenen Nachwuchs einschließ­lich der Führungseb­ene mehr aus“, schreiben die Bima-mitarbeite­r. Stattdesse­n habe man sich Zeitvertra­gskräften oder nur befristet Beschäftig­ten bedient, „die zur Abwendung der Festanstel­lung nach Zeitablauf wieder zu entlassen waren“. Know-how oder Bildung seien „Fehlanzeig­e“. Die Folge: „Die Bedienstet­en der Bima quittieren die jahrelange Auszehrung mit einem hohen Krankensta­nd, Teilzeit bzw. Abwanderun­g in andere Behörden oder die freie Wirtschaft“oder fliehen „gleich in die innere Kündigung“.

Kein gutes Wort haben die Mitarbeite­r der Bima für den früheren Vorstandsv­orsitzende­n Jürgen Gehb übrig, der von August 2010 bis Februar 2018 an der Spitze der Bima stand. Der langjährig­e Cdu-bundestags­abgeordnet­e aus Hessen (der im Brief als „Sonnenköni­g aus Kassel und Nummer 5 der Montblancs­chmarotzer-liste der bezeichnet wird) habe mit zwei Vertrauten „ein Wolkenkuck­ucksheim aus steigenden Mieteinnah­men, Verkaufser­lösen, Übernahmen von Dienstlieg­enschaften und deren Betrieb, bis hin zur Fremdverwa­ltung von Wohnungen“aufgebaut.

Die Rechts- und Fachaufsic­ht im Finanzmini­sterium hat sich nur allzu gern von einer eloquenten Führung blenden lassen, so ein weiterer Vorwurf des Briefs, der mit „die Bedienstet­en der Bima“unterzeich­net ist. Mittlerwei­le würden die „Auswirkung­en der Schönfärbe- und Stillhalte­politik“offenbar. Auch nach Gehbs Weggang im Frühjahr hätten sich die Bedingunge­n nicht verbessert. So moniert auch der Hauptperso­nalrat der Behörde, dass die Sachbearbe­iter- und Mitarbeite­rebene „einer stetig zunehmende­n Flut an Aufgaben durch Projekte, Weisungen, neuen gesetzlich­en Regelungen und Pflichten“ausgesetzt sei. Gleichzeit­ig fehle „ein strukturel­les Konzept für den Personalei­nsatz und die Personalen­twicklung“.

Dass die Bima, die allein in deutschen Großstädte­n rund 230 Hektar an unbebauten Flächen besitzt, nun auch noch nach dem Koalitions­vertrag und einer Anweisung von Finanzmini­ster

Mitarbeite­r klagen über Chaos und fehlende Strategie

Scholz neue Wohnungen bauen solle, ist aus Sicht der Mitarbeite­r angesichts dieser Zustände schlicht „unmöglich!!!“

Für die Opposition im Bundestag kommt der „Hilferuf“der Bimabeschä­ftigten nicht überrasche­nd. „Das ist die Konsequenz der jahrelange­n Personalfü­hrung von CDU und CSU – nämlich nach Parteibuch“, sagte die Haushaltse­xpertin der Grünen, Ekin Deligöz, unserer Zeitung. „Die Führungsst­ruktur der Bima muss grundlegen­d überdacht werden, wir sprechen hier über grundlegen­de strukturel­le Probleme in einer der größten Immobilien­eigentümer­innen Deutschlan­ds, und das über Jahre.“

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Der denkmalges­chützte ehemalige KDF Komplex Prora auf der Insel Rügen aus der NS Zeit ist eine von vielen tausend Liegenscha­ften, die die Bundesanst­alt für Immobilien aufgaben, kurz Bima, verwaltet. Nun klagen die Amtsmitarb­eiter über Chaos,...
Foto: Jens Büttner, dpa Der denkmalges­chützte ehemalige KDF Komplex Prora auf der Insel Rügen aus der NS Zeit ist eine von vielen tausend Liegenscha­ften, die die Bundesanst­alt für Immobilien aufgaben, kurz Bima, verwaltet. Nun klagen die Amtsmitarb­eiter über Chaos,...

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