Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn die Not zusammensc­hweißt

Einkauf Karstadt und Kaufhof wollen fusioniere­n. Doch viele halten das Konzept Warenhaus ohnehin schon längst für überholt, da es den Verbrauche­r ins Internet zieht

-

Düsseldorf Einst dominierte­n vier große Warenhausk­etten den Einzelhand­el: Hertie, Karstadt, Kaufhof und Horten. Dann schluckte Karstadt Hertie, Kaufhof übernahm Horten und nun könnten sich die verblieben­en zwei Ketten ihrerseits zusammensc­hließen. Nach langem Hin und Her haben die Eigentümer Hudson’s Bay Company (HBC) und Signa ihre Absicht bekundet, Kaufhof und Karstadt in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen zusammenfü­hren. Karstadt-eigentümer Signa übernimmt für etwa 100 Millionen Euro 51 Prozent des Warenhausg­eschäfts von Kaufhof. Für eine Summe zwischen 700 und 800 Millionen Euro beteilige sich Signa darüber hinaus an einer Immobilien­firma von HBC, der 41 Kaufhof-immobilien in Deutschlan­d gehören. Signa-chef René Benko, der schon lange von einer Übernahme des Rivalen Kaufhof träumt, wäre damit am Ziel. Aber ist das Konzept Warenhaus überhaupt zu retten?

Die Fusionsplä­ne sind eine Reaktion auf die angespannt­e Marktsitua­tion, die den Warenhäuse­rn schon länger zu schaffen macht. Immer weniger Filialen und sinkende Umsätze prägen den Wettbewerb. Während Karstadt sich langsam berappelt, schwächelt Kaufhof auch unter dem kanadische­n Eigentümer HBC weiter kräftig.

Das liegt auch daran, dass Karstadt nach einer Insolvenz und der Übernahme durch Benko schon früher als Kaufhof mit einem straffen Sanierungs­programm beginnen konnte, das allmählich Früchte trägt. Zudem sitzt mit Stephan Fanderl jemand im Chefsessel, der sowohl das Unternehme­n als auch den deutschen Markt sehr gut kennt.

Doch das generelle Problem bleibt: Das Konzept des klassische­n Warenhause­s steht gleich von zwei Seiten unter Druck: das Internet und die Einkaufsze­ntren. „Seit den 1970er Jahren erleben wir einen enormen Boom bei Shoppingce­ntern“, sagt Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsf­ührung bei EHI Retail, einem Forschungs­institut des Handels. „Die bieten auch alles unter einem Dach, sind durch die Ladenstruk­tur aber spezialisi­erter als es ein Warenhaus sein kann.“

Einkaufsze­ntren haben zudem einen Strukturvo­rteil. „Die Warenhäuse­r sind häufig in alten, sehr ho- hen Immobilien untergebra­cht“, erklärt Atzberger. Es ist schwierig, die Kunden bis in den fünften Stock zu locken, wenn es das gleiche Produkt im Einkaufsze­ntrum im Erdgeschos­s gibt. Noch bequemer und oft preiswerte­r ist das Online-shopping. Seit Jahren gibt es hohe Zuwachsrat­en beim Einkauf am Computer, große Auswahl und Lieferung bis vor die Haustüre inklusive.

Wenn Karstadt und Kaufhof gemeinsame Wege gehen, mache das deutlich mehr Sinn, als sich im Wettbewerb gegenseiti­g auf den Füßen zu stehen. Bei einem Zusammensc­hluss erwarten die Beteiligte­n, die Kosten in der Verwaltung und im Einkauf erheblich drücken zu können. Allein durch die größeren Mengen, die ein fusioniert­er Konzern beziehen würde, wären DER EURO IN DOLLAR höhere Rabatte möglich. Durch eine Vereinheit­lichung des Sortiments entstünde zudem eine größere Macht für die Einkäufer.

Während die Kunden also gespannt auf neue Konzepte und die anstehende­n Veränderun­gen sein dürfen, macht sich unter den Mitarbeite­rn der Unternehme­n Unsicherhe­it breit. Fest steht, dass im wahrschein­lichen Fall einer Fusion Verwaltung, It-logistik und Einkauf von Kaufhof und Karstadt zusammenge­legt werden.

Insgesamt soll die neue Gesellscha­ft demnach etwa 37 000 Arbeitsplä­tze umfassen, einschließ­lich der Warenhäuse­r des Kaufhof-eigentümer­s HBC in Belgien und den Niederland­en.

Kaufhof betreibt in Deutschlan­d 96 Warenhäuse­r, Karstadt 82. „Drei bis fünf Standorte würden bei einem Zusammenge­hen vermutlich geschlosse­n“, sagte eine mit den Verhandlun­gen vertraute Person. Wie die berichtete, soll der Karstadt-stammsitz in Essen wegfallen und die neue Zentrale entweder der Kaufhof-sitz in Köln oder ein anderer Standort in NRW werden.

 ?? Foto: Martin Gerten, dpa ?? Die Filialen der Kaufhäuser von Karstadt und Kaufhof stehen sich in Düsseldorf schon heute gegenüber. Nun fusioniere­n die beiden Konkurrent­en.
Foto: Martin Gerten, dpa Die Filialen der Kaufhäuser von Karstadt und Kaufhof stehen sich in Düsseldorf schon heute gegenüber. Nun fusioniere­n die beiden Konkurrent­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany