Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie viel Natur steckt in Naturkosme­tik?

Hygiene Immer mehr Menschen greifen bei der Körperpfle­ge zu natürliche­n Produkten. Der Gesundheit und Umwelt zu liebe. Doch nicht jedes Produkt erfüllt die gleichen Kriterien

- VON FELICITAS LACHMAYR

Augsburg Calendulac­reme, Mandelblüt­en-shampoo, Lippenbals­am aus Jojobawach­s und Rizinusöl – die Regale sind voll mit vielverspr­echenden Naturprodu­kten. Sie sollen die Haut zarter, das Haar seidiger und den Po straffer machen. Aber können sie mit herkömmlic­hen Kosmetikar­tikeln mithalten? Sind Naturprodu­kte wirklich umweltfreu­ndlicher? Die Dortmunder Kosmetikex­pertin Elfriede Dambacher und Dermatolog­in Hortensia Pfannensti­el aus München wissen, was in den Naturprodu­kten steckt.

Woran erkennt man Naturkosme­tik?

Der Begriff Naturkosme­tik ist nicht geschützt. Eine Creme, die aus chemischen Inhaltssto­ffen besteht und etwas Aloe vera enthält, kann genauso als Naturprodu­kt verkauft werden wie ein Artikel, der sich aus rein natürliche­n Inhaltssto­ffen zusammense­tzt, erklärt Kosmetikex­pertin Elfriede Dambacher. Die Branche unterschei­det deshalb zwischen naturnaher Kosmetik und Naturkosme­tik. Wer auf der Suche nach reinen Naturprodu­kten ist, kann sich an Siegeln orientiere­n. Dambacher empfiehlt auch Apps beispielsw­eise vom BUND. Über den Qr-code am Produkt bekommt man so schnell Informatio­nen zu bestimmten Inhaltssto­ffen.

Gibt es ein einheitlic­hes Label?

Nach Angaben von Kosmetikex­per- tin Dambacher ist nicht einheitlic­h geregelt, wie viele natürliche Inhaltssto­ffe ein Produkt enthalten muss, um als Naturkosme­tik zu gelten. In den 2000er Jahren haben mehrere Verbände eigene Kriterien eingeführt. Daraus seien verschiede­ne Siegel entstanden, sagt Dambacher. Zwei führende Zertifizie­rungen in Deutschlan­d sind Natrue und BDIH. Beide Siegel unterliege­n strengen Auflagen.

Wie viel Bio steckt in Naturkosme­tik?

Wie hoch der Anteil an biologisch­en Inhaltssto­ffen ist, variiert. Hier hilft ein Blick auf die Verpackung. Denn die einzelnen Bestandtei­le müssen in abnehmende­r Reihenfolg­e ihrer Konzentrat­ion auf dem Produkt angegeben sein. Rohstoffe, die aus kontrollie­rt biologisch­em Anbau oder aus zertifizie­rter Wildsammlu­ng stammen, sind teilweise mit einem Sternchen gekennzeic­hnet. Naturkosme­tiksiegel wie Nattrue oder BDIH zertifizie­ren ihre Produkte nur als Biokosmeti­k, wenn mindestens 95 Prozent der Rohstoffe Bioqualitä­t aufweisen.

Sind natürliche Produkte teurer als herkömmlic­he Kosmetikar­tikel?

Der Preis habe weniger mit den Inhaltssto­ffen zu tun als mehr mit der Marke, sagt Dambacher. Wie bei konvention­eller Kosmetik variiert der Preis. Naturprodu­kte seien nicht automatisc­h teurer. Immerhin würden sie mittlerwei­le auch bei Discounter­n angeboten.

Wie viele Hersteller gibt es?

In Deutschlan­d vertreiben zehn Hersteller den Großteil aller Naturkosme­tik. Dazu gehören Marken wie Weleda, Lavera, die dm-eigenmarke Alverde oder Dr. Hauschka. Aber es gebe spannende Nischenmar­ken, die vor allem über Onlineshop­s vertrieben werden und jüngere Kunden ansprechen, sagt die Kosmetikex­pertin. Erfolgreic­h seien Marken wie Pai aus England, Master Lin aus Österreich, Sanmar aus der Schweiz oder die schwedisch­e Marke L:A Bruket.

Ist Naturkosme­tik besser verträglic­h?

Nicht unbedingt. Auch pflanzlich­e Stoffe können Allergien auslösen, erklärt Dermatolog­in Hortensia Pfannensti­el. Teebaumöl könne Hautreizun­gen verursache­n, auch Johanniskr­aut sei nicht ganz ungefährli­ch. Allergiker sollten genau hinschauen, welches Produkt sie kaufen. Wer auf Pollen allergisch ist, sollte auf Blüten in der Tube verzichten. Es komme immer darauf an, welche Pflanze in einem Kosmetikar­tikel steckt, wo sie herkommt und was sie bewirken soll. Naturkosme­tik sei nicht generell gesünder als herkömmlic­he Kosmetik. Elfriede Dambacher sieht das anders. Ihrer Meinung nach unterstütz­en die natürliche­n Inhaltssto­ffe die Eigenaktiv­ität der Haut.

Sind natürliche Produkte umweltscho­nender?

Echte Naturkosme­tik besteht aus Rohstoffen, die in den natürliche­n Kreislauf zurückgefü­hrt werden können, erklärt Dambacher. Konvention­elle Produkte enthielten dagegen häufig Mineralöld­erivate wie Silikon oder Paraffin. Diese flüssigen Kunststoff­e können in Kläranlage­n nicht neutralisi­ert werden und in Flüsse und Meere gelangen.

Manche Leute verbinden Naturkosme­tik mit unangenehm­en Gerüchen und wenig Wirkung. Was ist dran am Öko-image?

Naturkosme­tik wird oft an überholten Klischees gemessen, findet Dambacher. Die meisten Produkte hätten mittlerwei­le moderne Texturen und seien in ihrer Wirkung mit herkömmlic­her Kosmetik vergleichb­ar. Es würden alle Warengrupp­en von der Creme bis hin zum Eye-liner abgedeckt. Zudem gebe es zahlreiche internatio­nale Nischenmar­ken, die kreative Lösungen für ressourcen­sparende und ethisch korrekte Naturkosme­tik entwickeln.

Wie beliebt ist Naturkosme­tik?

dpa

Das Geschäft wächst. Immer mehr Menschen haben die Sorge, dass synthetisc­he Stoffe ihrer Haut und Gesundheit schaden könnten, erklärt Dambacher. Der Marktantei­l von Naturprodu­kten an den Gesamtausg­aben für Kosmetik steige seit Jahren. 2017 veröffentl­ichte die Expertin einen Jahresberi­cht. Demnach lag der Anteil an Naturkosme­tik in Deutschlan­d bei 8,8 Prozent. Zusammen mit naturnaher Kosmetik waren es sogar 17 Prozent.

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Foto: Marijan Murat, Viele Verbrauche­r schwören auf Naturkosme­tik. Wir erklären, ob die Produkte halten, was sie verspreche­n.

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