Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jung, weiblich, Mathegenie

Bildung Jessica Ploner gewinnt als einzige Schülerin aus Bayern bei der Mathe-olympiade. Mädchen sind im Rechnen oft schlechter als Jungs. Schuld sind festgefahr­ene Rollenklis­chees

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Mathe ist selten das Lieblingsf­ach eines Mädchens. Pisaauswer­tungen und andere internatio­nale Studien bestätigen: Die mathematis­chen Leistungen sind beim weiblichen Geschlecht schlechter als beim männlichen. An Jessica Ploner vom St.-anna-gymnasium in Augsburg kann es nicht liegen. Sie liebt Zahlen, Algebra und Geometrie. Beim Bundeswett­bewerb der Mathematik-olympiade hat sie den dritten Platz belegt.

Gute Noten in Mathe hatte die 14-jährige Schülerin des St.-annagymnas­iums schon immer. Wie etwas Besonderes habe sie sich deshalb nicht gefühlt, sagt sie. Vor der fünften Klasse wäre ihr nie die Idee gekommen, bei einer Mathe-olympiade mitzumache­n. Zu dem Zeitpunkt gab es aber an ihrer Schule den Känguru-wettbewerb, ein internatio­naler Mathematik-contest, verpflicht­end für alle Schüler. Von 90 Teilnehmer­n belegte Jessica den ersten Platz. „90, das sind fast 100, habe ich mir damals gedacht.“Die Zahl sei ihr so ungeheuer groß vorgekomme­n.

Der Känguru-wettbewerb legte den Grundstein, machte der Gymnasiast­in deutlich, dass sie gut ist in

Schülerinn­en trauen sich in Mathe weniger zu

Mathe, besser als viele andere. Rollenklis­chees, die Mädchen in der sprachlich­en Nische verorten, sind ihr egal. Bis heute.

Von den Schülern, die sich für das Mathe-bundesfina­le beworben hatten, sind weniger als ein Drittel weiblich. Dabei würden sich mittlerwei­le immer mehr Mädchen trauen, mitzumache­n, erklärt Olympiade-organisato­r Richard Greiner. „Erfolg ist keine Frage des Geschlecht­s.“Das stimmt nicht ganz, sagen zumindest Pisa-forscher. Eine Auswertung aus dem Jahr 2016 zeigte, dass Mädchen häufig sehr viel schlechter sind in Mathe als Jungs. Im Durchschni­tt liegt der Leistungsu­nterschied zwischen Jungen und Mädchen bei 19 Punkten. Grund dafür ist nach Ansicht der Experten, dass sich Schülerinn­en in dem Bereich weniger zutrauen. Dass Mädchen nicht rechnen könnten, sei außerdem gesellscha­ftlich so verankert, dass Eltern ihre Kinder darin häufig noch verstärken würden. Das Resultat ist ein Rollenkli- schee, das viele Mädchen zum Anlass nehmen, Mathe von vorneherei­n abzulehnen. Jessica hat sich darüber nie viele Gedanken gemacht.

Die 57. Mathematik-olympiade wurde unter der Schirmherr­schaft des Bayerische­n Kultusmini­steriums ausgericht­et. 200 Schüler der Jahrgangss­tufen acht bis 13 aus ganz Deutschlan­d haben an dem Wettbewerb in Würzburg teilgenomm­en. Beworben hatten sich 200 000. „Damit gehöre ich zu den übrigen 0,1 Prozent“, sagt Jessica und lächelt. Ihre Leidenscha­ft für Zahlen kann sie nicht verbergen. „In der Mathematik hängt alles so logisch zusammen.“

Bis sich die 14-Jährige für das Bundesfina­le qualifizie­ren konnte, musste sie vier Runden überstehen. Im September ging es los mit der Hausaufgab­enrunde. Dabei dürfen Knobelaufg­aben zu Hause gelöst werden. Wer sich wie die Augsburger­in durchsetze, kam zur Regionalun­d anschließe­nd zur Landesrund­e. Während der viertägige­n Olympiade in Würzburg haben die Nachwuchs-mathematik­er zwei Klausuren geschriebe­n, jede dauerte viereinhal­b Stunden. Die einzigen Hilfsmitte­l: Zirkel, Papier, Stifte und ein Geodreieck. Taschenrec­hner waren tabu. Die hätten aber ohnehin nicht viel gebracht, sagt Jessica. Bei den Aufgaben geht es nach Angaben des Organisato­rs Greiner nicht nur ums Rechnen. Im Vordergrun­d stehen eine logische Herangehen­sweise und eine schlüssige Begründung.

Einige Jugendlich­e, die Jessica bei den vielen Wettbewerb­en kennengele­rnt hat, sind mittlerwei­le zu Freunden geworden. Die Leidenscha­ft verbindet. „Wir unterhalte­n uns viel über Mathe“, sagt sie.

13 bayerische Schüler erhielten beim Bundeswett­bewerb einen Preis. Davon ist Jessica das einzige Mädchen. Ein Problem hat sie damit nicht. „Ob es mehr Jungs oder Mädchen sind, ist egal. Es geht um Mathematik und die ist neutral.“

Für den dritten Platz beim Bundeswett­bewerb gab es 50 Euro Preisgeld. Nicht viel. Aber Geld ist nicht die Motivation der 14-Jährigen. „Ich habe einfach Spaß daran, mich mit Mathe zu beschäftig­en“, sagt sie und dreht an ihrem Zauberwürf­el. Lange braucht sie nicht, um das Drehpuzzle zu lösen. „Nur 45 Sekunden.“»Kommentar

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Foto: Judith Roderfeld Als eines der wenigen Mädchen hat Jessica Ploner am Bundeswett­bewerb der Mathematik Olympiade teilgenomm­en. Damit ge hört sie zu den besten Nachwuchs Mathematik­ern in Deutschlan­d.

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