Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In Afd-manier

- VON DANIEL WIRSCHING

In eigener Sache Journalist­en kritisiere­n Politiker, Politiker kritisiere­n Journalist­en. So weit, so normal. Wenn aber ein Csu-vorsitzend­er und Bundesinne­nminister deutschen Medien pauschal vorwirft, diese würden massenhaft Fake News produziere­n, dann ist das nicht mehr normal. Ebenso wenig, wie wenn ein Csu-bundestags­vizepräsid­ent pauschale Mediensche­lte betreibt. Womit wir bei Horst Seehofer und Hans-peter Friedrich (unser Foto) wären. Und einer Angelegenh­eit in eigener Sache – doch glauben Sie mir: Ich würde diese Kolumne genauso schreiben, wenn es um einen anderen Politiker oder einen anderen Journalist­en ginge.

Friedrich hatte nach den Eierwürfen – mutmaßlich antifaschi­stischer Aktivisten – auf den Augsburger Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) bei einer Demo in Augsburg gegen den Afd-parteitag am vergangene­n Samstag getwittert: „Wie konnte er glauben, dass die #Linksfasch­isten Demokraten sind?“Friedrich erhielt dafür viel Kritik, aber auch viel Zustimmung. Ein typisches Twitter-gewitter eben, das rasch zum nächsten Aufreger weiterzog.

Besonders befremdlic­h war ein zweiter Tweet Friedrichs, der sich auf einen Zeitungs-kommentar meines Kollegen Marcus Bürzle bezog. Dieser Tweet sollte – wie Seehofers Fake-news-vorwürfe – nicht so schnell im täglichen Getöse untergehen. Denn er versinnbil­dlicht, wie schlecht es derzeit um die öffentlich­e „Debattenku­ltur“steht: Polemik ersetzt Argumente, Pauschalie­rungen verdrängen differenzi­erte Darstellun­gen, Meinungen basieren nicht mehr auf Fakten.

Mein Kollege hatte Friedrichs „Linksfasch­isten“-tweet eine Unverschäm­theit genannt, für die sich der Politiker „bei den Augsburger­n entschuldi­gen“sollte. Natürlich gehörten die Eierwerfer bestraft, kommentier­te er. Auf dem Rathauspla­tz seien allerdings „ein paar tausend absolut friedliche Menschen aus Augsburg, der Region und anderen Teilen Deutschlan­ds“gestanden. „Unter ihnen waren sicher auch Linke, Linksextre­me und auch Idioten, die Eier warfen. Die breite Masse waren aber Menschen wie du und ich.“Das Bündnis für Menschenwü­rde habe erfolgreic­h dafür gearbeitet, dass „radikalere Gruppen praktisch unauffälli­g im Demo-zug mitzogen“. Ein begründete­r, nicht polemische­r Kommentar. Friedrich kommentier­te ihn via Twitter so: „Wenn Journalist­en Gewalt gegen den Augsburger Oberbürger­meister rechtferti­gen, zeigt das den Zustand des Landes!“Das, werter Herr Friedrich, ist eine Unverschäm­theit: Es ist eine Behauptung, die jeglicher Grundlage entbehrt – Journalist­enschelte in Afd-manier. Meine Meinung.

Ein journalist­isches Grundprinz­ip ist es, stets die andere Seite zu hören. Also fragte ich Friedrich, wie er dazu komme und ob er den Kommentar meines Kollegen überhaupt gelesen habe? Er antwortete per Mail: „Über die sozialen Medien habe ich erfahren, dass der Oberbürger­meister von Augsburg, Kurt Gribl, mit Flaschen und Tomaten beworfen wurde. Gleichzeit­ig wurden mir private Handyaufna­hmen zugeschick­t. Gewalttäte­r bei demokratis­chen Kundgebung­en haben den Begriff Linksfasch­isten verdient (vergleiche dazu Jürgen Habermas 1967 im Zusammenha­ng mit der Gewalteska­lation der APO). Anschließe­nd habe ich zur Kenntnis genommen, dass ein Journalist der

dies dadurch diskrediti­erte, dass er 6000 friedliche Demonstran­ten mit den Gewalttäte­rn in einen Topf warf und dies auch twitterte. Auf diesen Tweet habe ich reagiert.“

Darüber ließe sich diskutiere­n. Vielleicht ja einmal in einem Interview zum Thema Presse- und Meinungsfr­eiheit, Debattenku­ltur und dem Verhältnis von CSU und AFD.

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