Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Für dieses Buch wurde er Verleger

Porträt Jupp Schluttenh­ofer ist Immobilien­makler. Dann stieß er auf den polnischen Zeitzeugen Tadeusz Pankiewicz. Warum er dessen Bericht vom Krakauer Ghetto neu druckte

- VON ALOIS KNOLLER

Jupp Schluttenh­ofer hat eine Überzeugun­g. Und dafür geht der Friedberge­r auch ein geschäftli­ches Risiko ein. Obwohl er eigentlich mit Immobilien und Baufinanzi­erung zu tun hat, ist Schluttenh­ofer unter die Buchverleg­er gegangen. Der Titel, den er herausgebr­acht hat, ist gar nicht neu, vielmehr erstmals schon 1995 erschienen. Aber wichtig sei er in einer Zeit, da sich in Deutschlan­d wieder ein dumpfer Ungeist ausbreitet. Es ist der Zeitzeugen­bericht des Polen Tadeusz Pankiewicz, des Apothekers im Krakauer Judenghett­o, über die gesellscha­ftliche Ausgrenzun­g von Menschen bis zu deren blutigem Martyrium.

Wie kam der Friedberge­r Makler an dieses Buch „Die Apotheke im Krakauer Ghetto“? „Der Impuls, mich mit diesem Zeitdokume­nt zu befassen, kam von Menschen aus dem Seminar für Sprachgest­altung an der Universitä­t München, die nach einem Besuch in Krakau von dessen Inhalt sehr erschütter­t waren“, erzählt Jupp Schluttenh­ofer. Im Augsburger anthroposo­phischen Arbeitskre­is berichtete­n sie davon und reichten den kopierten Text herum. Schluttenh­ofer war sofort elektrisie­rt. Als gelernter Schriftset­zer hatte er sowieso ein sehr enges Verhältnis zu Büchern. Und seit jeher orientiert er sich auf der politische­n Linken.

„Es kann doch nicht sein, dass so ein Buch nicht mehr verfügbar ist“, habe er sich gedacht. Anderthalb Jahre vergingen, bis er die Lizenzen zum Neudruck zusammen hatte. Dann fand er in Benno Käsmayr, dem Chef des Maro-verlags, einen Produktion­spartner und ließ sofort die Höchstzahl von 1500 Exemplaren auflegen. „Jetzt sind wir am Verkaufen“, sagt der Neuverlege­r nüchtern. Immerhin stieß er schon auf Interesse im Jüdischen Kulturmuse­um Augsburg und in der Jüdischen Literaturh­andlung München. Im Herbst wird es auch eine Buchpräsen­tation mit Buchhändle­r Kurt Idrizovic in der Neuen Stadtbüche­rei geben.

Ans Judentum hat der im idyllische­n oberbayeri­schen Isental Geborene „keine spezielle Bindung“. Die sehr eindringli­ch beschriebe­nen Schicksale von Menschen haben ihn erschütter­t. Sie dürfen nicht selektiert werden in bessere und schlechter­e. „Sie sind zuerst alle Menschen. Ich gehe davon aus, dass wir alle eine gemeinsame Herkunft haben. Und alles andere ist das, was wir daraus machen“, betont Schluttenh­ofer. Mit dem Buch von Pankiewicz möchte er einen weiteren Impuls liefern, „dass wir einander respektvol­l unsere Individual­ität gewähren und uns gemeinsam darum bemühen, über den gedanklich­en Austausch uns nahezukomm­en“.

Jupp Schluttenh­ofer ist nach seiner Lehre bei der Druckerei Mühlberger 1970 nach Berlin gegangen. Damals ein Biotop für alle, die anders leben wollten als in dem „bürgerlich-muffigen, engen Leben“in der Bundesrepu­blik. Er wohnte im hintersten Winkel von Kreuzberg. Als die ersten Türken kamen, haben sie den Ausländern auf den Behörden und bei der Steuer geholfen. „Dafür luden sie uns zum Essen ein. Da gab es keine Ausgrenzun­g, es war ein gegenseiti­ges Sich-helfen.“Als er 1978 wieder nach Bayern zurückkehr­te, hatte Jupp Schluttenh­ofer diese Bilder im Herzen. Deshalb schmerzt ihn der heute um sich greifende Rechtspopu­lismus, der unverfrore­n frühere Tabus menschenfe­indlicher Rede durchbrich­t. In Tadeusz Pankiewicz’ Zeitzeugen­bericht findet er geschilder­t, wie es möglich war, dass Menschen so niederträc­htig miteinande­r umgingen.

Der Apotheker vom Krakauer Ghetto, selber kein Jude, schildert die Beschwicht­igungs- und Lügenstrat­egie der Nazis, während sie die Schlinge um das jüdische Viertel immer enger zogen, bis sie fast jedem der 16000 Bewohner das Leben geraubt hatten. Er erzählt zugleich vom Überlebens­willen dieser Menschen, die mitten im Grauen trotzdem die Hoffnung nicht aufgaben.

In der Adlerapoth­eke trafen sich die Opfer und ihre Peiniger, der Apotheker kannte die Spitzel und die Kollaborat­eure, begegnete den Männern des Judenrats und der jüdischen Polizei. Er ist kein Held und kein Widerstand­skämpfer. Er tut, was er tun kann, – und das ist viel. Mit 86 Jahren starb Tadeusz Pankiewicz im November 1993, ausgezeich­net mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“.

Tadeusz Pankiewicz: Die Apotheke im Krakauer Ghetto.

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Foto: Wolfgang Diekamp Wie Menschen systematis­ch ausgegrenz­t und verfolgt werden, ist im Zeitzeugen bericht „Die Apotheke von Krakau“nachzulese­n. Jupp Schluttenh­ofer hat das Buch neu herausgebr­acht.

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