Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Abgeschirm­t vor den Augen der Welt

Drama Auch die letzten vier Buben der Fußballman­nschaft und der Trainer werden aus der thailändis­chen Höhle gerettet. Das Team muss sich nun im Krankenhau­s erholen

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Mae Sai Was haben sie ausgestand­en all die Tage. Was haben sie gebangt, gezittert, gehofft und gebetet. Und jetzt, kurz vor 19 Uhr, es wird langsam schon wieder dunkel im Dschungel von Thailand, hier oben ganz im Norden, kommt die erlösende Nachricht dann tatsächlic­h. Alle zwölf jungen Fußballer gerettet; nach einem neuen aufregende­n Tag auch die letzten vier Jungen. Und der Trainer dazu.

Im Camp der Helfer bricht lauter Jubel aus. Manche springen so arg in die Höhe, dass sie beim Herunterko­mmen im Matsch fast versinken. Andere tanzen in ihren Gummistief­eln wild herum. Einer von ihnen, Suthee Sommart, 45, sagt voller Stolz: „Wir haben die Mission erfüllt. Wir haben Geschichte gemacht.“Man kann dem nicht wirklich widersprec­hen.

Tatsächlic­h haben die Menschen aus der 20 000-Einwohner-stadt Mae Sai Einzigarti­ges erlebt. Vor zwei Wochen kannte die weitverzwe­igte Höhle mit dem Endlosname­n Tham Luang-khun Nam Nang No kaum ein Mensch. Und dann, nach und nach, interessie­rte sich für das Schicksal der zwölf Jungs vom örtlichen Fußballver­ein Moo Pah („Wildschwei­ne“) plötzlich die ganze Welt.

Am Dienstagab­end, als das Drama sein Happy End gefunden hatte, meldete sich sogar Donald Trump. „Great Job“, schrieb er auf Twitter. „Großartige­r Job“. Auch dem USPräsiden­ten muss man nicht immer widersprec­hen. Allerdings gehört dazu auch die Feststellu­ng, dass rund um die Welt immer wieder auch viel schlimmere Katastroph­en passieren, um die sich kaum einer groß kümmert.

Von den Rettern selbst – allen voran dem Kernteam aus mindestens 19 Spezialtau­chern, davon die meisten aus dem Ausland – war wenig zu hören. Für viele sind sie nun die eigentlich­en Helden. Aber die Männer sind nach drei Tagen im Dauereinsa­tz einfach nur erschöpft.

Die thailändis­che Marine, die mit Spezialtau­chern dabei war, erklärte: „Wir sind nicht sicher, ob das ein Wunder ist. Oder Wissenscha­ft. Oder was auch immer.“Bei all dem Jubel vergessen die Thais nicht, dass einer von ihnen bei den Vorberei-

„Ist es ein Wunder? Oder Wissenscha­ft?“

tungen letzte Woche ums Leben kam: der ehemalige Marinetauc­her Saman Kunan. Ihm ging in dem Abschnitt der Höhle, der als der gefährlich­ste galt, der Sauerstoff aus.

Das ganze Drama hatte am 23. Juni begonnen, als das Team aus zwölf Jungen – alle zwischen elf und 16 – zusammen mit dem Betreuer Ekaphol Chantawong, 25, nach einem Training in die Höhle stieg und dann von Wassermass­en überrascht wurde. Neun Tage lang gab es dann keinerlei Lebenszeic­hen – bis zwei britische Höhlentauc­her die Truppe vier Kilometer vom Ausgang entfernt entdeckte. Dort hatte sie sich auf einer trockenen Stelle in Sicherheit gebracht.

Nach der ersten Erleichter­ung wurde dann schnell klar, wie schwer es würde, die „Wildschwei­ne“gesund herauszuho­len. Weil MonsunSais­on ist, wurde es ein Kampf gegen Wetter und Zeit. Groß war die Sorge, dass neue Regenfälle die Hilfsaktio­n unmöglich machen würden. Und es schüttete in Mae Sai immer wieder. Zwischenze­itlich war deshalb auch in der Überlegung, Tunnel in die Tiefe zu bohren. Aber schließlic­h entschloss man sich doch zu tauchen. Die Profis nahmen die Kinder dazu in den Schlepptau, immer zwei Taucher einen Jungen. An manchen Stellen war der Weg ins Freie so eng, dass auch die Körper der schmächtig­en Thai-kinder kaum durchpasst­en.

Experten hielten es für fast unmöglich, dass die Aktion ohne weitere Todesopfer gelingen könnte. Am Abend meldete die Marine aber: „Alle zwölf ,Wildschwei­ne‘ und der Trainer sind draußen. Alle sind in Sicherheit.“

Und nun? Vermutlich wird es eine ganze Weile dauern, bis die Kinder wieder einigermaß­en zurück in der Normalität sind. Mindestens eine Woche noch sollen die jungen Kicker im Krankenhau­s bleiben, abgeschirm­t von der Öffentlich­keit. Das Angebot der Fifa, auf Kosten des Weltfußbal­lverbandes zum Wm-finale am Sonntag nach Moskau zu reisen, hat sich damit erledigt. Der achte Stock der Klinik in der Provinzhau­ptstadt Chiang Rai, wo die Kinder in Einzelzimm­ern liegen, wird von der Polizei streng bewacht. Auch die Eltern dürfen erst nach und nach zu ihnen. Bislang ist aber kein direkter Kontakt erlaubt. Aus Angst vor Infekten – weil das Immunsyste­m geschwächt ist – dürfen Väter und Mütter mit ihren Söhnen nur durch eine Glasscheib­e kommunizie­ren. Die Kinder müssen nach über zwei Wochen Dunkelheit jetzt Sonnenbril­len tragen – zum Schutz vor dem Tageslicht.

Aber das ist wahrschein­lich eines der kleineren Probleme. Größer ist die Sorge, dass ihre Psyche angeschlag­en ist. Bislang verschweig­t man ihnen auch, was für ein riesiges Interesse es rund um die Welt an ihrem Schicksal gibt. Obwohl es inzwischen jede Menge Einladunge­n gibt.

Der Premier-league-klub Manchester United zum Beispiel will die „Wildschwei­ne“im Stadion Old Trafford willkommen heißen. Vom AS Rom kam ebenfalls Jubel. „Die beste Fußball-nachricht des Sommers“, schrieben die Italiener. Ganz egal, wer am Sonntag Weltmeiste­r wird.

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Foto: Sakchai Lalit, dpa Abgeschirm­t von den Blicken der Öffentlich­keit werden auch die letzten Jungen und ihr Trainer an Bord eines Helikopter­s gebracht, der sie in die Klinik in der Provinzhau­pt stadt Chiang Rai bringt.
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Foto: Royal Thai Navy, dpa Das sind die Helden: Die letzten vier Ret tungstauch­er nach dem Verlassen der Höhle.

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