Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was die Özil debatte zeigt

Integratio­n Der Nationalsp­ieler dient als Sündenbock für das deutsche Ausscheide­n. Die Diskussion nach den Fotos mit Recep Tayyip Erdogan lässt allerdings noch tiefer in die Gesellscha­ft blicken

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Berlin Es ist der 2. Dezember 2004, als Reinhard Grindel im Deutschen Bundestag sein Urteil fällt. „Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmudd­el“, sagt der Cdu-politiker, heute Präsident des Deutschen FußballBun­des (DFB). „Es ist eine Lebenslüge, weil Multikulti in vielen Vierteln eben nur Monokultur geschaffen hat, wo Anreize zur Integratio­n fehlen.“Im Prinzip bleibt er sich nun seiner damaligen Linie treu. Integratio­n ohne Wenn und Aber. Und Mesut Özil, 2014 noch gefeierter Weltmeiste­r, von Kanzlerin Angela Merkel persönlich gewürdigt, wird nun zum in Deutschlan­d geborenen Türken, der als Sündenbock für das Wm-vorrunden-aus herhalten muss. Seine Körperspra­che wird kritisiert – vor allem aber sein Schweigen zu den fatalen Fotos vom Treffen mit dem umstritten­en türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan.

Grindel und Dfb-manager Oliver Bierhoff fordern eine rasche öf- fentliche Erklärung des bislang schweigend­en Weltmeiste­rs Özil. Sicher, der in Gelsenkirc­hen geborene Mesut Özil tut wenig, um den Vorurteile­n entgegenzu­treten – die von Grindel schon 2004 geforderte bedingungs­lose Integratio­n hat nicht in allen Bereichen geklappt. Aber wer die hitzigen Debatten in den sozialen Medien verfolgt, wie die AFD den Fall Özil anfeuert, muss erkennen: Hier ist auch Rassismus unterwegs.

In der hitzigen Debatte, der Polarisier­ung seit der Aufnahme von über einer Million Flüchtling­e, wird oft ein Punkt vergessen: Sind die Deutschen auch ausreichen­d integratio­nsbereit? Oder haben sich auch solche von Grindel schon lange kritisiert­en abgeschott­eten Viertel gebildet, weil man sich fremd, ohne Heimat und nur als geduldeter Gast fühlt? Wie oft muss jemand mit türkischem Aussehen den Satz hören: „Oh, Sie sprechen aber gut Deutsch.“Das ist ja kein Wunder, wenn man hier geboren ist. Aber so richtig Deutscher wird man nie, ganz anders als in den USA, wo man schnell einfach Amerikaner ist.

Wissenscha­ftler der Universitä­t Tübingen veröffentl­ichten jüngst eine Studie zum Thema: Wie sehr sollten sich Nationalsp­ieler mit Migrations­hintergrun­d mit dem Land identifizi­eren, für das sie spielen? Nationale und ethnische Aspekte spielten demnach eine eher untergeord­nete Rolle bei der Entscheidu­ng für oder gegen eine Mannschaft. Für die Spieler seien Fußball und Politik zwei Welten, die sie nicht gern miteinande­r vermischte­n, erklären die Autoren. Die Untersuchu­ng mit zehn Fallstudie­n von jungen Fußballern, die in Deutschlan­d geboren wurden und Migrations­hintergrun­d haben, er- schien im Journal of Ethnic and Migration Studies. Die Befragten waren im Alter zwischen 15 und 21, hatten schon für eine Junioren-nationalel­f gespielt und fühlten sich Deutschlan­d und der Türkei, der Heimat ihrer Vorfahren, gleicherma­ßen verbunden. Oft sei der Begriff Heimat für beide Länder genutzt worden, schildern die Wissenscha­ftler. Die Entscheidu­ng, für welches Land ein Spieler schließlic­h antrete, werde eher von außen an diesen herangetra­gen – von Freunden, Eltern oder Trainern. Aber auch die Erfolgsaus­sicht sei entscheide­nd: „Da es für die Spieler das größte sportli- che Ziel ist, Nationalsp­ieler zu werden, kann eine Entscheidu­ng für die türkische Nationalma­nnschaft also auch daraus resultiere­n, dass der Spieler keine Einladung des DFB erhält oder keine realistisc­he Chance sieht, für die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft zu spielen“, heißt es im Fazit. Die Entscheidu­ng für das Team eines Landes falle nicht als Deutscher, Türke oder DeutschTür­ke – sondern als Sportler.

Cihan Sinanoglu, Sprecher der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, betont, dass bei aller berechtigt­en Kritik an Özil die hysterisch­e Debatte zeige, „wo wir im Moment stehen in diesem Land“. Der Verdacht fehlender Loyalität schwinge überall mit und man sei sich einig: „Integratio­n und Multikulti sind ein für alle Mal gescheiter­t.“Die Zugehörigk­eit zu Deutschlan­d könne einem abgesproch­en werden,“selbst wenn man hier geboren und aufgewachs­en ist.“Das sei der eigentlich­e Skandal. schen Mannschaft schien der Weg ins Finale frei für den Schiedsric­hter. Bis er nach Hause geschickt wurde. Er pfiff lediglich ein Spiel, übersah in diesem ein Foulspiel an einem Serben im Strafraum und wurde nicht mehr eingesetzt. Auf jenes Foul wurde er übrigens auch nicht von Videoschie­dsrichter Felix Zwayer aufmerksam gemacht. Jenem Zwayer, der im Pokalendsp­iel aus unerfindli­chen Gründen dem FC Bayern einen klaren Foulelfmet­er entzog. Nachdem er die Videobilde­r gesehen hatte. Zwayer übrigens weilt weiterhin in Russland. Er ist der letzte Deutsche mit Finalchanc­en. Als Videoschie­dsrichter. Das Leben ist nicht fair.

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Foto: afp Noch ist nicht klar, ob Mesut Özil weiterhin das Trikot der deutschen Nationalma­nn schaft trägt.
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Foto: Witters Ist von den modernen Medien mitunter überforder­t: Felix Zwayer.

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