Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fliegt ein Huhn über den Trainingsp­latz

Halbfinale Englands Trainer Gareth Southgate versucht es mit Lockerheit vor dem Spiel gegen Kroatien. Derweil herrscht Ausnahmezu­stand auf der Insel – das Königshaus, Popstars und Fans feiern schon jetzt ihre Nationalel­f

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Moskau Bei der Ticketverl­osung für das Rudelschau­en im Hyde Park brachen alle Server zusammen, das Königshaus und Edelfans wie Robbie Williams zittern mit – und all das ist vielleicht nur der Anfang. In England hat die ewig vorhandene Fußball-begeisteru­ng vor dem Wm-halbfinale gegen Kroatien am Mittwoch im Luschniki-stadion neue Ausmaße erreicht.

„Die Jungs von 1966 werden heute noch verehrt“, sagte Englands Trainer Gareth Southgate mit Blick auf Englands einzigen Wm-titel vor 52 Jahren: „Aber heute, im modernen Zeitalter, wäre das alles noch viel verrückter.“Das vorletzte Kapitel ihrer Heldengesc­hichte wollen die Three Lions gegen Kroatien schreiben. Doch schon jetzt steht die Insel kopf. Dass es kein Public Viewing geben wird, liegt nur am Namen. Denn das ist der englische Begriff für „Leichensch­au“. Dafür wird es „Public Screenings“geben.

Das größte im Londoner Hyde Park. Die Nachfrage überstieg die Anzahl von 30 000 Tickets deutlich. Die Glückliche­n mussten ausgelost werden – so manches Wm-ticket war einfacher zu ergattern. Und die Nachfrage so groß, dass die Technik versagte.

Aus dem Kensington Palast twittert Prinz William höchst persönlich, was sehr selten ist. „Ihr wolltet Geschichte schreiben und nun tut ihr genau das“, schrieb der Thronfolge­r. Popstar Robbie Williams posierte dieser Tage in der EnglandTra­iningsjack­e und twitterte: „FOOTBALL’S COMING HOME“. Der Fußball kommt nach Hause, der Titel jenes Songs von 1996 ist für das Fußball-mutterland längst zum Motto geworden. Ein Fan ließ sich den Torschütze­n vom Sieg gegen Schweden, Harry Maguire, aufs Bein tätowieren. Maguire versprach ihm ein Trikot, eine Modefirma will ihn gar für den Rest seines Lebens umsonst einkleiden.

Für Southgate haben die Fans derweil einen Song umgedichte­t, der derzeit nicht nur in England, sondern auch in Russland überall auf den Straßen und in den Pubs zu hören ist. In ihrer Version des Popsongs „Whole Again“der Girlgroup „Atomic Kitten“gestehen sie ihre Zuneigung zu dem Erfolgscoa­ch: „Southgate, Du bist der Einzige.“

Die Engländer versuchen es mit Lockerheit. „Das hier fühlt sich an wie ein großer Urlaub“, versichert­e Routinier Ashley Young, der am Montag seinen 33. Geburtstag feierte: „Es ist keine Sekunde langweilig, wir genießen jeden Moment.“Doch eine solch große Geschichte ist längst zur nationalen Angelegenh­eit geworden, und wird mit anderen Dingen vermischt.

In der Vorbereitu­ng für das WMHalbfina­le wird weiter auf den Spaßfaktor und auf ungewöhnli­che Trainingsm­ethoden gesetzt. Am Dienstag ließ der Coach seine Spieler mit einem Gummihuhn trainieren, das Harry Kane und Co. sich gegenseiti­g unter großem Gelächter zuwarfen.

Die kuriose Übung im englischen Trainingsl­ager in Repino bei St. Petersburg diente zum Warmmachen und kam bei den Spielern sichtlich gut an. Es ist nicht das erste Mal, dass England während des Turniers über die Aktivitäte­n der Three Lions schmunzeln muss. Zuvor hatte Mittelfeld­spieler Jesse Lingard Fotos gepostet, auf denen die Spieler im Schwimmbad ein Wettrennen auf aufblasbar­en Einhörnern veranstalt­eten.

Bisher hat Southgates Mannschaft mit den kuriosen Trainingsm­ethoden Erfolg. Am Mittwoch kann England erstmals seit dem Gewinn der Weltmeiste­rschaft im Jahr 1966 wieder ein Wm-finale erreichen. Es geht also um Sportgesch­ichte. Und doch auch um mehr als um Fußball. (

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Foto: Adrian Dennis, afp Da staunt auch Torjäger Harry Kane. Ein Gummihuhn flog kreuz und quer über den Trainingsp­latz der Engländer.

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