Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ist das noch eine WM oder kann das weg?“Wm kolumne von Udo Muras

Mit der Aufblähung des Turniers auf 48 Teilnehmer droht die große Langeweile

-

Wenn die eigene Mannschaft nicht mehr dabei ist, dann kann so ein Wm-turnier schon ganz schön lang werden. Wissen wir Deutschen jetzt endlich auch. Wobei lang nicht gleich langweilig ist. Langeweile und K.o.Phase schließt sich eigentlich aus und selbst wenn wir ab dem Achtelfina­le einige zähe Spiele von Teams sahen, die erst mal nicht verlieren wollten, hielt uns die Gewissheit auf eine Entscheidu­ng wach. In der Vorrunde hatten wir dagegen etliche Spiele, in denen es entweder um nichts mehr ging oder welche, die schon zur Halbzeit entschiede­n waren.

Wen wundert’s bei 32 Mannschaft­en, die ja nicht die 32 besten der Welt sind, wie uns nicht zuletzt die Fifa-weltrangli­ste erklärt hat? Aber an einer WM soll ja die ganze Welt teilnehmen und jeder Kontinent vertreten sein. Soweit kein Einspruch. Das war zwar schon in Zeiten möglich, als nur 16 Teams zur Endrunde fuhren, aber eben nicht garantiert. Die ersten Afrikaner begrüßten wir 1970 in Mexiko, wo Marokko zwar die Deutschen ärgerte, aber schnell wieder heimfuhr. Das kann man mit dem größten Kontinent der Erde natürlich heutzutage nicht mehr machen und in Zukunft schon mal gar nicht.

Die nächstgröß­ere WM steht vor der Tür mit 48 Mannschaft­en, davon dann neun aus Afrika und acht aus Asien. Nur wer es schon wieder vergessen hat: die fünf Afrikaner scheiterte­n alle in der Vorrunde, Asien und Ozeanien brachten von ebenfalls fünf Teams nur die Japaner durch - dank der Fairplay-re- gel. Zum Lohn werden ihre Kontingent­e nun also verdoppelt. Bloß wann, ist noch ungewiss. 2026 ganz sicher, aber das traditione­lle Fußballlan­d Katar hat schon signalisie­rt, 2022 ebenso viele Länderteam­s unterbring­en zu können.

Warum das alles? Ist das noch WM oder kann das weg? Die Fifa ist natürlich nicht nur dazu da, dafür zu sorgen, dass die Reichen immer reicher werden und die Besten unter sich bleiben, so wie es die Uefa mit ihren Vereinen praktizier­t. Und mit der Ausweitung der Teilnehmer­zahl auf ein Viertel (!) aller Fußballver­bände der Welt trifft sie natürlich auf grenzenlos­e Zustimmung bei den Fußballzwe­rgen. Ein Mal WM und zurück, für die GalapagosI­nseln wäre das das größte Glück.

Doch dient sie damit auch dem Fußball? Stellen wir uns das mal praktisch vor: Es wird spätestens 2026 in der Drei-länder-wm von Kanada bis Mexiko 16 Dreiergrup­pen geben von A wie Abzocke bis P wie Profitgier - so können wir uns das alle besser merken. Alle 48 Mannschaft­en haben nur zwei Gruppenspi­ele, nach denen ein Drittel des Feldes schon wieder heimfährt. Da lohnt es sich für etliche Städte kaum, Großleinwä­nde aufzubauen. Und weil es keine belanglose­n Spiele geben soll, muss der Verlierer des ersten Spiels auch das zweite bestreiten. Weil vorher keiner weiß, wer das ist, wird es für Fans natürlich ein Heidenspaß, Reisen zu buchen. Die Zahl der Vorrundens­piele bleibt bei diesem Modus zwar gleich hoch (48), die der unsägliche­n aber dürfte rasant steigen. Und die K.o.-runde zieht sich durch Einführung eines Sechzehnte­lfinals noch ein bisschen länger hin. Ich stelle hier mal eine grundsätzl­iche Frage: Ab wann ist ein Turnier noch ein Turnier?

Schon im Mittelalte­r hat man sie sich gestellt, als jeder Ritter zu den Kampfspiel­en eilte. Auf deutschem Boden erfand man deshalb eine Obergrenze. Dabei sein durfte nur, wer mindestens in fünfter Generation adelig war. Das Publikum dankte es, denn es blickte durch und kam schneller nach Hause. Im Fußball gehen sie den umgekehrte­n Weg. Die ersten Wm-endrunden hatten 16 Teilnehmer, jetzt kommt die dreifache Ladung. Ich fordere eine Obergrenze für Funktionär­sschwachsi­nn, die ja schon mit der Wm-vergabe an Katar übertreten wurde. Nicht nur die klassische­n Fußballlän­der müssen ihre Ligen unterbrech­en, nur damit die Scheichs vier Wochen die Welt zu Gast haben in einem Land, das seine Stadien erst bauen muss. Der Weltmeiste­r wird Weihnachte­n gekürt. Ich halte genauso viel von Trump wie der Rest der Welt abzüglich seiner Wähler, aber wenn mal einer daher käme, dessen Motto „Football first“hieße, ich würde ihn hochleben lassen. Arme WM, wie wirst Du zugrunde gerichtet. Russland war die letzte schöne, übrigens ganz ohne Pyro und UltraGesän­ge. Haben Sie es vermisst?

Udo Muras, 52, ist freier Journalist aus Frankfurt und hat unter anderem ein Buch über Gerd Müller geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany