Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Carmen den Mord an ihr überlebt

Bregenz Auf der Seebühne stirbt die Opern-protagonis­tin auf drastisch-trickreich­e Weise

- VON KLAUS PETER MAYR

Bregenz Am Ende fast jeder Aufführung von Georges Bizets Oper „Carmen“auf der Bregenzer Seebühne werden die Zuschauer unruhig. Viele wissen zwar, dass der zornige Don José seine widerspens­tige Geliebte töten wird. Aber wie er das bewerkstel­ligt, lässt vielen den Atem stocken: José packt Carmen und drückt sie unter Wasser. Sie wehrt sich, zappelt verzweifel­t; doch sie hat keine Chance. Ihre Bewegungen erlahmen. Schließlic­h ist sie tot, ertränkt von dem Mann, der sie angeblich so liebte. Minutenlan­g treibt ihre Leiche vor der Bühne. Und 7000 Zeugen dieses brutalen Mordes fragen sich: Wie funktionie­rt das auf offener Bühne, ohne Stuntfrau?

Dass der Carmen-darsteller­in nichts passiert ist, sieht man einige Minuten später, beim Schlussapp­laus. Da taucht sie munter wieder auf und verbeugt sich. Natürlich wissen die Zuschauer, dass Bregenz seine Sopranisti­nnen nicht im Bodensee ertrinken lässt. Aber spekuliert wurde viel darüber, wie die Sängerinne­n den Opern-mord überleben. Vor Beginn der diesjährig­en Aufführung­sserie, die am 19. Juli beginnt, haben die Festspiele nun verraten, wie sie ihre Titelheldi­n sterben lassen, ohne dass sie getötet wird. Dass der Bodensee Don José hilft, Carmen zu ertränken, liegt nahe. Laut Libretto hat der Eifersücht­ige sie vor einer Stierkampf­arena zu erstechen. Doch das passt nicht zur Bühne im See. Außerdem setze das Ertrinken „mehr und längere schaudernd­e Emotionen frei als der konvention­elle Dolchstoß“, lässt die Presseabte­ilung verlauten.

Carmen geht gut gerüstet in die Szene. Unter dem weiten, blutroten Kleid verbirgt sich eine Pressluftf­lasche. Hinter der Rose am Kleid ist ein Mundstück versteckt, per Schlauch verbunden mit der Luftflasch­e. Noch während des Fallens im knietiefen Wasser führt die Sängerin den Schlauch zum Mund, um unter Wasser atmen zu können.

Und wenn doch was schiefgeht? Dafür gebe es ein „unmissvers­tändliches Notsignal“, mit dem Carmen reagieren muss. Denn die Sicherheit der Sängerinne­n habe, so betont die Presseabte­ilung weiter, natürlich absolute Priorität. Offensicht­lich hat es bisher keine Panne gegeben.

„Das Ertränken ist mein Lieblingsm­oment“, erklärte neulich Sängerin Gaëlle Arquez, die auch heuer eine der Carmen gibt. „Es ist so energiegel­aden, so dramatisch.“Wie echt die Szene wirkt, hat sie sich von den eigenen Eltern bestätigen lassen. „Die sind erschrocke­n, als sie das von der Tribüne aus sahen.“

 ?? Fotos: Matthias Becker; Bregenzer Festspiele ?? So wird Carmen durch Don José im Bodensee ertränkt (links) – und unsichtbar fürs Publikum gelingt es der Sängerin mit Hilfe eines Atemgeräts, sich unter Wasser zu halten (rechts).
Fotos: Matthias Becker; Bregenzer Festspiele So wird Carmen durch Don José im Bodensee ertränkt (links) – und unsichtbar fürs Publikum gelingt es der Sängerin mit Hilfe eines Atemgeräts, sich unter Wasser zu halten (rechts).

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