Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was Politik von Goethe lernen kann

Theo Stammen feiert heute 85. Geburtstag

- VON ALOIS KNOLLER

Goethe hat ihn nie mehr losgelasse­n. Noch 2013 legte Theo Stammen die Abhandlung „Zur Genealogie des Politische­n bei Goethe“vor. 1999 waren es die Studien „Goethe und die politische Welt“und 1966 seine Freiburger Doktorarbe­it „Goethe und die Französisc­he Revolution“. Niemals hat sich der Augsburger Ordinarius für Politische Wissenscha­ften, der 1973 seinen Lehrstuhl an der noch jungen Universitä­t bezog und damit zur Gründergen­eration gehört, in der Tagespolit­ik verloren. Stammen, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, dachte stets in größeren Zusammenhä­ngen.

Geisteswis­senschaft heißt für ihn, die menschlich­en Grundfrage­n nach dem Ich und dem Wir zu reflektier­en, die Fragen nach der zweckmäßig­en Ordnung der Lebenswelt. Dafür zog Stammen nicht nur die einschlägi­gen Theoretike­r des Faches heran – über die er ein Standardwe­rk verfasste –, sondern auch Literaten wie Dante (ein Vertrieben­er), Shakespear­e (ein Mann in verworrene­r Zeit) oder Exilautore­n wie Thomas Mann und Bertolt Brecht. In Goethe floss beides zusammen: der Poet und der Weimarer Politiker.

Prof. Theo Stammen hat sich auch in die „Niederunge­n“der Politik begeben. Er befasste sich mit den Parteien und ihren Karrieremu­stern. Immer wieder aufgelegt wurde seine „Einführung in die Politikwis­senschaft“. Mit 68 Jahren wurde Stammen 2001 emeritiert, doch die Hände legte er nicht in den Schoß. Noch immer ist Stammen, der noble Gelehrte mit der Silbermähn­e, Präsident der Augsburger Goethe-gesellscha­ft, die sein erfolgreic­her Seniorstud­ent Wolfgang Pollert, von seinem Lehrer inspiriert, 2005 ins Leben gerufen hatte. Bester Freund wurde ihm der Kollege Hans-otto Mühleisen. Er lernte ihn in gemeinsame­n 40 Jahren als liebenswer­t, kooperativ und inspiriere­nd kennen. Ins Colloquium Politicum luden sie namhafte Politiker an die Uni ein.

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Foto: Sybille Schiller Der Politologe Theo Stammen gehört zur Gründergen­eration der Universitä­t Augs burg.

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