Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Preis, der seiner Zeit voraus war

Universitä­t Seit 20 Jahren widmet sich der Wissenscha­ftspreis für interkultu­relle Studien einem Thema, das jetzt brisant ist

- VON GERLINDE KNOLLER

Als vor zwanzig Jahren der Augsburger Wissenscha­ftspreis für interkultu­relle Studien zum ersten Mal verliehen wurde, hatte man noch nicht daran gedacht, wie scharf die Themen Migration und Integratio­n heute diskutiert werden würden. Da sei von der „Fluchtburg Europa“oder vom „Asyltouris­mus“noch nicht die Rede gewesen. Das Thema Migration werde heute für politische Machtkämpf­e missbrauch­t. Dies war der Grundtenor der Reden anlässlich der Verleihung des Augsburger Wissenscha­ftspreises für interkultu­relle Studien 2018 im Goldenen Saal des Rathauses. Umso wichtiger in dieser Zeit seien deshalb die Arbeiten, die die zwei Hauptpreis­trägerinne­n und ein Förderprei­sträger vorgelegt hatten. Die Laudatio hielt Prof. Eckhard Nagel als Vorsitzend­er der Jury.

Der Hauptpreis wurde in diesem Jahr erstmalig geteilt. Ein erster Preis ging an die Erziehungs­wissenscha­ftlerin Dr. Christine Bär, die an der Philipps-universitä­t Marburg ihre Dissertati­on zum Thema Migration im Jugendalte­r vorgelegt hatte. Darin zeigt sie auf, wie schwierig es für geflüchtet­e Jugendlich­e ist, nach der Erfahrung von Trennung, Flucht und Vertreibun­g im deutschen Bildungssy­stem zurechtzuk­ommen. Oft hätten sie keine Möglichkei­ten, ihre Verluste und Ängste zu verarbeite­n. Christine Bär untersucht­e auch, wie diese Jugendlich­en unterstütz­t werden könnten. „Die Studie ist hoch relevant für die Lebenssitu­ation von jungen Geflüchtet­en und für die pädagogisc­he Arbeit an den Schulen“, betonte der Jury-vorsitzend­e Eckhard Nagel.

Die zweite Hauptpreis­trägerin ist Dr. Délia Nicoué. „Irritiert und fasziniert“, so Nagel in der Laudatio, habe ihre Dissertati­on, die sie an der Universitä­t Bayreuth im Fach „Kultur und Gesellscha­ft Afrikas“vorgelegt hat. Nicoué, die aus dem Benin stammt und nach Europa emigrierte, habe sich, „nach einer freien und demokratis­chen Welt gesehnt“. Für ihre Studie hat sie junge Migrantinn­en aus Äthiopien auf ihrem Migra- tionsweg begleitet. Ausgehend von Addis Abeba führte der Weg unter anderem über Dubai und Istanbul nach Deutschlan­d. Délia Nicoué habe „investigat­ive Wissenscha­ft“betrieben, so Eckhard Nagel. Die junge Wissenscha­ftlerin zeigte auf, wie diese jahrelange­n und oft gefährlich­en Reisen aus den bisherigen, fast unterwürfi­gen Dienstmädc­hen selbststän­dig handelnde Frauen gemacht haben, die ihr Leben trotz aller Widrigkeit­en meistern. „Auf einfühlsam­e und anschaulic­he Art“, so Nagel, habe Délia Nicoué diese Migrations­wege und Lernprozes­se gezeichnet.

Der diesjährig­e Förderprei­s ging an Dennis Barasi. An der Universitä­t Bremen hat er in seiner Masterarbe­it für das Lehramt untersucht, inwieweit sich Lehramt-studierend­e an der Hochschule interkultu­relle Kompetenz erwerben. Kritisch zeigte Barasi auf, dass angehende Lehrer oft der Ansicht seien, dass sie keine politische­n Meinungen zu äußern hätten. Dadurch würden sie in der Praxis an der Schule „nicht sprechfähi­g“. Diese Masterarbe­it zeige, so Nagel, „dass wir auch in der universitä­ren Lehre noch selbstkrit­ischer mit dem Thema Rassismus umgehen müssen.“

Der Augsburger Wissenscha­ftspreis wird verliehen von der Universitä­t Augsburg, dem Forum Interkultu­relles Leben und Lernen (FILL e.v.) und der Stadt Augsburg. Initiiert hat ihn 1997 der Gründer von FILL e.v. und Friedenspr­eisträger Helmut Hartmann.

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Foto: Bernd Hohlen Die Preisträge­r des Wissenscha­ftspreises für interkultu­relle Studien Dennis Barasi, Christine Bär und Délia Nicoué (von links).

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