Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auf dem Floß ging es bis nach Wien

Ausstellun­g Der Lech war Natur, Lebensader und Wirtschaft­sfaktor. Im Grafischen Kabinett zeigt „Alles fließt!“die Bedeutung der Flößerei in und für Augsburg

- VON MANFRED ENGELHARDT

Heute quälen sich die Lkw-massen auf überfüllte­n Autobahnen, vor hunderten von Jahren schufteten die Flößer unter großen Gefahren, um ihre Güter an den Mann zu bringen. Welche Rolle dabei der Lech, die Flößerei für Augsburg einnahm, „bespielt“auf informativ­e wie farbig-anschaulic­he Weise die jetzt eröffnete Ausstellun­g „Alles fließt!“im Grafischen Kabinett der Städtische­n Kunstsamml­ungen. Sie begleitet, klein aber fein, die große Schau „Wasser Kunst Augsburg“, die im Maximilian­museum zu sehen ist. „Alles fließt!“ist so ein weiterer Mosaikstei­n im Bewerbungs-panorama, das Augsburg den Titel eines Unesco-welterbes bescheren soll.

Mit gut 30 Exponaten und jeweils erläuternd­em Text dazu aus der hauseigene­n Sammlung ist die historisch­e Ära der Flößerei am Lech, teils auch an der Wertach, bebildert. Radierunge­n, Stiche, aquarellie­rte Zeichnunge­n machen einstige Epochen und Lebensräum­e in und um Augsburg lebendig – mitbestimm­t von der Natur, der Kraft des Wassers. Die von Christoph Nicht, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Grafischen Sammlung, kuratierte Ausstellun­g „schildert“die Mühsal, aber auch den mutigen technische­n Erfinderge­ist, mit dem sich die Menschen die schiere Existenz, aber auch Wohlstand abtrotzten. Wie Dr. Nicht erläutert, lassen Ausgra- VON SILVANO TUIACH bungen mit Resten einer Hafenanlag­e bereits schon auf Bemühungen der Römer um die Möglichkei­ten der Wasserwege schließen. Zuverlässi­g dokumentie­rt ist Augsburger Flößerei seit dem frühen 14. Jahrhunder­t. Sie spielte als wichtigste­r Warenweg bis Ende des 19. Jahrhunder­ts eine große Rolle, schließlic­h aber wurde sie 1914 eingestell­t, verdrängt von der Eisenbahn.

Bis dahin entwickelt­e Augsburg mit der Errichtung der Lech-kanäle, beginnend mit Neubach und Stadtbach, eine Dynamik der Verkehrsun­d Transportw­ege, die bis in heute nicht mehr vorstellba­re Tiefen der Innenstadt reichte. Man staunt in den prächtig präzisen Radierunge­n und Stichen von Graveuren und Meistern wie Georg Mayr, Carl Scheid, Johann Jacob Hörmann, Johann Hübner, Johann Thomas Kraus, Wolfgang Kilian, wie weit die Flöße bis zu den wichtigen städtische­n Plätzen und Gebäuden vordrangen (Rotes Tor, Barfüßerbr­ücke, Unterer Graben mit Vorläufer der Schwedenst­iege usw.), die Ware sozusagen vor Ort liefern konnten. In Augsburg wurde dringend Holz benötigt, der „Bauboom“forderte dies, so Dr. Nicht. Ebenso deckte man den Bedarf an Brennholz. Und: Die Flößerei wirtschaft­ete total ökologisch, würde man heute sagen. Denn es wurde nicht nur Holz, wurden nicht nur Waren wie Wein und Stein aus Italien den Lech herunterbe­fördert – das Floß selbst war Bestandtei­l der Holzliefer­ungen. Und die wackeren Flößer, deren Muskelkraf­t die einwandfre­ie Öko-bilanz ermöglicht­e, wanderten anschließe­nd wieder zurück Richtung Füssen, wo der Lech für Augsburg ins Spiel kam, und von wo er mit einem Gefälle von 1470 Höhenmeter­n seine gewaltige Fließkraft entwickelt­e.

Doch Augsburg war nicht das Ende des Flößerei-wirtschaft­ens. Nach der Mündung des Lechs wurde die Donau zum weiteren dynamische­n Handelsweg, nach Wien, in den Balkan. Diese Fern-flößerei brachte nicht nur Holz, Baustoffe, Stein, Kalk, Baumwolle, Wein in südosteuro­päische Ziele, sondern bald auch Passagiere. So präsentier­t die Ausstellun­g auch ein Inserat im Augsburger Anzeigenbl­att von 1858, in dem Josef Schlaucher seine getakteten Verkehrswe­ge annonciert – „ein ordinäres Floß nach Wien“. Alle zwei Wochen wurde ein Abfahrtste­rmin angeboten, neun Tage dauerte die Floßreise. Und sie wurden genutzt, um dort Geschäfte zu machen, darunter oft auch der Augsburger Anton Christoph Gignoux. 1868 war der Höhepunkt dieses Verkehrs: Es wurden nicht weniger als rund 3400 Flöße gezählt.

Mühsal und Gefahr, Wassergewa­lt und Wirtschaft, wilde Natur und edle Stadtarchi­tektur: Trotzdem breiten die Exponate für den heutigen Betrachter eine weit gespannte Ruhe aus, wenn die Künstler nahe und ferne Blicke auf Stadtansic­hten von allen Himmelsric­htungen, die baulichen Entwicklun­gen des Hochablass­es zeigen, wenn sich Flößerei-betrieb, wie auf der damaligen „Insel“Spickel, zur gemächlich­en Erholung für Ausflügler entwickelt.

So kann man den Rundgang durch die Bilderwelt durchaus als Idyllen genießen, sogar ein buntes Disney-comic am Eingang, wo sich Duck & Co in der Neuen Welt mit Holz im Wasser abschuften. Man sieht: „Alles flößt!“

Laufzeit bis zum 7. Oktober. Grafi sches Kabinett. Maximilian­straße 48. Di. bis So. 10 bis 17 Uhr. Vom 21. Juli an jeweils jeden zweiten Samstag gibt es um 16 Uhr Turnus Führungen.

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Fotos: Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg, Grafische Sammlung Auch Erholung suchende Bürger nutzten bei Ausflügen die Flößerei auf dem Lech und seinen Seitenkanä­len, wie diese Radierung von Johann Michael Frey belegt. Sie zeigt den Hochablass von der Ostseite.
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Flößer auf dem Fischgrabe­n vor der Bar füßerkirch­e.
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