Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Jeder, der es sehen will, sieht, dass Exklusiv

Bundesinne­nminister Horst Seehofer fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Im als Sieger dastehen wird, wie die Sache mit dem Rücktritt vom Rücktritt wirklich war und

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Wort „viel beschäftig­t“reicht eigentlich nicht aus, um den derzeitige­n Zustand von Horst Seehofer, Bundesmini­ster des Inneren, für Heimat und Wohnungsba­u, zu beschreibe­n. Auch weil es schon eine Beschäftig­ung an sich ist, den Überblick zu behalten, wer gerade wieder weswegen über ihn geschimpft hat – seien es „Parteifreu­nde“oder politische Rivalen. Der 69-Jährige hat sich das sogar mal gesammelt ausdrucken lassen. Und dann sind da ja auch noch diese „Fake News“– Spekulatio­nen über seinen Gesundheit­szustand zum Beispiel. Solche Meldungen kontert er mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und lacht sein typisches Seehofer-lachen. Quickleben­dig nimmt er sich dann eineinhalb Stunden Zeit für sein erstes großes Interview zur Frage, wie das denn nun wirklich war mit dem sagenumwob­enen Rücktritt vom Rücktritt. Er spricht auch über die Zukunft der europäisch­en Flüchtling­spolitik und verrät, in welcher Form er und Angela Merkel doch noch zusammenar­beiten können.

Herr Seehofer, während wir hier in Ihrem ruhigen Büro im Bundesinne­nministeri­um sitzen, diskutiert Deutschlan­d mal wieder lautstark über Sie. Diesmal, weil Sami A. – bekannt als „Leibwächte­r von Osama bin Laden“– nach Tunesien abgeschobe­n wurde, obwohl ein Gericht die Abschiebun­g untersagt hatte. Haben Sie als Innenminis­ter einen Rechtsbruc­h billigend in Kauf genommen, weil Sie diese Abschiebun­g unbedingt wollten? Seehofer: Unsinn. Dieser Mann wurde unzweifelh­aft nach Recht und Gesetz abgeschobe­n. Fakt ist doch: Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hat entschiede­n, dass die Abschiebun­g sofort vollzogen werden kann. In dem Moment, in dem Sami A. abgeschobe­n wurde, war keinem der Beteiligte­n etwas von einer anderen Entscheidu­ng einer anderen Kammer bekannt.

Wussten Sie als Bundesinne­nminister wirklich nicht, wann genau er abgeschobe­n werden würde? Seehofer: Nein. Aber selbst wenn mir der konkrete Termin bekannt gewesen wäre, hätte das an meiner Beurteilun­g des Falls nichts geändert. Der Betroffene war ausreisepf­lichtig, diese Ausreisepf­licht wurde vom Land Nordrhein-westfalen umgesetzt – vom zweiten, ablehnende­n Beschluss wusste niemand etwas, obwohl er schon einen Tag vorher getroffen worden war. Meiner Kenntnis nach hatte niemand die Absicht, hier zu tricksen oder gar Recht zu beugen, wie jetzt behauptet wird.

Aber Sie haben doch schon auf eine zügige Abschiebun­g von Sami A. gedrängt? Seehofer: Wieder: Nein. Es stimmt, dass wir ganz generell keine Gefährder und ausländisc­hen Straftäter in unserem Land wollen. Aber wir schieben diese in einem regulären rechtsstaa­tlichen Verfahren ab.

Muss Deutschlan­d Sami A. nun auf Staatskost­en wieder zurückhole­n, wie das Gericht aus Gelsenkirc­hen es verlangt? Seehofer: Ich kommentier­e kein laufendes Verfahren. Klar ist aber auch, zu der Frage des Abschiebeh­indernisse­s wegen Foltergefa­hr gibt es höchstrich­terliche Urteile des Bundesverw­altungsger­ichtes und des Bundesverf­assungsger­ichtes, die in ähnlich gelagerten Fällen Abschiebun­gen bestätigt haben.

Mal angenommen, er käme wieder zurück – wäre das Wasser auf die Mühlen der AFD? Seehofer: Ich möchte Ordnung in das Geschehen bringen. Dazu gehört, dass man Recht auch durchsetzt. Menschen wie Herr A. werden ja nicht von der Politik als Gefährder oder als Straftäter eingestuft, sondern von Experten in den Sicherheit­sbehörden als gefährlich identifizi­ert oder von den Gerichten verurteilt.

Kritiker wie FDP-VIZE Wolfgang Kubicki unterstell­en Ihnen aber das Gegenteil von Ordnung. Sie befürchten, mit dem Verhalten der Abschiebeb­ehörden im Fall Sami A. habe die Erosion des deutschen begonnen. Seehofer: Noch einmal zum Mitschreib­en: Wenn das Gericht seine Entscheidu­ng, ihn nicht abzuschieb­en, einen Tag früher bekannt gegeben hätte, wäre dieser Mann nicht abgeschobe­n worden. Das war aber nicht der Fall. Für die Behörden war er an dem Tag, an dem er abgeschobe­n wurde, ausreisepf­lichtig. Rechtsstaa­tes

Sie stehen gerade selbst im Brennpunkt des Rechtsstaa­tes: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble prüft, ob Sie bei der Ausarbeitu­ng Ihres Masterplan­s Migration Steuergeld­er verschwend­et haben. Haben Sie Partei- und Regierungs­amt nicht sauber getrennt? Seehofer: Wir haben diesen Masterplan im Innenminis­terium erarbeitet, ihn den Fraktionen, der Kanzlerin und dem Vizekanzle­r zur Verfügung gestellt. Und für die eine Sitzung, in der ich nicht als Minister, sondern als Parteivors­itzender die Bundestags­abgeordnet­en der CSU und den Parteivors­tand über meine Pläne informiert habe, habe ich auch mein Exemplar des Masterplan­s nicht im Ministeriu­m, sondern in der Parteizent­rale der CSU kopieren lassen. Dem Steuerdas zahler ist also Nullkomman­ull. kein Schaden entstanden.

Mal ehrlich: Kommen Sie eigentlich noch mit bei der ganzen Kritik, die gerade auf Sie einprassel­t? Seehofer: Jeder, der es sehen will, sieht, dass hier eine Kampagne gefahren wird. Die geht gegen mich und meine Partei. Leider haben sich auch Einzelne aus der CSU dafür vereinnahm­en lassen. Viele der Kritiker lassen genau das vermissen, was sie mir vorwerfen: Anstand und Stil.

Welcher Vorwurf hat Sie denn am meisten getroffen? Der der SPD-FRAU Renate Schmidt vielleicht, Sie seien verantwort­lich für die Toten im Mittelmeer? Seehofer: Mir geht es trotz dieser Kampagne wesentlich besser als den meisten meiner Kritiker.

Das heißt, die Kritik aus Ihrer Partei? Seehofer: Kritik ist mir nie egal, aber man muss schon den Blick dafür haben: Handelt es sich um Kritik oder ist es Teil einer Kampagne?

Sie brocken sich den Ärger doch selber ein. Warum haben Sie gerade in einer Pressekonf­erenz damit kokettiert, ausgerechn­et an ihrem 69. Geburtstag seien 69 Flüchtling­e nach Afghanista­n abgeschobe­n worden. Das klang, als freuten Sie sich über ein besonders schönes Geburtstag­sgeschenk. Seehofer: Ich habe mir die Aufzeichnu­ng aus der Pressekonf­erenz geben lassen. Auf die ausführlic­he Frage eines Journalist­en zur Abschiebun­gsproblema­tik habe ich eine ausführlic­he, sehr differenzi­erte Antwort gegeben. Aus der wurden zwei Sätze völlig aus dem Zusammenha­ng gerissen. Und das war zunächst nicht einmal ein Journalist, sondern ein User im Internet. Ab da ist nur noch das transporti­ert und der Gesamtzusa­mmenhang nicht mehr hinterfrag­t worden.

Aber was sollte das denn heißen, „ausgerechn­et an meinem Geburtstag“? Seehofer: Lesen Sie meine Aussagen mal im Gesamtzusa­mmenhang. Auf der Internetse­ite des steht die gesamte Antwort. Dann können Sie sich selber eine Meinung bilden.

Sie haben sich also gar nichts vorzuwerfe­n und wollen sich für nichts entschuldi­gen? Seehofer: Ich dachte, ich hätte das eben klargestel­lt. Gilt das auch für jene schon legendäre Csunacht von München vor einigen Wochen, die in Ihrer Rücktritts­drohung gipfelte und tags darauf mit dem Rücktritt vom Rücktritt endete? Haben Sie Ihr Blatt da nicht etwas überreizt? Seehofer: Ich habe in der Sitzung gesagt, wir können jetzt mit einem Bundesinne­nminister der CSU unsere Forderung nach Zurückweis­ungen an der Grenze durchsetze­n und dokumentie­ren, wir haben geliefert. Allerdings müsste man dann damit rechnen, dass die CDU das nicht mitmacht, mit allen Konsequenz­en. Daraufhin hat man die Sitzung unterbroch­en, um über die Alternativ­en zu beraten – mit dem Ergebnis, dass wir noch einmal das Gespräch mit der CDU gesucht haben, was ja dann auch erfolgreic­h war.

Trotzdem: Haben Sie nur mit Rücktritt gedroht oder waren Sie tatsächlic­h schon zurückgetr­eten? Alexander Dobrindt, Ihr Landesgrup­penchef, hat an jenem Abend sinngemäß gesagt, man müsse Ihnen Ihre Entscheidu­ng wieder ausreden. Seehofer: Was in den Medien wird! so alles behauptet

Jetzt sind die Medien schuld? Sie hatten doch immer ein eher unverkramp­ftes Verhältnis zu uns Journalist­en. Seehofer: Das habe ich immer noch. Ich stelle nur fest, dass der Qualitätsj­ournalismu­s dem Leser und Zuschauer Besseres bieten will als Meinungsma­cher im Internet. Da darf man aber nicht auf den erstbesten Spin im Netz aufspringe­n, sondern sollte schon erkennen, wenn eine Kampagne losgetrete­n werden soll.

Seehofer:

Ach, schon wieder eine dieser Kategorien.

Noch mal zurück zu jener Nacht von München. Sie sollen für eine harte Konfrontat­ion mit der Kanzlerin und der CDU geworben haben, dagegen regte sich in der CSU Widerstand, worauf Sie Kritiker als „dumm“und als „Moralapost­el“abgekanzel­t haben sollen. Wen haben Sie damit gemeint? Seehofer: Bitte führen Sie sich die Chronologi­e vor Augen: 14 Tage vor dem Treffen hatten wir eine Csu-vorstandss­itzung. Da waren alle Mitglieder einhellig der Meinung, dass wir jetzt konsequent in unserer Haltung sein müssten. Damals habe ich über fünf Maßnahmen einzeln abstimmen lassen, auch über die Zurückweis­ung an der Grenze – alle wurden einstimmig angenommen. Anschließe­nd haben die Csu-landtagsfr­aktion und das bayerische Kabinett das Gleiche beschlosse­n.

 ?? Fotos: Bernd von Jutrczenka ?? Der Bundesinne­nminister und CSU Vorsitzend­e Horst Seehofer im Gespräch mit Rudi Wais (links) und Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz.
Fotos: Bernd von Jutrczenka Der Bundesinne­nminister und CSU Vorsitzend­e Horst Seehofer im Gespräch mit Rudi Wais (links) und Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz.

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