Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Aufregung über „Homo Peinlichke­it“in der Kirche

Religion Eine ultrakatho­lische Plattform geifert über eine „Erotik-primiz“. Was in St. Moritz wirklich geschah

- VON ALOIS KNOLLER

„Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören. Du hast mich gepackt und überwältig­t.“Jeremias, der Prophet aus Jerusalem, fühlte sich wie eine betrogene Geliebte, als er diese Klage an seinen Gott formuliert­e. Dieser hat ihn überwältig­t, in ihm die Flamme der Leidenscha­ft entzündet, dass er nicht mehr wegkam von seinem Liebhaber. Es ist eine starke, erotische Macht, wovon die Bibel spricht. Sie drängt danach, Gestalt anzunehmen.

Der profession­elle Tänzer Clemens Fröhlich unternahm es vorigen Samstag in der Moritzkirc­he. „Jeremia – Passion eines Propheten“hieß die Choreograf­ie. Die Gedanken dazu hat ihm Neuprieste­r Fabian Ploneczka aufgeschri­eben. Sie spiegeln seine eigene Berufungse­rfahrung wider, sein Hingerisse­nsein für die Sache des Glaubens und sein Erschauern vor der Zumutung, die ihm die rückhaltlo­se Entscheidu­ng für Gott abverlangt. In seinen Figuren bildete der Tänzer, der in der kommenden Saison am Staatsball­ett Stuttgart engagiert ist, die innere Anziehung des biblischen Wortes ab, die Hingabe als Antwort will. Und er tanzte die Verzweiflu­ng eines Menschen, dem der Erfolg versagt sein wird, der auf taube Ohren und harte Herzen stößt.

Clemens Fröhlich tanzte vor dem Altar der Moritzkirc­he, umfasste zärtlich das Evangelien­buch, wandte sich flehentlic­h an die Christussk­ulptur in der Apsis der Kirche. Er setzte die ganze Ausdrucksk­raft seines athletisch­en Körpers ein und wie zum Zeichen, dass hier exemplaris­ch das menschlich­e Geschöpf vor seinem Schöpfer steht, trug er bloß die Trikothose des Tänzers.

Soll die Darbietung eine „Homopeinli­chkeit“gewesen sein? So geifert ein Beitrag auf dem ultrakonse­rvativen

Gottesdien­stbesucher sollen empört gewesen sein

Internetpo­rtal kath.net. Hier habe „eine eindeutig homophile, ja homoerotis­che Veranstalt­ung in einer geweihten Kirche“stattgefun­den, behauptet die anonyme Polemik unter der reißerisch­en Überschrif­t „Eine Erotik-primiz“und beruft sich auf angeblich Gottesdien­stbesucher.

In der Pfarrei St. Moritz will man „diesen Artikel in keiner Weise öffentlich kommentier­en“, teilte Pfarrer Helmut Haug auf Anfrage mit. Auch Neuprieste­r Florian Ploneczka, der am Sonntag in St. Moritz seine erste heilige Messe feierte, wollte der ultrakatho­lischen Polemik „keine Aufmerksam­keit schenken“. Ein offizielle­s Foto der Tanzperfor­mance während des Vespergott­esdienstes wurde von der Pfarrei nicht herausgege­ben.

Der Prediger des Abends, Rundfunkpf­arrer Thomas Steiger aus Tübingen, erklärte schon vorab zu seiner Aufgabe: „Für den jungen Mann, der Priester wird, scheint die Liebe zu Jesus entscheide­nd zu sein. empörte Und er nennt das die Erotik des Glaubens. Er hat sich entschloss­en, sein künftiges Leben besonders stark an Gott zu binden. Mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele. So will er Menschen helfen, glücklich zu sein. Und er will das alles mit Leidenscha­ft tun, mit großem innerem Antrieb und letztlich: aus Liebe.“

Erotik sei spürbar überall dort, wo es um mehr als nur leibliche Erfahrunge­n geht, wo Leib und Seele spürbar verbunden sind, wo die Liebe mit Herz und Verstand gelebt wird. „Und: wo der Mensch an sein Geheimnis rührt. Denn erotische Liebe verhüllt eher, als dass sie enthüllt.“Das könne sich dann in besonderen Gefühlen zeigen: Ein Schauer überkommt einen.

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