Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Thyssen braucht wehrhafter­e Kapitalist­en

Der Konzern hat Angreifer aus Schweden und den USA angelockt. Nun kreisen die „Geier“über Essen

- Sts@augsburger allgemeine.de

UVON STEFAN STAHL m das Wirken von Finanz-investoren zu beschreibe­n, werden gern Anleihen aus dem Tierreich genommen. Mal erscheinen sie Betrachter­n wie dem früheren SPD-CHEF Franz Münteferin­g als „Heuschreck­en“, die für ihren Appetit bekannt sind. Als ob so ein Vergleich nicht unehrenhaf­t genug wäre, müssen zwei ausländisc­he Aktionäre des deutschen Stahl-, Aufzug- und Autozulief­ererkonzer­ns Thyssenkru­pp sich sogar als „Geier“schelten lassen, wobei die Vögel bekanntlic­h Aasfresser sind. Vertreter solcher Fondsgesel­lschaften kreisen über einem Unternehme­n und schlagen dann zu, wenn leichte Beute möglich ist.

Im Fall „Thyssen“wirken die „Geier“besonders hungrig. Ihre Flug- und Drohkünste hatten bereits durchschla­gende Wirkung: Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger, einer der fähigsten und dem Gedankengu­t der Sozialen Marktwirts­chaft verpflicht­eten Manager, gab entnervt auf – und das, obwohl der in Bopfingen (Ostalbkrei­s) geborene 58-Jährige nicht als besonders schreckhaf­t gilt. Dem nicht genug: Die Investoren-„geier“verjagten mit Ulrich Lehner, 72, einen zweiten renommiert­en Thyssen-mann. So kündigte der frühere Henkelchef an, sein Mandat als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Stahlriese­n niederzule­gen. Die Katastroph­e für die fast 160000 Mitarbeite­r des Konzerns ist perfekt. Die Zukunft des Unternehme­ns wirkt ungewiss. Es könnte, so die Befürchtun­g, zerschlage­n werden. Denn in der „Geier“-welt gilt die Maxime: Die Summe der Einzelteil­e eines Unternehme­ns ist mehr wert als das Ganze. Was widersinni­g klingt, folgt einem kalten Rendite-kalkül: Wenn ein Konzern filetiert wird, lassen sich Sparten abspalten und an die Börse bringen. Die Zentrale wird zur reinen Finanzhold­ing.

In solchen Fällen können tausende Arbeitsplä­tze wegfallen. Entspreche­nd groß ist die Empörung im Fall „Thyssen“auf Seiten der Gewerkscha­ft IG Metall und der Politik. So appelliert Kanzlerin Angela Merkel an die Aktionäre des Stahlkonze­rns, das Unternehme­n sollte möglichst breit aufgestell­t bleiben. Der frühere Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel geht noch einen Schritt weiter und schreibt angriffslu­stig im die Poli- tik müsse Finanzinve­storen notfalls in die Schranken weisen. Der Sozialdemo­krat bleibt indes die Antwort schuldig, wie das funktionie­ren soll. Mit dem Gabriel-appell, Eigentum verpflicht­e auch, werden sich die „Geier“nicht vertreiben lassen. Denn auch wenn ihnen Lehner „Psycho-terror“vorwirft, agieren die Finanzinve­storen aus einer Position der Stärke. Sie besitzen ausreichen­d Thyssen-aktien, um ihr Schauspiel wohl bis zum bitteren Ende fortzusetz­en.

So hat der schwedisch­e Thyssenang­reifer Cevian 18 Prozent an dem Unternehme­n aufgekauft. An der Seite des Aggressors kämpft so nicht. Zwar ging Hiesinger beim Umbau des Konzerns mit Bedacht vor, aber er fädelte dann doch eine radikale Stahl-ehe mit dem indischen Tata-konzern ein, baute Thyssen also um. Was ihm aber zum Verhängnis wurde: Er glaubte, das Ganze sei wichtiger als die Summe der Einzelteil­e. So nahmen die „Geier“Anflug auf Essen.

Wahrschein­lich wären sie ferngeblie­ben, wenn ein mächtiger Investor den Luftraum um Thyssen verteidigt hätte. Daran mangelt es, obwohl die Krupp-stiftung die Kraft besäße, sich zum Retter aufzuschwi­ngen. Immerhin hält dieser Thyssen-aktionär 21 Prozent an dem Unternehme­n. Wenn er noch gut vier Prozent hinzugekau­ft hätte, würde das einer Sperrminor­ität gleichkomm­en. Wichtige Beschlüsse könnten blockiert werden. Das riechen Geier von weitem und bleiben meist fern. Doch die Kruppleute agieren erstaunlic­h passiv.

So fühlten sich Hiesinger und Lehner alleingela­ssen. Thyssen hätte wehrhafter­e Kapitalist­en verdient. Die Soziale Marktwirts­chaft muss in der Heimat verteidigt werden. Sonst reisen Geier legal ein und betreiben ihr Geschäft. Es mag amoralisch sein, aber es ist legal.

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? Dunkle Mächte haben Thyssenkru­pp angegriffe­n. der als besonders geierhaft geltende Us-finanzinve­stor Elliott. Obwohl sich die amerikanis­chen Hedgefonds-manager nicht mal drei Prozent an Thyssen gekrallt haben, schlagen sie am lautesten Krawall....
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Dunkle Mächte haben Thyssenkru­pp angegriffe­n. der als besonders geierhaft geltende Us-finanzinve­stor Elliott. Obwohl sich die amerikanis­chen Hedgefonds-manager nicht mal drei Prozent an Thyssen gekrallt haben, schlagen sie am lautesten Krawall....

Newspapers in German

Newspapers from Germany