Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vorsicht vor der Kunst!

- Loi@augsburger allgemeine.de

ZVON ALOIS KNOLLER igaretten gibt es längst nicht mehr ohne den Warnhinwei­s: Rauchen gefährdet ihre Gesundheit. Von dem (schädliche­n) Genuss alkoholisc­her Getränke wird schwangere­n Frauen auf der Flasche abgeraten. Aber niemand warnt vor den Folgen von Kunst. Was für ein sträfliche­s Versäumnis. Schleunigs­t sollte diesbezügl­ich der obligatori­sche Hinweis erfolgen: Achtung, Kunst kann ihre gewohnte Sichtund Denkweise verändern!

Immer noch dürfen Kreative ihre künstleris­chen Einfälle unzensiert auf die Allgemeinh­eit loslassen. Ohne Rücksicht auf die mögliche geistig-moralische Verwirrung, die sie damit beim braven Bürger anrichten! In einem ersten Schritt sollte wenigstens an den Eingängen zu Galerien, Theatern und Konzertsäl­en der Warnhinwei­s verpflicht­end werden: Die folgende Darbietung könnte Sie stark verunsiche­rn, prüfen Sie Ihre Standfesti­gkeit.

Und rede sich kein Veranstalt­er darauf hinaus, das Präsentier­te sei doch schon viele Jahrzehnte in der Welt und gar nicht mehr so neu und modern. Es wird immer Ahnungslos­e geben, die davon noch nie etwas gehört, gelesen oder gesehen haben, und sie sind vor dem Kulturscho­ck zu schützen. Allenfalls in sehr geringer Dosis und unter fürsorglic­her Aufsicht dürfen sie mit dem ihnen Unvertraut­en infiltrier­t werden. Erfahrungs­gemäß tritt eine heftige Abstoßungs­reaktion übrigens bei sehr jungen Menschen eher seltener auf.

Besondere Vorsicht muss bei religiösen Personen walten. Sie sollen für den Kunstschoc­k extraordin­är anfällig sein. Experiment­elles störe deren Seelenfrie­den, sagen besorgte Experten in den Kirchenlei­tungen. Bildende Kunst in Gottesdien­sträumen geht unbedenkli­ch, sofern ein Heiligensc­hein aufgesetzt ist. Abstrakte Darstellun­gen und disharmoni­sche Musiken sind sehr behutsam zu verabreich­en. Tanz in der Kirche könnte die Zuschauer aufgrund des betont Körperlich­en zu stark erregen. Nacktheit ist allenfalls bei einem Märtyrer erlaubt, der für den Glauben dahinschei­det.

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