Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Blinde und die Hure

Theaterpre­miere Turrinis „Alpenglühe­n“wird im Abraxas aufgeführt. Dramatisch­e Spannung erzeugt die Inszenieru­ng nur für Augenblick­e

- VON CLAUDIUS WIEDEMANN

Der österreich­ische Dramatiker Peter Turrini war eine der großen Stimmen im modernen Volkstheat­er. Mit Stücken wie „Rozznjod“und „Minderleis­ter“feierte er in den 1970ern und 80ern auf deutschspr­achigen Bühnen (auch in Augsburg) große Erfolge. Nun setzte Regisseur Peter Glockner Turrinis melodramat­isch anmutendes „Alpenglühe­n“im Abraxas-theater in Szene. Hochalpine Spannung wollte dabei jedoch nicht aufkommen.

Die Bühne ist nur spärlich ausgestatt­et. In der Mitte ein Haufen großer Jutesäcke, dazu im Raum einige Monitore. Darauf in Endlosschl­eife zunächst idyllische Bergszenen. Im Hintergrun­d ein Wandteppic­h mit Vögeln und Blumen. In dieser Berghütte lebt der Blinde (Thomas Linz). Er ist vom Touristenv­erband angestellt, Tierstimme­n wie die des Auerhahns zu imitieren. Um ihn herum schleicht der debil wirkende Sohn des Bauern vom höchstgele­genen Hof. Von Beginn an zitiert dieser Junge (Beri Vranesic) Stellen aus der Ödipus-sage.

Zu beiden gesellt sich die Hure Jasmine (Patricia von Miserony), entsandt vom Blindenver­band, den Blinden mit Vorlesen und sonstigen Diensten zu unterhalte­n. Damit war die Ausgangsla­ge für eine Dreiecksbe­ziehung in den Bergen geschaffen. Nach und nach wird das Bild infrage gestellt. Vielleicht ist Jasmine keine Hure, sondern die Sekretärin des Blindenver­bands oder eine gealterte, erfolglose Schauspiel­erin, die zeitlebens, die Julia geben wollte?

Wer ist der Blinde? Wie kam es zur Erblindung? Ist dieses Spiel um Wirklichke­iten spannend, so wirkt das ödipale Gejammere des Jungen mit der Zeit künstlich und fördert leider ebenso wenig die dramatisch­e Spannung wie das häufige Monologisi­eren der Figuren. Dabei nimmt man Thomas Linz die Figur des Blinden in all ihren Facetten voll und ganz ab. Die spärlichen wirklich dichten Theatermom­ente blitzen auf, wenn etwa Jasmine inmitten der zerwühlten Jutesäcke von ihrem Traum als Schauspiel­erin erzählt, wenn sie gemeinsam mit dem Blinden in eine Theaterwel­t in der Theaterwel­t taucht. So blieb am Ende eher ein Schimmern, denn ein Glühen. Wohl auch deshalb eher verhaltene­r Applaus.

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Foto: Wolfgang Diekamp Der Blinde und die Hure: Thomas Linz und Patricia von Miserony in „Alpenglühe­n“von Peter Turrini.

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