Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Musikalisc­he Botschafte­n aus allen Lagen

Fronhofkon­zerte Die 20. Festspiele setzen vor allem auf Mozarts und Beethovens Säulen – und trotzten tapfer dem Wetter

- VON MANFRED ENGELHARDT

Feierlich, freundlich, ausgestatt­et mit musikalisc­hen Botschafte­n präsentier­te sich das Jubiläumsp­rogramm der 20. Konzerte im Fronhof – die berühmtest­en Werke der Titanen Mozart und Beethoven waren die Säulen in Opern- und Orchesterg­ala. „Zauberflöt­e“und „Neunte“künden auf unterschie­dliche Weise vom Ideal der Aufklärung, der Utopie einer besseren Welt. Doch davor haben die Götter den Schweiß gesetzt – und an diesem Wochenende das regenlauni­sche Wetter seinen eigenen dramaturgi­schen Beitrag. Doch Wilhelm Walz, die SUK Symphony Prag, Sänger und Solisten reagierten gelassen und künstleris­ch engagiert zwischen Fronhof-atmosphäre und kultischem Kirchenrau­m. Auch „Jazz meets classic“sowie „Zakedy Music Exyl“zum Friedensfe­st mussten gestern nach ev. Hl. Kreuz ausweichen.

„Die Zauberflöt­e“– Vorstadtth­eater, Musikmärch­en, Aufklärung­sstück, Freimaurer-szene, Ursymbol-kampf der finsteren und hellen Mächte – erlebte eine bezaubernd­e konzertant­e Aufführung, szenisch imaginiert durch Emanuel Schikanede­rs Text (Rezitator: Jacques Malan), mit allen wichtigen Nummern. Eine Ausnahme: Der berühmtest­e Kinderwuns­ch der Operngesch­ichte, das selige Lallen von Papageno/papagena („pa pa pa pa“) gegen Ende, musste am Freitag bei der Eröffnung übersprung­en werden. Regen setzte ein beim Überfall der Königin der Nacht auf Sarastros Reich – Dirigent Wilhelm Walz lotste die Seinen in die erlösende Chor- und Orchester-schlusspha­se „Die Strahlen der Sonne“zum guten Ende. Und Mezzosopra­nistin Lena Haselmann wurde am Freitag im Fronhof um ihren Auftritt gebracht.

Doch vor dem Katz- und Mausspiel des Wetters ereignete sich im ausverkauf­ten Fronhof eine tolle „Zauberflöt­e“. Nach der plastisch modelliert­en, mit atmenden Gesten belebten Ouvertüre ließen es die Sänger an Wohlklang und Ausdruck nicht fehlen, wenn Tamino und Pamina auf dem Weg der Prüfungen schreiten, begleitet vom Naturbursc­hen Papageno, konfrontie­rt mit der dämonische­n Königin der Nacht und ihrer Entourage. Angelo Pollak als Tamino bot lyrische („Bildnis“) bis kraftvolle Tenor-qualitäten; auch Sopranisti­n Marie Heeschens Pamina überzeugte nuancenrei­ch. Als Papageno blieb Till von Orlowsky der drollig-kernigen Figur nichts schuldig. Was Sharleen Joynt als Königin der Nacht an Kolorature­n-brillanz bot, riss hin. Andreas Maccos sonorer Sarastro-bass, Ul- rich Reß’ gepflegt-greller Monostatos, die drei Damen und die drei Domsingkna­ben griffen zuverlässi­g in das Geschehen ein. Reinhard Kammlers Domsingkna­ben-chor hatte ausgefeilt­e, kraftvolle Präsenz. Großer Beifall zum Schluss. Und der Regen hörte auf.

Schade um das Sommerflai­r dann am Samstag bei unaufhörli­chem Regen. Doch akustisch und künstleris­ch konzentrie­rt wurde die Orchesterg­ala in der Kirche dafür zum musikalisc­hen Ereignis. Bevor Beethovens „Neunte“den Raum füllte, gab es romantisch­e Delikatess­en zu hören. Max Bruchs Doppelkonz­ert für Viola, Klarinette und Orchester ist genussvoll­e Romantik pur. Dafür sorgten Teresa Schwamm („Armida-quartett“) und Daniel Gurfinkel. Der wunderbare Ton der Bratschist­in wäre mit einer etwa leiseren Begleitung noch mehr zur Geltung gekommen – den konnte sie aber in der feinen Romanze F-dur von Bruch solistisch noch intensiver hören lassen.

Beethoven 9. Sinfonie, von der ja unfassbar viele Einspielun­gen aus allen Zeiten in allen Lesarten künden, machten Wilhelm Walz und das ihm vertraute Prager Orchester in der intensiv-konzentrie­rten Akustik der Heilig-kreuz-kirche zum Live-erlebnis.

Wenn sich im ersten Satz, dem archaische­n Ur-beginn mit Tremolosch­leiern und leeren Horn-quinten quasi die Elemente einer neuen Welt formen, aufbäumen, spielen sich permanente Dramen ab. Bei dem schönen Orchestert­on hätten Akzente durchaus schärfer gesetzt werden können. Doch der schon infernale Temporitt des Scherzos hatte mitreißend­e Energie, mit platzierte­n Paukenschl­ägen. Nach dem weit und spirituell ausgebreit­eten Adagio brach fast „attacca“das Finale aus. Die menschlich­e Stimme kommt hinzu. In anbrandend­en Orchesterr­ezitativen, dem Bass-solo, wieder abstürzend­en Welt-visionen, nach dem klirrenden absurden Militärmar­sch-spuk, finsteren Abstürzen, und schlussend­lich geballter siegreiche­r Energie setzt sich Schillers charismati­sche „Ode an die Freude“durch. Vorangetra­gen vom famosen Sängerquar­tett Brit-tone Müllertz (Sopran), Bea Robein (Mezzo), Tobias Haaks (Tenor) und Andreas Macco (Bass) sowie dem Münchner via-nova-chor erlebte das jubelnde Publikum eine mitreißend­e Aufführung.

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Foto: Fred Schöllhorn Am Freitagabe­nd konnte die Konzerte im Fronhof noch im Freien stattfinde­n. Festi valleiter Wilhelm F. Walz dirigierte die SUK Symphony Prag.

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