Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenig Verständnis für Özil
Umfrage Zwei von drei Deutschen weisen Rassismus-vorwurf zurück
Augsburg Die Deutschen haben eine klare Meinung zum Fall Özil: Zwei von drei Bundesbürgern sehen hinter der Kritik an dem zurückgetretenen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln keine rassistischen Motive. In einer Umfrage der Agentur Civey, die unserer Zeitung vorliegt, glauben nur knapp 29 Prozent, dass die Kritik auch rassistische Hintergründe hat. Fünf Prozent sind unentschieden. Besonders groß ist die Gruppe derer, die Özils Kriti- kern „auf keinen Fall“rassistische Beweggründe unterstellen – rund 42 Prozent aller Befragten teilen diese Ansicht. Knapp 25 Prozent beantworteten die Frage mit „eher nein“.
Grünen-chef Robert Habeck macht Innen- und Sportminister Horst Seehofer (CSU) mitverantwortlich für den Rückzug von Özil. „Wenn der Sportminister sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dann ist das klar als Ausladung an alle muslimischen Spieler zu ver- stehen“, sagte er. Csu-generalsekretär Markus Blume warf Habeck im Gegenzug eine parteipolitische Instrumentalisierung von Özils Rücktritt aus der Fußball-nationalmannschaft vor: „Er vertieft genau die gesellschaftliche Spaltung, die er selbst beklagt. In seinem blinden Kampagneneifer gegen die CSU ist ihm keine Schuldzuweisung zu billig und niveaulos.“
Lesen Sie dazu auch den Kommen tar und die Berichte im Sport.
Frankfurt am Main Das Führungspersonal des Deutschen Fußballbundes hüllt sich weiter in Schweigen. In der hochbrisanten Causa des zurückgetretenen Mesut Özil haben sich Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und Dfb-präsident Reinhard Grindel drei Tage nach dem Rundumschlag des Weltmeisters von 2014 noch immer nicht persönlich zu Wort gemeldet. Auf die explosive und gesellschaftlich hochsensible Lage reagierte der DFB am Montag mit einer vorsichtig formulierten Mitteilung ohne jedes Zitat, seitdem herrscht eine eigenartige Ruhe.
Will der Verband die Krise aussitzen? Herrscht Ratlosigkeit? Auch Özil sagt derzeit nur Belanglosigkeiten, lehnte im Trainingscamp des FC Arsenal in Singapur jede Stellungnahme zu seinem Abtreten gegenüber Journalisten ab. Morgens, auf dem Weg zum Sportgelände, hat er nur kurz gemurmelt: „Ich habe Training.“Die Strategie: nur noch über Twitter und die anderen sozialen Netzwerke, sonst nicht.
Fußball-deutschland ist still, Gesprächspartner sind Mangelware. Das ZDF bemühte sich für eine mögliche Sondersendung um Studiogäste, doch sprechen möchte niemand. Auch nicht der 56 Jahre alte DFB-BOSS Grindel, der in Özils Social-media-attacke besonders scharf attackiert wurde. Der Eng- land-legionär warf ihm „Inkompetenz“und „Unfähigkeit“vor, dazu sagte Özil: „In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren ...“
Der Bruder des 92-maligen Nationalspielers, Mutlu Özil, erklärte derweil, die Entscheidung zum Rücktritt aus dem DFB-TEAM sei Özil nicht leichtgefallen. „Wir haben diese Entscheidung zusammen getroffen. Er hat über das Thema sehr viel nachgedacht“, sagte Mutlu Özil der türkischen Nachrichtenagentur DHA. Mesut Özil gehe es aber gut, er konzentriere sich nun auf seinen Verein FC Arsenal. Die Schuld für den unglücklichen Abgang in der Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan liege jedoch nicht bei seinem Bruder. Stattdessen schiebt Team Özil vieles auf den DFB, der in puncto Krisenmanagement schwierige Monate hinter sich hat – und die schwierigsten noch vor sich. Nur mit Schweigen wird der DFB die Affäre nicht überstehen können, vor allem Grindel muss sich zu vielen heiklen Özil-vorwürfen äußern und diese entkräften. Doch zwei Monate vor der so wichtigen Em-vergabe für 2024, bei der die Türkei der einzige Gegenkandidat ist, kann jedes Störfeuer die Austragung des Turniers kosten. Genau das wollen Grindel und Co. verhindern. Aus ähnlichen Gründen haben sich wohl auch Özils Ex-teamkollegen im DFB-TEAM noch nicht zu Wort gemeldet: Das Thema ist politisch zu heiß, keiner möchte es mit einer falschen Aussage erneut befeuern. Doch auch gegen Özil selbst wird die Kritik lauter.
In seiner inszenierten Erklärung ließ es der 29-Jährige an Selbstkritik mangeln, obwohl er selbst über zwei Monate zu den Fotos mit Erdogan und den Konsequenzen geschwiegen hatte. Özil hätte „viel früher reagieren müssen – spätestens Anfang Juni im Wm-trainingslager in Südtirol“, sagte der frühere Freiburger Profi Ali Günes. „Je länger Mesuts Schweigen anhielt, desto stärker wurde der öffentliche Druck auf und die Verärgerung über ihn. Erst so ist diese negative Stimmung entstanden“, sagte Günes. Das könnte nun auch für den DFB gelten: Je länger die Verantwortlichen schweigen, desto größer wird der Druck.
„Wir haben diese Entschei dung zusammen getroffen. Wir haben über dieses Thema sehr viel nachgedacht.“
Mesut Özils Bruder Mutlu