Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wunsch nach Stärke
Umfrage Die Asyl-debatte der letzten Wochen hat das Vertrauen in die Politik beschädigt
Augsburg Das Thema Migration bleibt auch drei Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise die größte Sorge der Deutschen. In einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach (IFD) im Auftrag der FAZ durchgeführt hat, gaben 47 Prozent der Bürger an, dass ihnen die derzeitige Flüchtlingssituation Sorgen bereitet – und das, obwohl die Zahl der Einreisenden deutlich gesunken ist. „Unter dem Eindruck der erbitterten Kontroversen der letzten Wochen ist die Beunruhigung der Bevölkerung über die Flüchtlingssituation wieder steil angestiegen“, analysierte Ifd-chefin Renate Köcher.
Besonders für die Union, die die Debatte vorangetrieben hat, entwickelt sich das zum Eigentor: Sie sinkt auf den tiefsten Wert bei dem Institut seit Oktober 2010. CDU und CSU könnten der Umfrage zufolge mit 30,5 Prozent (nach 33 Prozent im Juni) rechnen. „Wie im Sommer 2017 unterminiert dieser Aufregungszyklus auch jetzt die Unterstützung für die Regierungsparteien und stärkt die AFD“, schreibt Renate Köcher in der FAZ.
Die Skepsis, ob die Regierung noch das Heft des Handelns in der Hand hat, wächst – und das hat Folgen: Die Sehnsucht nach einer starken politischen Führungspersönlichkeit und effizienterer Politik wächst. 60 Prozent meinen, es werde in Deutschland zu sehr auf Kompromisse gesetzt; notwendig seien starke politische Führungsfiguren.
Meinungsforscherin Renate Köcher erklärt: „Je weniger der Staat als stark empfunden wird, desto mehr Anziehungskraft entfaltet die Vorstellung starker Führungsfiguren, die weniger auf Kompromisse und mehr auf die Durchsetzung ihrer Vorstellungen aus sind.“Noch ist allerdings eine Mehrheit davon überzeugt, dass weniger Rücksichtnahme auf andere Länder und eine konsequentere Vertretung der nationalen Interessen für Deutschland nicht der richtige Weg wäre. Doch Köcher warnt: „Die Beispiele demokratisch legitimierter Politiker, die auf die Unlust am Konsens und das Bedürfnis nach starker Führung bauen, daher Institutionen schwächen und die demokratische Kultur beschädigen, nehmen in Europa und außerhalb zu.“