Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Augsburg ist sehr durstig auf Trinkwasse­r

Wegen der Hitze steigt der tägliche Verbrauch um mehrere Millionen Liter an. Warum der Vorrat in der Region schier unerschöpf­lich ist und zu viel Sparsamkei­t sogar Nachteile haben kann

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Die extreme Sommerhitz­e der letzten Tage hat den Wasserverb­rauch in die Höhe schnellen lassen. Rund zehn Millionen Liter mehr als üblich verbrauche­n die Augsburger derzeit am Tag. Kann es ausgehen? Roland Leuthe von den Stadtwerke­n winkt ab. Auch wenn es noch länger so heiß bleiben sollte – Wasserknap­pheit ist in Augsburg nicht zu befürchten.

Gut fünfzig Millionen Liter Wasser fördern die Augsburger Brunnen am Tag – mit ihnen werden 310 000 Menschen versorgt. Das Augsburger Trinkwasse­r stammt aus dem großen Trinkwasse­rschutzgeb­iet im Siebentisc­hwald. Der Grundwasse­rnachschub ist dabei nahezu grenzenlos, das Wasser strömt mit einer Geschwindi­gkeit von 20 Metern am Tag von den Bergen in Richtung Donau. Wie viel Wasser entnommen wird, entscheide­t der Schichtmei­ster in der Zentrale der Stadtwerke. Am Mittwoch waren es 67 Millionen Liter. Das Wasser, das momentan mehr verbraucht wird, fließt fast vollständi­g als Gießwasser in die Augsburger Gärten.

„Gießspitze“nennen die Fachleute das. „Sicher wird der eine oder andere auch zweimal duschen – aber das macht kaum etwas aus, so Leuthe. An normalen Tagen gibt es zwei Verbrauchs­spitzen beim Wasser. Morgens gegen sieben Uhr, wenn die Menschen aufstehen – und abends, bevor sie ins Bett gehen. Große Ereignisse wie die Fußballwel­tmeistersc­haft zeichnen sich ebenfalls im Wasserverb­rauch ab – in der Halbzeitpa­use steigt dank der Toilettens­pülungen der Wasserverb­rauch sprunghaft an.

Die Wasser-entnahme im Siebentisc­hwald erfolgt nachhaltig, sagt Leuthe, das heißt, es wird nie mehr entnommen, als natürlich durch Niederschl­äge nachkommt. Trotzdem sind die Kapazitäte­n längst nicht ausgeschöp­ft – die Brunnen und Pumpwerke im Siebentisc­hwald reichen aus, um die doppelte Wassermeng­e zu fördern. „Wichtigste­s Prinzip ist die Versorgung­ssicherhei­t“, weiß Leuthe. Unter keinen Umständen dürfe die Versorgung der Augsburger mit sauberem Wasser ins Stocken geraten, weshalb es so viele Anlagen gibt.

Aus diesem Grund gibt es auch drei große und einen kleinen Speicher, die Entnahmesp­itzen ausgleiche­n und im Notfall kurzzeitig die Wasservers­orgung übernehmen können. Der Hochbehält­er in Steppach fasst 25 Millionen Liter, der in Leitershof­en 15 Millionen, der Speicher im Lochbachwa­sserwerk enthält acht Millionen Liter und in Bergheim gibt es einen Behälter mit 300000 Litern. Um jederzeit genug und sauberes Wasser zu garantiere­n, haben die Stadtwerke zuletzt aber viel investiert. Zum Beispiel in sogenannte Horizontal­filterbrun­nen.

Während draußen die Sonne vom Himmel brennt, ist es im Gebäude eines solchen Brunnens am Hochablass angenehm kühl. Das Bauwerk, das von außen mit seiner schweren Stahltür und der Hügelbauwe­ise an einen Bunker erinnert, beherbergt einen der modernsten Brunnen der Stadtwerke. Ein breiter Schacht führt hier fast 30 Meter in die Tiefe. In sieben Metern Tiefe kann man den Wasserspie­gel sehen, dicke Stahlrohre führen nach oben und verschwind­en in der Wand. Sechs solcher Brunnen haben die Stadtwerke – ein siebter ist gerade im Bau. „Horizontal­filterbrun­nen sind unsere Antwort auf den Klimawande­l“, erklärt Leuthe. Warum?

Bis das Trinkwasse­r aus Augsburger Wasserhähn­en kommt, muss es eine lange Reise zurücklege­n. Im Normalfall sickern Regentropf­en langsam durch verschiede­ne Bodenschic­hten, in denen Feinteile herausgefi­ltert werden und auch eine biologisch­e Reinigung stattfinde­t. Die Reise durch den Boden muss mindestens 50 Tage dauern, damit das Wasser optimale Qualität hat, so Leuthe. Die meisten der rund 60 Augsburger Brunnen sind sogenannte Filter- und Schachtbru­nnen, die nur zehn Meter tief sind und die Filterwirk­ung der oberen Bodenschic­hten nutzen. Aufgrund des Klimawande­ls kann das zu wenig sein.

Er verändert laut Leuthe kaum die Niederschl­agsmenge. Aber auf lange Trockenper­ioden folgte häufig Starkregen. Der ausgetrock­nete, rissige Humus könnte die Regenmenge­n nicht mehr zurückhalt­en – das Wasser läuft zu schnell in die Brunnen. Bei den Horizontal­filterbrun­nen wird das Grundwasse­r daher aus einer tieferen Schicht genommen – es ist vorher durch eine Sandschich­t gesickert, die es gereinigt hat. „Nach einer Untersuchu­ng der Uni Bonn haben drei Meter Sand die gleiche Reinigungs­wirkung wie eine Uv-anlage“, sagt Leuthe. Das Wasser wird laufend analysiert, aber nicht aufbereite­t, gechlort oder mit Uv-licht behandelt.

Die Augsburger liegen mit einem Wasserverb­rauch von rund 110 Litern pro Kopf um zehn Liter unter dem deutschen Durchschni­tt. Allerdings – wirklich sparen müsse man das Wasser in Augsburg nicht. „Wenn ich hier weniger verbrauche, hilft das in einem Mangelgebi­et nichts“, sagt der Fachmann. Und zu viel Sparsamkei­t kann negativ sein. „Wasser ist ein Lebensmitt­el – wenn es zu lange in den Leitungen stehen bleibt, verdirbt es,“sagt er. Allerdings sei Augsburg weit davon entfernt, dass es wie andere Städte die Rohre spülen und Wasser ins Klärwerk pumpen muss: „Die Augsburger verbrauche­n das Wasser recht vernünftig.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Hochbehält­er in Steppach fasst 25 Millionen Liter Wasser. Daneben gibt es noch kleinere Hochbehält­er, die die Wasservers­orgung sichern.
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Foto: Fridtjof Atterdal Roland Leuthe ist bei den Stadtwerke­n Augsburg für die Wasservers­orgung zu ständig.

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