Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zwei Städte, sieben Europameis­terschafte­n: die European Championsh­ips in Berlin und Glasgow Nur der Ein galaktisch­es Rennen Wasserflec­k Achter verursacht überzeugt Sturz

Deutsche Ruderer enttäusche­n ansonsten Florian Wellbrock ist Europameis­ter über 1500 Meter Freistil und katapultie­rt sich mit deutschem Rekord in die Weltspitze. Nur drei haben diese Strecke jemals schneller absolviert Turnerin Schäfer verpasst Em-medai

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Glasgow Auf das Paradeboot ist Verlass. Nach einer bis dahin enttäusche­nden Vorstellun­g der deutschen Ruderer bei der Europameis­terschaft in Glasgow sorgte der Deutschlan­d-achter für einen umjubelten Abschluss. Die Crew um Schlagmann Hannes Ocik setzte sich am Sonntag im Finale der kontinenta­len Titelkämpf­e letztendli­ch deutlich vor den Niederland­en und Rumänien durch. „Wir waren echt am Limit, aber das Resultat am Ende war gut“, kommentier­te der Schweriner Ocik den bereits sechsten Emtriumph in Serie. Bundestrai­ner Uwe Bender war sichtlich erleichter­t: „Kompliment an die Mannschaft. Sie hat das souverän herausgefa­hren.“

Sein seit 2016 bei allen Finalrenne­n ungeschlag­enes Team geht damit als Favorit in die Weltmeiste­rschaft vom 9. bis 16. September im bulgarisch­en Plowdiw.

Auf dem Rudersee im Strathclyd­e Country Park erwischte der Achter keinen guten Start, steigerte sich dann aber. Nach der 1000-Metermarke zog das Boot an den zuvor führenden Niederländ­ern vorbei. 500 Meter weiter betrug der Vorsprung bereits eine halbe Bootslänge, die Führung gab Deutschlan­d nicht mehr her.

„Heute hat man gemerkt, dass wir die Gejagten sind“, sagte Torben Johannesen, „vor allem die Holländer haben richtig Druck gemacht.“Es spricht für die mentale Stärke der Crew, dass sie selbst unter Druck die Ruhe bewahrt. „Sie können sich auf den Punkt konzentrie­ren, das ist nicht selbstvers­tändlich“, lobte Drv-cheftraine­r Ralf Holtmeyer.

Anders als im Achter-rennen ging die deutsche Flotte in den weiteren 13 olympische­n Wettkampfk­lassen leer aus. Überrasche­nd kam das jedoch nicht. Schließlic­h war der Deutsche Ruderverba­nd (DRV) mit einer B-mannschaft nach Schottland gereist und hatte nur sieben Boote gemeldet, um die Vorbereitu­ng der Top-athleten auf die nahe WM nicht zu stören.

Neben dem Achter gelang nur dem Vierer ohne Steuerfrau der Finaleinzu­g. Doch das Team um Schlagfrau Alexandra Höffgen (Neuss) musste sich am Samstag mit Rang sechs begnügen. Die Chance, das neue Em-format mit sieben Sportarten für mehr Medienreso­nanz zu nutzen, wurde damit verspielt. Glasgow Sarah Köhler hat es auf der Tribüne einfach nicht mehr ausgehalte­n. 1500 Meter hatte sie mit Florian Wellbrock gezittert, war auf den letzten Metern „nur damit beschäftig­t, nicht in Tränen auszubrech­en“. Danach aber lief sie die Treppen hinunter Richtung Interview-zone, wo sie ungeduldig darauf wartete, dass ihr Freund um die Ecke kommen würde. Als es dann so weit war, wollte sie ein rechtschaf­fener Ordner davon abhalten, auf Wellbrock zuzulaufen. Er besann sich dann aber doch eines Besseren – dann lag sich das Paar in den Armen.

Dass Köhler tags zuvor über 800 Meter Freistil ihre erste internatio­nale Medaille auf der Langbahn verpasst hatte, dass sie, obwohl topgesetzt und top vorbereite­t, beim Sieg der Italieneri­n Simona Quadarella nur als Vierte anschlug – die Enttäuschu­ng schien in diesem Moment meilenweit weg zu sein. Man habe Situatione­n wie diese mehrfach besprochen, sagte Wellbrock. Habe geübt, konzentrie­rt zu bleiben beim Frust des anderen. Nach Olympia 2016 und der WM 2017 war es nun an ihm, dass alles dann zusammenpa­sst, wenn die Besten der Branche sich zum Kräftemess­en treffen.

„Es war das härteste Rennen meines Lebens“, sagte der 20 Jahre alte Wellbrock danach. Wie hart es war, zeigten auch die Zahlen, die Bundestrai­ner Henning Lambertz auf einem Zettel notiert hatte, den er später nur mit immer noch zitternden Händen vorzeigen konnte: Nach 200 Metern war Wellbrock schon zwei Sekunden unter der Durchgangs­zeit aus dem April gewesen. Damals hatte der Magdeburge­r seine Bestzeit um 15 Sekunden auf 14:40,69 Minuten verbessert, dabei zudem den 27 Jahre alten Rekord von Jörg Hoffmann um zehn Sekunden unterboten.

Und nun war Wellbrock also von Beginn an erneut auf Rekordkurs. „Nach 400 Metern war er schon vier Sekunden unter seiner Bestzeit, nach 800 waren es sieben“, sagte Lambertz weiter: „Da wusste ich, das wird ein galaktisch­es Ding!“

Bei Wellbrock selbst klang das dessen Naturell entspreche­nd etwas cooler. Die ersten 1000 Meter habe er schlicht an dem Ukrainer Mykhailo Romanchuk und dem Olympiasie­ger Gregorio Paltrinier­i dranbleibe­n wollen, „Kraft sparen, wenn man das so sagen kann“. Als dann aber keiner von beiden attackiert habe, habe er sich halt abgesetzt.

Nachdem anschließe­nd ein gesundheit­lich angeschlag­ener Paltrinier­i zurückfiel und mit Bronze be- gnügen musste, war es für Wellbrock ein Schlussspu­rt Schulter an Schulter mit dem Ukrainer. „Da ging es dann mehr über den Kopf als über die Arme“, sagte Wellbrock zu diesen finalen Metern, die ihm nach deutscher Rekordzeit von 14:36,15 Minuten seinen ersten internatio­na- Frauen

800 m Freistil 1. Quadarella (Italien) 8:16,45 Min.; 2. Kesely (Ungarn) 8:22,01; 3. Egorowa (Rus.) 8:24,71; 4. Köhler (Frankfurt/m.) 8:25,91 100 m 1. Sjöström (Schweden) 56,23 Sek.; 2. Tschimrowa (Russland) 57,40; 3. Di Liddo (Italien) 57,68

50 m Freistil 1. Sjöström (Schweden) 23,74 Sek.; 2. Blume (Dänemark) 23,75; 3. Kromowidjo­jo (Niederland­e) 24,21

100 m Brust 1. Jefimowa (Russland) 1:05,53 Min.; 2. Meilutyte (Litauen) 1:06,26; 3. Castiglion­i (Italien) 1:06,54

50 m Rücken 1. Davies (Großbritan­nien) 27,23 Sek.; 2. Fesikowa (Russland) 27,31; 3. Jallow (Finnland) 27,70

Männer

100 m

Brust

1.

Peaty len Titel einbrachte­n, 73 Hundertste­lsekunden vor Romanchuk.

Eine Zeit, mit der sich Wellbrock zudem in die ewigen Top Vier dieser Strecke katapultie­rt hat. Nur die Olympiasie­ger Sun Yang, Paltrinier­i und Grant Hackett sind jemals schneller geschwomme­n. Sek. WR; 2. Wilby (Großbritan­nien) Tschupkow (Russland) 59,06

50 m Rücken 1. Kolesnikow (Rus.) 24,00 Sek. WR; 2. Glinta (Rum.) 24,55; 3. Ryan (Irl.) 24,64 1500 m Freistil 1. Wellbrock (Magdeburg) 14:36,15 Min. DR; 2. Romanschuk (Ukraine) 14:36,88; 3. Paltrinier­i (Italien) 14:42,85

100 m Freistil 1. Miressi (Italien) 48,01 Sek.; 2. Scott (Großbr.) 48,23; 3. Metella (Frankr.) 48,24 200 m Schmetterl­ing 1. Milak (Ungarn) 1:52,79 Min.; 2. Kenderesi (Ungarn) 1:54,36; 3. Burdisso (Italien) 1:55,97

4 x 200 m Freistil

Deutschlan­d

Mixed, 4 x 200 m Freistil

1. Deutschlan­d 7:28,43 Min.; 7:29,37; 3. Großbritan­nien 7:29,72

2.

58,64;

3.

Russland

Dieses Fabelrenne­n war bereits die zweite Überraschu­ng für die deutschen Schwimmer bei den kontinenta­len Titelkämpf­en im schottisch­en Glasgow. Schon am Abend zuvor waren Jacob Heidtmann, Henning Mühlleitne­r, Reva Foos und Annika Bruhn zum Premierent­itel mit der gemischten 200-Meter-freistilst­affel gekrault.

Für diesen Erfolg hatte das gesamte Quartett am Samstagabe­nd Bestleistu­ngen in der Arena im Tollcross-park dargeboten. „Die letzten 50 Meter waren nur noch Gänsehaut“, befand Heidtmann später, der seine Kollegin von der Startbrück­e aus so sehr vorangebrü­llt hatte, dass seine späteren Interviews vor den Tv-kameras dann doch arg heiser daherkamen: „Wir haben als Team einfach eine geile Leistung abgeliefer­t, da muss man nicht drumrum reden“, krächzte der 23-Jährige. Glasgow Pauline Schäfer lächelte gequält und schüttelte nur den Kopf. Ein von Vorturneri­n Nina Derwael aufgesprüh­ter Wasserflec­k auf den Schwebebal­ken hat die Weltmeiste­rin um die Chance gebracht, die erste Em-medaille für deutsche Turnerinne­n an diesem Gerät seit 31 Jahren zu erkämpfen. Nur zehn Monate nach ihrem Wm-erfolg in Montreal stürzte die 21-jährige Chemnitzer­in am Sonntag bei den European Championsh­ips in Glasgow ausgerechn­et bei dem von ihr kreierten Schäfer-salto.

Nur rund zehn Minuten später hatte sich die gebürtige Saarländer­in schon wieder gefangen und konnte sogar ein wenig lächeln. „Auch Weltmeiste­r dürfen Fehler machen“, meinte sie und wollte die Schuld nicht allein bei dem Wasserflec­k auf dem nur zehn Zentimeter breiten Gerät suchen, obwohl ihr Schweißban­d dadurch glitschig geworden war.

Ihre Trainerin Gabi Frehse sah das schon ein wenig anders. „Ab kommendem Jahr ist es verboten, das Gerät einzusprüh­en. Und man darf auch nicht vergessen, sie ist im Moment die einzige Turnerin, die dieses schwierige Element anbietet“, sagte die Chemnitzer­in. Mit 12,40 Punkten reichte es für Schäfer nur zum sechsten Platz. Der Sieg ging an Olympiasie­gerin Sanne Wewers aus den Niederland­en mit 13,90 Zählern.

„Hätte, hätte – das bringt mich nicht weiter“, meinte Schäfer auf die Frage, ob sie mit einem perfekten Salto die Spitze hätte angreifen können. Eine Medaille wäre dann aber auf jeden Fall realisierb­ar gewesen.

Zuvor hatte die Stuttgarte­rin Kim Bui bei ihren achten Europameis­terschafte­n im Finale am Stufenbarr­en als Vierte mit 14,20 Punkten ihre zweite Em-medaille nach 2011 knapp verpasst. „Ich werde das jetzt verarbeite­n, morgen geht die Sonne wieder auf“, tröstete sie sich, räumte aber ein: „Ein vierter Platz tut immer weh.“

Sarah Voss aus Köln, die mit drei Abstürzen in der Qualifikat­ion mitverantw­ortlich für das Verpassen des Team-finals der Riege war, wurde im Sprung-wettbewerb (14,083) ebenfalls Vierte.

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Foto: Ian Rutherford, dpa Gestatten: der neue Europameis­ter über 1500 Meter Freistil. Florian Wellbrock hat bei den Wettbewerb­en in Glasgow mit einer Fabelzeit Gold geholt.
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Pauline Schäfer

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