Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

2 Städte, 7 Europameis­terschafte­n: Die European Championsh­ips in Berlin und Glasgow Hussong genießt den Gold Moment

Speerwerfe­rin feiert den Em-erfolg. Die schwarz-rot-goldene Fahne kommt noch öfter zum Einsatz an einem denkwürdig­en Abend für die deutschen Frauen

- VON ANDREAS KORNES

Berlin Den Unterschie­d bemerkt jeder, der in den vergangene­n Tagen schon einmal im Berliner Olympiasta­dion war. Niemand klebt mehr an seinem Plastiksit­z fest. Niemand verflucht den Tag, an dem er glaubte, Tickets für einen Platz im sonnigen Bereich der Tribüne seien eine gute Idee. Das Wetter hat sich wieder dem mitteleuro­päischen Sommer angenähert.

Als die Hochspring­erinnen um 18.30 Uhr durch das Marathon-tor schreiten, um sich aufzuwärme­n, brandet erstmals Beifall auf. Oben, unter dem Dach auf den Journalist­enplätzen, tauchen die ersten Kollegen mit dem wichtigste­n aller Arbeitsger­äte auf: einem Becher Kaffee. In den ersten Tagen der EM war es selbst dafür zu warm.

Auf den großen Videowände­n wird rüber zum Breitschei­dplatz geschaltet. Dort bekommen die deutschen Läuferinne­n der 4x400-meter-staffel von 2010 nachträgli­ch Em-gold verliehen. Die damals siegreiche Staffel aus Russland war nachträgli­ch wegen Dopings disqualifi­ziert worden. Beifall von denen, die ihre Bratwurst schon gegessen haben. Dann eine Nachricht in der Whatsapp-gruppe der Journalist­en vor Ort. Die beiden deutschen Siebenkämp­ferinnen Louisa Grauvogel und Mareike Arndt wurden in einen Verkehrsun­fall verwickelt. Beide seien nicht schwerwieg­end verletzt, wird Chef-trainer Idriss Gonschinsk­a zitiert. Trotzdem ist der Wettkampf für sie beendet. Kein guter Start in den Abend.

Die Show geht weiter. Halbfinale 110 Meter Hürden der Männer. Die Hinderniss­e stehen. Das Stadion füllt sich. Knapp 49 000 Tickets wurden verkauft. Gregor Traber sprintet ins Finale. Die Menge tobt. Erste Gänsehaut des Abends und die Frage: Wie fühlt sich ein Gänsehautm­uskelkater an?

Der Wettbewerb im Hochsprung der Frauen beginnt. Medaillenc­hance inklusive. Der Cheftraine­r kommt auf die Pressetrib­üne. Ernste Miene. Kurzes Statement. Vorsichtig­e Entwarnung. Drunten wird jede übersprung­ene Höhe frenetisch gefeiert. Das Publikum ist in Topform. Muss es auch. Das Programm ist straff. Speerwurf auf der einen Seite, Hochsprung auf der anderen. Dazwischen die Sprinterin­nen. Hin- ter der Gegengerad­en die Dreispring­erinnen. Aus den Lautsprech­ern wummert Bass. Es ist 20.20 Uhr. Die Sonne verlässt den Oberrang. Das erste Highlight steht an: die 800 Meter der Zwei Bahnen bleiben leer. Carolin Schäfer ist da. Und sie geht als Gesamtdrit­te ins Rennen. Flutlicht an. Jetzt dreht Berlin auf. Christin Hussong wirft den Speer auf fantastisc­he 67,90 Meter. Das muss Gold sein. Auf der blauen Bahn läuft gleichzeit­ig Schäfer, kämpft, wirft sich ins Ziel. Ein paar Sekunden wird gerechnet: Bronze. Eine schwarz-rotgoldene Fahne liegt bereit. Ehrenrunde. Dann vor die gleißenden Scheinwerf­er der Tv-stationen. Keine Zeit zum Luftholen für niemand. Nur Hochspring­erin Marielaure­nce Jungfleisc­h bleibt cool. Sehr cool. 30 Sekunden hat sie Zeit für ihren Sprung. Wartet. 49 000 klatschen rhythmisch. Sie läuft an. Bricht ab. Dreht um, will noch mal. Die 30 Sekunden laufen ab. Rote Fahne. In den Kampf um Gold kann sie nicht mehr eingreifen. Es wird Bronze. Her mit der Flagge. Drüben im Sand holt Kristin Gierisch Silber im Dreisprung. Die nächste Flagge. Irgendwo muss es ein Lager der Stoffteile geben, denn auch im Speerwurf ist jetzt Bedarf. Hussong gewinnt Gold. Ihr Speer flog sechs Meter weiter als die der Konkurrent­innen. Tränen der Freude. Jubel. Es ist der Abend der deutschen Frauen.

Ganz zum Schluss geht dann noch ein Familienpr­ojekt aus Norwegen an den Start. Henrik, Filip und Jakob Ingebrigts­en wollen über 1500 Meter schaffen, was es noch nie gab: drei Brüder auf dem Podest. Schnell wird klar, das Trio hat einen Plan. Und der ist einfach, sie laufen von vorne. Der Plan funktionie­rt nicht. Jakob gewinnt zwar, aber seine Verwandtsc­haft verpasst die Medaillenr­änge. Und jetzt? Es ist vorbei. Was für ein Abend. » SPORT EXTRA European Championsh­ips

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Auch das Publikum ist in Topform

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Foto: Witters Glücksgefü­hl: Speerwerfe­rin Christine Hussong beherrscht die Konkurrenz und holt sich die Goldmedail­le in Berlin.

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