Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Eine gefährliche Dreckschleuder?
in Mini-fermenter und ließ das Substrat 35 Tage lang bei drei verschiedenen Temperaturen ohne Sauerstoff vergären. Jede ihrer Ausgangsproben enthielt eine bestimmte Anzahl Keime zweier antibiotikaresistenter E.-coli-stämme. „Die gelten als repräsentativ für diese Bakterienart“, sagt sie.
Das Ergebnis ihrer regelmäßigen Analyse der Mikroorganismen: Je höher die Temperatur, desto schneller verschwanden die antibiotikaresistenten Keime aus der Gärmischung. Bei 37 Grad dauerte es immerhin 35 Tage, bis keine dieser Bakterien mehr nachweisbar waren. Bei 42 Grad sank der Zeitraum bereits auf etwa eine Woche. Noch nicht einmal einen Tag überlebten die unerwünschten Mikroorganismen in einer 55 Grad heißen Umgebung. Das klingt nach einem einfachen Erfolgsrezept: Man muss die Biogasanlage nur kräftig anheizen.
Aber: „Bei hohen Temperaturen wird gerade bei der Zugabe von stickstoffhaltigem Hühnermist vermehrt Ammoniak freigesetzt. Das kann den Vergärungsprozess hemmen“, sagt Thomas. Auch in den Kompostlaborversuchen sank die Zahl der resistenten Bakterien deutlich und rasch von allein. Hier experimentierten die Forscher mit der Zusammensetzung des beigefügten Substrats. Besonders rasch verringerten sich die Keime in den trockenen Varianten der Versuchsanordnung. Neben der Temperatur spielten dabei bei der Kompostierung noch andere Faktoren eine Rolle, sagt Amon: „Der ph-wert, der Feuchtigkeitsgehalt der Mischung und die Wetterbedingungen, unter denen der Mist gelagert wird, beeinflussen ebenfalls das Ergebnis.“Noch kennt niemand die perfekte Formel.
Dass sich die resistenten Bakterien in den Versuchsanordnungen so drastisch reduzierten, stimmt die Forscher zwar optimistisch. Dennoch sieht Thomas Amon keinen Grund zur Entwarnung: „Wir wissen erst ansatzweise, was die Entwicklung der Resistenzen hemmt, und das auch nur bei Mist von Mastgeflügel.“Es sei möglich, dass die Bakterien im Schweinekot anders auf die gleichen Bedingungen reagieren.
Zudem ist ihm eines wichtig: Selbst wenn es gelänge, Resistenzen aus der Gülle zu tilgen, müsse das Ziel dennoch sein, Antibiotika am Anfang der Kette zu vermeiden, statt an deren Ende – also im Mist. Dazu bedürfe es einer Tierhaltung in den Ställen, die den Einsatz der Medikamente stark verringern kann: „Wir brauchen Haltungssysteme, die für Tiere, Menschen und die Umwelt gleichermaßen gut sind“, sagt Amon.
Dem stimmt Professor Dr. Kornelia Smalla vom Julius Kühn-institut (JKI) zu. Die Mikrobiologin erforscht seit den 90er-jahren das
In Gülle können sich die Keime optimal entwickeln
Vorkommen und die Übertragbarkeit von Antibiotikaresistenzgenen in Agrar-ökosystemen. Was die Landwirtschaft betrifft, seien Güllelager die Hotspots der bakteriellen Evolution, sagt Kornelia Smalla. Hier finden Bakterien eine nährstoffreiche Umgebung, in der sich Resistenzgene besonders gut entwickeln. „Jedes Bakterium besitzt die Fähigkeit dazu“, betont sie. Es aktiviert diese Eigenschaft allerdings nur, wenn nötig. „Der Schlüssel ist der Selektionsdruck, dem Bakterien ausgesetzt sind“, so Kornelia Smalla.
Je mehr Antibiotika in der Humanund Tiermedizin eingesetzt werden, desto stärker werden die vorhandenen Resistenzgene auf den sogenannten Plasmiden mobilisiert. Auf diesen kleinen mobilen Einheiten tragen Bakterien genetische Informationen und können diese blitzschnell
HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST übertragen. Ohne die Konfrontation mit dem Antibiotikum würde den Mikroorganismen also schlicht der Grund fehlen, eine Resistenz zu entwickeln. Anpassen als Überlebensstrategie: Da verhalten sich die Mikroorganismen genau so, wie Darwin es in seiner Evolutionstheorie beschrieb.
„Die Überzeugung, dass die Umwelt eine große Rolle bei den Antibiotikaresistenzen in der Humanmedizin spielt, hat sich erst langsam durchgesetzt“, sagt Kornelia Smalla. Wie Thomas Amon vom ATB plädiert sie dafür, bei der Lösung des Problems an dessen Wurzel anzusetzen und nicht erst auf dem Hof oder Acker. „Man kann den Gentransfer im Boden ja nicht einfach unterbrechen“, sagt sie. Denn für Bakterien liege es in ihrer Natur, sich anzupassen und ihre Informationen weiterzureichen. Also müsse man den Selektionsdruck verhindern und weniger Antibiotika in den Ställen, aber auch in der Humanmedizin einsetzen. „Dies ist die Stellschraube, an der wir drehen müssen“, sagt Kornelia Smalla.
Petra Krimphove Redaktion Forschungsfelder