Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was die Krise in der Türkei für uns bedeutet

Viele Unternehme­n in der Region handeln mit dem Land. Sie sind nun besorgt

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Der Konflikt zwischen den USA und der Türkei spitzt sich weiter zu. Seit Montagmorg­en gelten höhere Einfuhrzöl­le auf Stahl und Aluminium aus der Türkei in die USA. Das hatte zur Folge, dass die türkische Lira weiter an Wert verlor. Der Einbruch spielt auch für die deutsche Wirtschaft eine Rolle.

So sagte Ifo-präsident Clemens Fuest im Handelsbla­tt, die Türkei befände sich in einer klassische­n Wirtschaft­s- und Währungskr­ise. „Wir müssen uns massive Sorgen machen.“So weit will Klaus-jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtsc­haft nicht gehen. Er sagt aber: „Ich sehe wenige Szenarien, die noch verhindern können, dass die Türkei in eine Krise abrutscht.“Zwar sei die Türkei nicht der wichtigste Handelspar­tner Deutschlan­ds, aber: „Der Währungsve­rfall hat Auswirkung­en auf Deutschlan­d. Ein Grund ist, dass die Importfähi­gkeit der Türkei abnimmt, weil sie immer höhere Preise für Waren aus dem Ausland bezahlen muss.“So sei in der jüngsten Vergangenh­eit schon die Zahl der Neuwagenzu­lassungen gesunken. Autos gehören neben Maschinen zu den wichtigste­n Exportprod­ukten Deutschlan­ds – und Bayerns – in die Türkei. Auch die bayerische Wirtschaft leidet unter der Schwäche der Türkei. Bertram Brossardt, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft, sagt: „Die Exportzahl­en zwischen dem Freistaat und der Türkei sind 2017 im Vergleich zu 2016 um zehn Prozent gesunken.“

Denn die Lira verliert seit Monaten an Wert. Erst der Streit mit den USA um das Schicksal des in der Türkei inhaftiert­en Us-pastors Andrew Brunson hatte sie aber in den freien Fall befördert. Der Wertverlus­t und die Inflations­rate von rund 16 Prozent haben noch weitere Folgen, wie Anis Azouz, Leiter des Mittelmeer-projektbür­os der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben, berichtet: „Viele schwäbisch­e Unternehme­n machen sich Sorgen, denn ihre türkischen Partner haben zunehmend spürbare Probleme damit, ihren finanziell­en Verpflicht­ungen nachzukomm­en.“Dennoch sei die Türkei ein attraktive­r Handelspar­tner. „Schwäbisch­e Unternehme­n schätzen die Konsumfreu­digkeit der jungen und dynamische­n türkischen Gesellscha­ft sehr“, sagt er.

Der Kieler Wirtschaft­sforscher Gern warnt: „Auf Dauer geht es nicht gut, wenn ein Land mehr konsumiert als es produziert – zumal ein Großteil des Konsums und des Wirtschaft­swachstums durch Kredite aus dem Ausland finanziert wird.“Ein Hoffnungss­chimmer für die Türkei könnte der Tourismus sein. Denn Urlaub ist in dem Land noch günstiger, als er ohnehin schon war. Ob das die Wirtschaft rettet, muss sich noch zeigen. Gern sagt: „Ob Urlauber kommen, hängt davon ab, wie stabil das Land wahrgenomm­en wird.“

Um eine schwere Krise noch abzuwenden, muss das Land Gerns Meinung nach nun um das Vertrauen der Investoren werben. Die türkische Nationalba­nk und Finanzmini­ster Berat Albayrak bemühten sich am Montag genau darum. So kündigte Albayrak an, so schnell wie möglich Notfallmaß­nahmen zu ergreifen, um die Währung zu stabilisie­ren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wetterte dagegen weiter gegen die USA und deren Präsident Donald Trump. In einer Rede vor Botschafte­rn aus verschiede­nen Ländern sagte er in Richtung Trump: „Du kannst nicht einfach aufwachen und sagen: ,Ich führe Zölle auf Stahl und Aluminium ein.‘ Das kannst du nicht sagen.“Er deutete sogar an, zu einem Krieg bereit zu sein. Staaten, die Frieden wollen, müssten zu Krieg bereit sein, sagt er. „Wir sind bereit, mit allem, was wir haben.“Wie die Türken mit der Situation umgehen, lesen Sie auf der

Dritten Seite.

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