Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einfach kein grüner Daumen

- VON SARAH SCHIERACK sscha@augsburger allgemeine.de

Der Mensch neigt zur Selbstüber­schätzung, ich bin da keine Ausnahme. Ein paar Monate lang dachte ich zum Beispiel, ich könne gärtnern. Wobei „gärtnern“nicht ganz das richtige Wort ist, denn ich habe gar keinen Garten, noch nicht mal einen Balkon. Das macht mich regelmäßig sehr traurig, besonders jetzt im Sommer. Ich spähe dann neiderfüll­t über Gartenzäun­e und werfe sehnsüchti­ge Blicke auf die hübschen Balkone in der Nachbarsch­aft.

Irgendwann, es muss im Mai gewesen sein, wurde der Natur-neid so groß, dass ich mir kurz entschloss­en drei Pflanzen kaufte: Lavendel, einen Tomatenstr­auch, und ein drittes Blümchen, dessen Namen ich bereits vergessen habe. Es überlebte nur eine Woche.

In den übrigen beiden Blumentöpf­en, die ich auf dem Fensterbre­tt im Schlafzimm­er platziert hatte, sah es jedoch fabelhaft aus. Der Lavendel duftete, die Tomate blühte. Ich fühlte mich wunderbar, ganz im Einklang mit der Natur. Jeden Morgen goss ich die beiden Pflanzen, alles war gut. Für etwa einen Monat.

Dann passierte, was mir eigentlich immer passiert, wenn es um Pflanzen geht: Ich vergaß, die Töpfe zu wässern. Erst einmal, dann zwei Mal, dann sechs Tage lang. Das Ergebnis der Vernachläs­sigung zeigte sich schnell: Der Lavendel verdorrte, die einzige Tomate am Strauch blieb klein wie eine Olive.

Ein paar Mal erholten sie sich noch, aber irgendwann gab ihnen die Sommerhitz­e den Rest. Ein wenig hatte ich sicherlich auch Anteil an ihrem Schicksal.

Jetzt baumelt einsam eine rote Tomate am Strauch. Ich traue mich nicht, sie zu essen. Was von mir begärtnert wurde, kann doch eigentlich nicht schmecken.

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Foto: dpa Von solch vorzüglich­er Ernte wagt unse re Autorin nicht zu träumen.

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