Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Power Pop im Feinripp Unterhemd
Zum Finale des Festivals treten mit Kärbholz alte Bekannte auf
Die Rückkehr der Deutschrocker von Kärbholz bildet den gelungenen Abschluss des Festivals Sommer am Kiez auf dem Oberhauser Helmuthaller-platz. Mehrere 100 Fans feiern die Band, die in den vergangenen sieben Jahren mehrmals in den Charts aufgetaucht ist. Sicherheitshalber haben die Rheinländer eine Busladung voll heimischer Anhänger mitgebracht, aber die Augsburger können sich an den Auftritt beim letztjährigen Kiez noch gut erinnern und singen etliche Songs aus Leibeskräften mit. Im Vorprogramm ist das Augsburger Punk-quartett Sehnsucht zu erleben.
Die Geräuschkulisse eines Polizeieinsatzes markiert den Auftakt des Kärbholz-konzerts. Es besteht kein Grund zur Besorgnis: Sänger Torben Höffgen will eine „Überdosis Leben“(der Titel des aktuellen Albums), und das ist wohl nicht strafbar. Die vier Bandmitglieder sind allesamt sympathische Badasstypen. Höffgen tritt mit weißem Feinripp-unterhemd, Dreitagebart und angerauter Stimme auf. Optisch passen die drei anderen Bandmitglieder so perfekt zu ihm, als wären sie mühevoll gecastet worden. Angeblich stammen aber alle aus dem Dorf Ruppichteroth bei Bonn und kennen sich teils bereits aus dem Kindergarten.
Musikalisch sind die Rheinländer nicht so leicht einzuordnen. Begonnen haben sie als Böhse-onkelz-coverband, im Publikum sind viele Onkelz-shirts auszumachen. Kärbholz haben einen Hang zur Glorifizierung ihrer Heimat, sind aber ansonsten unpolitisch. Auch wenn Kärbholz schon in Wacken waren, sind die Jungs besser unter dem Etikett Power-pop untergebracht. Zum Ende des Konzerts bekommen sie deutlich Kuschelrock-schlagseite.
Zwei Aufgaben haben alle Bands, die bei Sommer am Kiez mitmachen: Einmal im Laufe ihres Konzerts müssen sie für Alkohol werben (quasi eine Werbeeinblendung von „Bob’s“). Und sie müssen (wegen der Nachbarn) um Punkt 22 Uhr aufhören. In dieser Hinsicht beweisen Höffgen und seine Mitstreiter hervorragendes Timing. Schon kurz nach 21.30 Uhr will er das Konzert beenden – sich darauf verlassend, dass die Menge Zugaben fordert. „Wollen wir noch ’ne Runde rocken, wa?“, fragt er scheinheilig.
Etwas unklar bleibt, wie Kärbholz ihren Auftritt in Augsburg sehen. Die Besucher tun das Menschenmögliche, um die Band abzufeiern. In der Heavy Rotation der Radiosender und im Musikfernsehen ist die Combo offensichtlich noch nicht angekommen, aber Höffgen ist inzwischen deutlich größere Arenen gewohnt. An einer Stelle entschlüpft ihm das verräterische Wort vom Augsburger „Straßenkreuzungsfestival“. Da haben aber die Augsburger Fans nicht so genau hingehört, die auch nach Konzertende noch eine Weile unverdrossen Zugaben fordern.