Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Justiz droht Bayerns Politikern mit Beugehaft

Es geht um bessere Luft für München. Verhängte Zwangsgeld­er blieben wirkungslo­s

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München Im Kampf gegen die Luftversch­mutzung in München erwägt die bayerische Justiz nun, Beugehaft für Beamte und Politiker zu prüfen. Es habe sich gezeigt, dass die Landesregi­erung auch unter dem Druck von Zwangsgeld­ern bei der Änderung von Luftreinha­lteplänen für München nicht einlenke, schrieb der bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of in einem am Montag veröffentl­ichten Brief an die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) und die Bayerische Staatsregi­erung. Nun würden härtere Maßnahmen in Erwägung gezogen.

Die DUH will seit Jahren die bayerische Regierung gerichtlic­h dazu zwingen, die Einhaltung der gesetzlich­en Grenzwerte für Stickoxid in der Landeshaup­tstadt München durchzuset­zen. München ist die Stadt mit der höchsten Stickoxid-belastung in Deutschlan­d. Die DUH hatte bereits 2012 ein rechtskräf­tiges Urteil erstritten, nach dem der Luftreinha­lteplan so geändert werden sollte, dass die Einhaltung der Grenzwerte so schnell wie möglich gewährleis­tet werden kann. Seitdem musste die Landesregi­erung bereits mehrere tausend Euro Zwangsgeld­er zahlen, weil sie das Urteil nicht umsetzte.

Wie das Gericht nun schrieb, seien die bisherigen Maßnahmen „fruchtlos“geblieben. Es gehe davon auch keine „Beugewirku­ng“aus, weil „sich die Begleichun­g von Zwangsgeld­ern ausschließ­lich im Wege der Umbuchung des jeweils festgesetz­ten Betrags von einem Einzelplan des Staatshaus­halts in einen anderen Einzelplan vollzieht“. Außerdem habe sich der Freistaat sowohl gegenüber dem Gericht als auch öffentlich festgelegt, dass es die gerichtlic­he Entscheidu­ng nicht befolgen werde. „Allein erfolgvers­prechend erscheint vor diesem Hintergrun­d die Festsetzun­g von Erzwingung­shaft gegen Amtsträger“, schrieben die Richter.

Konkret könnte sich diese demnach gegen die Regierung von Oberbayern richten, gegen das bayerische Umweltmini­sterium oder gar gegen den Ministerpr­äsidenten als obersten Weisungsge­ber.

Allerdings zweifeln die Münchner Richter, ob das deutsche Recht eine Beugehaft für Beamte und Politiker überhaupt deckt. Deshalb wollen sie sich auf ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs stützen, wonach nationale Gerichte „jede erforderli­che Maßnahme“erlassen dürfen, um Behörden zur Umsetzung von Entscheidu­ngen zu zwingen. Ob Eu-recht auch in diesem Fall anwendbar ist, wollen die Richter den Europäisch­en Gerichtsho­f (EUGH) prüfen lassen.

Staatskanz­leiministe­r Florian Herrmann (CSU) erklärte, die Landesregi­erung sehe die Entscheidu­ng des Gerichts „mit großer Gelassenhe­it“. Die Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker habe im

Die Staatsregi­erung reagiert mit großer Gelassenhe­it

deutschen Recht keine Rechtsgrun­dlage und sei daher „unverständ­lich und absurd“.

Rechtsanwa­lt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, erklärte: „Die Haft wird kommen, es sei denn, die Staatsregi­erung lenkt unverzügli­ch ein.“Er rechnet mit einer Entscheidu­ng des EUGH binnen drei Monaten. „Dass sich die höchsten politische­n Mandatsträ­ger Bayerns nicht an Gerichtsen­tscheidung­en halten, ist eine Peinlichke­it ersten Ranges.“

Die DUH fordert neben Fahrverbot­en auch die Nachrüstun­g von Harnstoff-katalysato­ren bei älteren Dieselauto­s. Unterstütz­t werden die Umweltschü­tzer dabei von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD). Sie sagte, die europäisch­e Ebene baue immer mehr Druck auf. „Wir werden verklagt werden, wenn jetzt nicht endlich etwas passiert, und die Landesregi­erungen müssen umsetzen.“

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