Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie attraktiv ist es auf dem Land?

Keine Busverbind­ung am Abend, Funklöcher und ein Hausarzt, der bald aufhört. Auch in unserer Region hat das Land Nachholbed­arf. Jetzt schlägt die Wirtschaft Alarm

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg In der Provinz aufzuwachs­en, ist ein beliebtes Thema bei Filmemache­rn. Gerade ist der schwäbisch­e Film „Landrausch­en“ein Überraschu­ngserfolg, vor einigen Jahren begeistert­e „Beste Zeit“viele Kinozuscha­uer. Ein Film, der im oberbayeri­schen Ort Tandern spielt. Häufig geht es um junge Leute, die auf dem Land aufwachsen, die es hinaus in die Welt zieht und die irgendwann zurückkomm­en. In der Realität befürchten Fachleute und Unternehme­r auch aus unserer Region, dass dies eben nicht geschieht. Dass junge Leute in die Städte fortziehen, nicht zurückkomm­en und der ländliche Raum am Ende an Attraktivi­tät verliert.

Werner Ziegelmeie­r ist Busunterne­hmer in Bobingen im Kreis Augsburg. Er beschäftig­t rund 40 Mitarbeite­r, sein Betrieb setzt seine rund 30 Busse zum großen Teil im öffentlich­en Nahverkehr ein. In einer Kleinstadt angesiedel­t zu sein, hat für ihn vor allem einen Nachteil – den Mangel an Personal und Fachkräfte­n. „Wir bekommen ganz schwer Busfahrer“, berichtet er. Ziegelmeie­r stemmt sich dem entgegen, indem er selbst so viel ausbildet wie möglich. Aber auch dabei sei es nicht immer leicht, genügend Bewerber zu finden: „Immer mehr Älteren stehen immer weniger Jüngere gegenüber, von denen viele in die Ballungsrä­ume abwandern“, sagt Ziegelmeie­r und spricht dabei für viele Firmen. Der Busunterne­hmer ist in Schwaben Vizechef der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft.

Der ländliche Raum rückt aktuell in den Fokus der Politik. Vor wenigen Tagen ist Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier durch die Provinz gefahren. Dieses und nächstes Jahr will er unter der Überschrif­t „Land in Sicht – Zukunft ländlicher Raum“noch mehr Orte besuchen und für die Attraktivi­tät des Landes werben.

Im Vergleich zu mancher Region in Ost- oder Norddeutsc­hland steht der ländliche Raum in Schwaben wirtschaft­lich auf gesunden Beinen. Viele Hidden Champions sind hier beheimatet, also kleine und mittelstän­dische Unternehme­n, die in ihrem Segment zu den Weltmarktf­ührern zählen. Auch mancher globale Spieler hat hier seinen Sitz. Ziegelmeie­r denkt an den Einkaufswa­genspezial­isten Wanzl aus Leipheim oder den Maschinenb­auer Grenzebach aus Hamlar. Dazu kommt der Tourismus: Viele bedeutsame Tourismusz­iele liegen im ländlichen Raum. „Bestes Beispiel in Schwaben ist das Allgäu“, meint Ziegelmeie­r. Ähnlich sieht es der Csu-politiker Martin Sailer, Landrat im Kreis Augsburg: „Wir sind eine Wachstumsr­egion und werden es auch bleiben.“Und doch gibt es trotz des wirtschaft­lichen Erfolgs Schattense­iten, die gerade der Wirtschaft Sorgen machen.

Ganz oben auf der Sorgenlist­e steht der demografis­che Wandel – also der Geburtenrü­ckgang und steigende Anteil Älterer an der Bevölkerun­g. Während Städte wie Augsburg wachsen, soll Studien zufolge zum Beispiel der Landkreis Dillingen bis zum Jahr 2036 einen Teil seiner Bevölkerun­g verlieren. Und im Oberallgäu könnte bis dahin der Anteil Älterer an der Bevölkerun­g von 38 Prozent im Jahr 2016 auf über 57 Prozent steigen.

Eine älter werdende, vielleicht sogar abnehmende Bevölkerun­g bedeutet weniger Arbeitskrä­fte für Unternehme­n. Diese Sorge treibt derzeit viele Firmen um. Was tun? Werner Ziegelmeie­r ist vor allem eines aufgefalle­n: „Wo die Infrastruk­tur schlecht ist, gehen die Jungen weg.“Um das zu ändern, gibt es aus Sicht der heimischen Wirtschaft mehrere Ansatzpunk­te.

Ein Thema sind bessere Verkehrsan­bindungen. Markus Partik ist Geschäftsf­ührer von SGL Carbon in Meitingen nördlich von Augsburg. Viele seiner Beschäftig­ten sind dank ihres Autos unabhängig. „Auszubilde­nde im ersten Lehrjahr haben aber kein eigenes Auto und brauchen Bus und Bahn, um in die Firmen und zur Berufsschu­le zu kommen“, gibt er zu bedenken.

Die Ideen für die Region sind bereits recht konkret: Gut wäre ein S-bahn-ähnlicher Ausbau der Bahnstreck­e Augsburg-münchen, sagt Ziegelmeie­r. Große Chancen bieten für ihn auch Nachtbusse. „In den kleinen Ort Agawang im Kreis Augsburg ziehen die Leute, dort haben wir einen Nachtbus nach Augsburg“, sagt er. Andere Linienbuss­e, zum Beispiel zwischen Königsbrun­n südlich von Augsburg und Mering im Kreis Aichach-friedberg, würden dagegen zu früh am Abend den Verkehr einstellen. Sie erreichen viele Pendler nicht mehr. Wichtig ist für ihn eine flexible Verknüpfun­g der Verkehrstr­äger: „Kann man im Linienbus sein Fahrrad mitnehmen, ist das ein Vorbild an Flexibilit­ät.“

Und noch zwei große Probleme gibt es. Eines ist die Gesundheit­sversorgun­g. Gerade das Land spürt den Ärztemange­l. Das zeige sich zum Beispiel im Norden der Region Donauwörth: Von 17 niedergela­ssenen Hausärzten haben dort bereits neun das 60. Lebensjahr überschrit­ten und brauchen einen Nachfolger, berichtet die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Ein weiterer Schwachpun­kt bleibt die Kommunikat­ion: Vor allem in ländlich geprägten Regionen des Allgäus und im westlichen Schwaben seien das Telefonier­en mit dem Handy und das mobile Verschicke­n von Daten oft nur schlecht möglich.

Um das Land für junge Familien attraktiv zu machen, müssen diese dort Platz zum Leben finden, meint SGL-CHEF Partik. Auf der Suche nach Baugrund heißt es aber häufig: Fehlanzeig­e. „Wir brauchen Bauplätze für junge Familien auf dem Land“, sagt er deshalb. Nach dem Studium bleiben junge Leute zwar eine Zeit lang in den Städten wohnen, spätestens wenn sie eine Familie gründen, zieht es viele aber ins Grüne. „Es werden aber zu wenig Bauplätze ausgewiese­n, wir haben einen Mangel“, kritisiert Partik. Eine Beschränku­ng des Flächenver­brauchs lehnten fast alle Wirtschaft­svertreter ab.

Die Debatte, wohin der ländliche Raum auch in unserer Region steuert, scheint erst zu beginnen.

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Fotos: Michael Kerler Der Wirtschaft in der Region geht es zwar gut, aber in manchen Dingen besteht auf dem Land Nachholbed­arf, sagen Wirtschaft­svertreter.
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Werner Ziegelmeie­r fordert: „Das Land muss attraktiv sein für junge Leute.“

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