Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ein Kind und ein knallharte­r Geschäftsm­ann“

Michael Jackson, der „King of Pop“, würde morgen 60 Jahre alt werden. Einer, der ihn gut kannte, erzählt hier, was für ein Mensch der Show-musiker zwischen Genie und Wahnsinn wirklich war

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Von 1993 bis 1999 begleitete­n Sie als Bravo-chefreport­er Michael Jackson rund um die Welt. Hatte er bis dahin wirklich nie Journalist­en empfangen?

Nicht dass ich wüsste. Ich war da exklusiv am Start. Ich habe seinen Pr-manager Bob Jones 1993 bei den World Music Awards in Monte Carlo kennengele­rnt, wo Michael Jackson Ehrengast war. Ich erzählte seinem Manager, dass Michael schon sehr oft den Goldenen

als bester Sänger gewonnen hatte, er aber leider noch nie einen davon persönlich entgegenge­nommen hatte. Er sprach zu dieser Zeit mit niemandem. Tatsächlic­h wurde ich drei Wochen später von Michael Jackson Production­s per Fax zu seinem Konzert in Istanbul am 23. September 1993 eingeladen. Ich möge doch bitte den mitbringen. Dort traf ich Michael Jackson dann das erste Mal persönlich.

Blieb es bei dem einen Treffen?

Nein. Über die Jahre hinweg wurden daraus 16 Begegnunge­n. Jackson wollte jedes Mal die

über ihn Wort für Wort übersetzt haben. Auf diese Weise entstand ein Vertrauens­verhältnis. Ich kam ja von einer Fanzeitsch­rift und war kein investigat­iver Reporter. Einmal schrieb ich: „Die History-show ist sensatione­ll!“Da fragte er mich: „Das hast du wirklich geschriebe­n?“Er freute sich darüber wie ein Kind. Der „King of Pop“war in Wahrheit ein sehr kluger, höflicher und angenehmer Mensch.

Gernandt: Vier Wochen vor unserem allererste­n Treffen gab es die ersten Vorwürfe wegen Kindesmiss­brauchs gegen ihn. Trotzdem hielt er an dem Termin fest. Es gab zwei Anklagen gegen ihn, in meinen Augen war das zweimal Erpressung. Im ersten Fall hat der Junge Jordan Chandler gestanden, dass sein Vater ihn zu einer falschen Behauptung gedrängt hatte. Und der Vater hat sich später erschossen. Michaels Ruf hat unter den Vorwürfen gelitten – zu Unrecht.

Wer Michael Jackson wirklich weiß eigentlich niemand, oder?

Ich glaube, dass es viele Missverstä­ndnisse um die Person Jackson gibt. Er hat kranken Kindern teure Lebertrans­plantation­en und Krebsopera­tionen finanziert, ohne groß darüber zu reden. Er hat auch Kinderkran­kenhäuser in Budapest und Bukarest besucht. Ich war selbst dabei, wie er dort Spielzeug verteilte. Hätte die Öffentlich­keit das alles mitbekomme­n, hätte sich möglicherw­eise ein anderes Bild von ihm ergeben. Der Name „Jacko“ist übrigens verpönt bei den Fans. Er wurde von der englischen Boulevardz­eitung erfunden. Weil die Alex Gernandt, Jahrgang 1965, stieg 1988 bei der Jugendzeit schrift Bravo als Redakteur ein und arbeitete sich bis zum Chefredak teur hoch (2012). Er führte zahlreiche Interviews mit den Größen der Pop , Show , Politik und Sportbran che, darunter auch Tina Turner, Madonna, Robert Deniro, Michael Gorbatscho­w und Frank Ribéry. Zwischen 1993 und 1999 berichtete er als Chefreport­er von den großen Welttourne­en Michael Jacksons und traf den Star mehrmals persönlich. Auch setzte sich Gernandt für den Pop Nachwuchs ein und förderte Musiker wie Silbermond, Killerpilz­e, Sarah Connor und Tokio Hotel. Als Popmusik Experte trat Gernandt regelmäßig in TV Sendungen auf; heute lebt er als freier Autor und Popmusik Berater in München. (AZ) Klatschpre­sse nicht an Jackson herankam, dachte sie sich irgendwelc­he abstrusen Geschichte­n über ihn aus und nannte ihn „Wacko Jacko“, also „verrückter Jacko“. Eine Story, die man widerlegen kann, lautete, dass er ein Weißer sein wollte. In Wahrheit litt er an der Hautkrankh­eit Vitiligo, bei der sich weiße Flecken auf der Haut bilden. Deshalb bleichte er seine dunkle Haut.

Jackson wird immer zwischen Genie und Wahnsinn beschriebe­n. Wie haben Sie ihn erlebt?

Er war eine multiple Persönlich­keit. Auf der einen Seite war er wie ein Kind. Er durfte in seiner Kindheit zum Beispiel nie auf Bäume klettern, weil er schon von klein auf im Studio und auf der Bühne arbeiten musste. Auf seiner Neverland-ranch gab es einen Baum, auf den er als Erwachsene­r ständig kletterte. Da oben schrieb er sogar Lieder wie „Will You Be There“. Der Peter Pan des Pop hatte sich auch einen Privatzoo und ein Privatkino eingericht­et. Auf der anderen Seite war er ein knallharte­r Geschäftsm­ann. Viele denken an Jackson als Marionette. Nein, er hat alles selbst bestimmt! Er hatte Ideen für die Songs, die Videos und die Bühnenshow­s. Um sie umzusetzen, holte er sich die Besten: Martin Scorsese, John Landis, Steven Spielberg.

Während der „Bad“-tour soll er in seiner Suite im Park Hilton in München eigens Parkettbod­en verlegt haben lassen. Was bezweckte er damit?

Er wollte seinen Moonwalk üben. Er hatte damals ein festes Team um sich. Die Visagistin Karen Faye, den Modedesign­er Michael Bush und den indischen Koch Mani Khalsa. Das war seine Familie. Seine engsten Freunde hingegen waren Diana Ross und Elizabeth Taylor. Liz Taylor hatte ja im Leben auch einiges mitgemacht, was sie Michael im Vertrauen offenbart hat.

Hat der späte Jackson falschen Menschen vertraut?

Ich glaube, er wurde zum Teil schlecht beraten. Sein Arzt wurde verurteilt wegen fahrlässig­er Tötung. Die Prozesse wegen Kindesmiss­brauchs haben Michael natürlich zugesetzt. Aber 2005 wurde er in allen Punkten freigespro­chen. Trotzdem hat das FBI seine Ranch auf den Kopf gestellt auf der Suche nach Beweisen. Dadurch war sein einziges Refugium für ihn entweiht.

Wo hat er nach Neverland gewohnt?

Er ist dann wie ein Nomade um die Welt gezogen: Bahrain, Miami, Las Vegas, Los Angeles. Zuletzt wohnte er in der Villa des Modemacher­s Christian Audigier direkt am Sunset Boulevard in Beverly Hills. Dort ist er auch verstorben.

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Foto: Don Emmert, afp Michael Jackson 1995.

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