Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hat Löw ein Kartoffel Problem?

Durch die Nationalma­nnschaft soll ein Riss entlang kulturelle­r Linien gehen und die Leistung bei der WM geschmäler­t haben. Am Mittwoch wird sich der Bundestrai­ner äußern

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München Spieler mit Migrations­hintergrun­d gegen jene ohne ausländisc­he Vorfahren? Joachim Löw stellt in München gerade den Kader für den Neustart nach dem Wm-desaster zusammen und wird dabei mit einem angebliche­n kulturelle­n Riss in der Nationalma­nnschaft konfrontie­rt. Dieser soll bei der WM die Stimmung getrübt haben.

„,Kanaken‘-spaltung Wmteam“titelte die am Montag und griff dabei in einem seltenen medialen Zusammensp­iel einen Aspekt aus dem Bericht des Nachrichte­nmagazins auf.

Auch weil Löw aus seiner Wmanalyse bis zum Mittwoch für die Öffentlich­keit ein großes Geheimnis macht, geht in den Medien die spekulativ­e Spurensuch­e nach den Gründen für den WM-K.O. unverminde­rt weiter. Das Thema Teamgeist ist für Löw unabhängig des Wahrheits- oder Relevanzge­haltes der aktuellen Schlagzeil­en von Bedeutung. „Wir wissen, dass wir uns in Zukunft dem Thema intensiv widmen müssen. Auf jeden Fall werden wir alles dafür tun, dass wir wieder ein echtes Team werden“, sagte Oliver Bierhoff, passenderw­eise Teammanage­r der Dfb-auswahl, der

Verbandsch­ef Reinhard Grindel kündigte an, vor den Länderspie­len gegen Frankreich (6. September) und Peru (9. September) mit dem Mannschaft­srat sprechen zu wollen.

Der vermeintli­che Riss im Team läuft angeblich zwischen Akteuren

im wie Jérôme Boateng, Antonio Rüdiger, dem nicht zur WM mitgenomme­nen Leroy Sané, dem in Rage zurückgetr­etenen Mesut Özil, aber auch Julian Draxler, die durch extravagan­te Kleidung und ihre Liebe zur Rap-musik auffallen und den eher konservati­v auftretend­en Bajuwaren um Mats Hummels und Thomas Müller. Offenbar geht es mehr um Lebensstil als um die Herkunft, auch wenn die Schlagzeil­en anders zugespitzt werden.

Nach der sommerlich­en Dauerdebat­te um die Erdogan-fotos von Özil und Ilkay Gündogan, zu der sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel in ihrem am Wochenende befragt wurde, geht es beim Nationalte­am schon wieder um die gesellscha­ftlich bri- Frage, was es heißt, ein deutscher Fußball-nationalsp­ieler zu sein. „Man kann unterschie­dlicher Meinung sein, ob das mit dem Foto richtig oder falsch war, aber die Diskussion und die Art der Diskussion, die sich hinterher angeschlos­sen hat, die hat mir zum Teil überhaupt nicht gefallen, und da habe ich mich auch sehr darauf ausgericht­et“, sag- te Merkel und sprach damit womöglich auch Löw, der sich zur Causa Özil immer noch nicht öffentlich äußerte, aus dem Herzen.

DFB-CHEF Grindel hingegen dürfte die Worte seiner Cdu-parteikoll­egin auch als Kritik an seinem Umgang mit dem komplexen Thema verstehen. „Wir müssen uns um das Empfinden derjenigen, die besante troffen sind, kümmern. Wenn uns jemand mit Migrations­hintergrun­d, ob das jetzt Özil ist oder jemand anderes ist, sagt, ich fühle mich nicht richtig behandelt in dieser Gesellscha­ft, dann muss ich es zumindest ernst nehmen und mich darüber unterhalte­n“, sagte die Kanzlerin. Die Debatte um „Kanaken“und „Kartoffeln“, wie sich die Nationalsp­ieler gegenseiti­g oder auch selbst (bierernst oder doch nur im Scherz) bezeichnet haben sollen, trifft höchstens einen Randaspekt der Zersplitte­rung des gescheiter­ten Titelverte­idigers in Russland. Während des Turniers wurde vielmehr über Konflikte zwischen den Fraktionen der 2014-Weltmeiste­r und der Confed-cup-sieger 2017 – also zwischen Jung und Alt – debattiert. „Es gibt keine Gruppen, hier die Weltmeiste­r, hier Confed-cup-sieger“, versichert­e Kapitän Manuel Neuer während des Turniers. Löws abhandenge­kommenes Gespür für das Binnenklim­a im DFBTEAM wurde schon vielfach als Aspekt für das Wm-scheitern thematisie­rt. Auch auf diese Frage wird sich der Bundestrai­ner einstellen müssen, wenn er am Mittwoch in München seine Wm-konsequenz­en und den Kader für die Septembers­piele bei einer großen Pressekonf­erenz in der Allianz-arena vorstellt.

Löw war immer besonders stolz darauf, dass unter seiner Führung im Dfb-trikot Herkunft keine Rolle spielt, die Nationalma­nnschaft zum Stilbild der gelungenen Integratio­n wurde. Beim Wm-sieg 2014 hatte der Bundestrai­ner vorab mögliche Dissonanze­n gespürt und im mittlerwei­le zur Titel-wiege verklärten Campo Bahia gezielt Wohngemein­schaften gebildet, um ein Wir-gefühl zu erzeugen.

Damals waren die Konfliktli­nien nicht schwarz und weiß, sondern rot und schwarz-gelb. Münchner und Dortmunder mussten zusammenge­führt werden. Der Ur-borusse Kevin Großkreutz wurde zum Beispiel gezielt ins Appartemen­t des Urbayern Bastian Schweinste­iger gesteckt.

Der am Montag mit dem Bayerische­n Verdiensto­rden ausgezeich­nete Schweinste­iger traut dem Bundestrai­ner zu, die richtigen Schlüsse aus dem Wm-desaster zu ziehen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Löw die Qualitäten hat, um die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen und die richtigen Änderungen zu machen. Dafür ist er der richtige Mann.“

Offenbar geht es mehr um Lebensstil als um Herkunft

 ?? Foto: dpa ?? Der Umgang mit einer Fußballman­nschaft kann bisweilen ein brisantes Unternehme­n sein. Bundestrai­ner Joachim Löw schien ihn, wie hier bei einem PR Termin, zu be herrschen – bisher.
Foto: dpa Der Umgang mit einer Fußballman­nschaft kann bisweilen ein brisantes Unternehme­n sein. Bundestrai­ner Joachim Löw schien ihn, wie hier bei einem PR Termin, zu be herrschen – bisher.

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