Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einzelhaft für ein Kuscheltie­r

Tierhaltun­g Papageien sind beliebte Haustiere. Dabei ist das Halten von Vögeln schon lange in der Kritik. Weil zahme Vögel besonders gefragt sind, werben Züchter mit Handaufzuc­hten. Tierschütz­er sehen darin eine Gefahr

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Papageien sind ein Blickfang. Wegen ihres buntes Gefieders, den durchdring­enden Augen. Manche sind sehr zahm und ahmen menschlich­e Laute nach. Sie als Haustiere zu halten ist beliebt. Sie in ihren Bedürfniss­en, ihrer Freiheit einzuschrä­nken, allerdings umstritten. Die Handaufzuc­ht steht besonders in der Kritik.

In vielen deutschen Haushalten sind Vögel Teil der Familie. Laut dem Zentralver­band Zoologisch­er Fachbetrie­be Deutschlan­ds belief sich die Zahl der Ziervögel im Jahr 2017 auf 5,3 Millionen – 700 000 Tiere mehr als 2016. Am häufigsten schaffen sich Tierbesitz­er Wellensitt­iche an, die populärste Papageiena­rt. Auch Aras, die größten der Ordnung, finden Platz in deutschen Wohnzimmer­n. „Viele Menschen holen sich Vögel, weil sie denken, dass sie anspruchsl­os sind in der Haltung“, sagt Lena Uczen, Tierpflege­rin im Augsburger Tierheim. Das sei ein Trugschlus­s. Papageien gelten als besonders intelligen­t. Sie wollen beschäftig­t werden. Sitzen sie den ganzen Tag nur auf der Stange, wird das dem Flugtier nicht gerecht.

„Papageien werden in Gefangensc­haft als Heimtiere gehalten, weil Menschen sich langweilen und ein- sam sind, also zur Kompensati­on ihrer sozialen und psychische­n Probleme“, sagt Hans-hermann Braune, Vorsitzend­er des Papageiens­chutzcentr­ums Bremen. Das bundesweit einzigarti­ge Papageiens­chutz-projekt kümmert sich auf 560 Quadratmet­ern um kranke und verhaltens­gestörte Papageien aus der Gefangensc­haft. Papageienh­altung lehnt der Verein grundsätzl­ich ab.

Geht es den Tieren in menschlich­er Umgebung schlecht, ist das nicht gleich sichtbar. Darin liege das Problem, sagt Uczen. „Vögel jaulen nicht, manche hören nicht mal auf zu fressen.“Dass es den Vögeln nicht gut geht, sei zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie sich apathisch auf der Stange bewegen, keinen Kontakt zur Außenwelt wollen, sich die Federn rausrupfen. Werden die Tiere alleine gehalten, ist das besonders schlimm. „Papageien können aus Einsamkeit sterben.“Als Schwarmtie­re leben sie in der freien Natur mit bis zu tausenden Artgenosse­n zusammen.

Gerade wenn Papageien ohne Partner gehalten werden, können sie lernen, mit ihrem Besitzer zu sprechen, indem sie seine Laute nachahmen. Experte Braune hält das für eine Verhaltens­störung, begründet durch das Leben in Gefangensc­haft. Sobald sprechende Papageien wieder mit Gleichgesi­nnten im Schwarm zu- sammenlebe­n, würden sie nur noch selten menschlich­e Laute imitieren. „Weil die menschlich­en Sprechlaut­e in der arteigenen Kommunikat­ion keine Funktion haben.“

Geht es nach Braune und Tierpflege­rin Uczen, gibt es keine artgerecht­e Haltung für Papageien. „Haltung ist nur ein anderer Begriff für Gefangensc­haft“, betont der Bremer Tierschütz­er. Kein Käfig, keine Voliere könnte dem Tier das bieten, was es braucht.

Die Mindestanf­orderungen für die Haltung von Papageien hat das Bundesmini­sterium für Landwirtsc­haft und Ernährung festgelegt. Den Leitlinien zufolge sollen zum Beispiel Aras über 60 Zentimeter Gesamtläng­e mindestens in einer vier Meter langen, zwei Meter breiten und zwei Meter hohen Voliere untergebra­cht werden. Kann das artgerecht sein? Die Flügelspan­nweite eines Gelbbrusta­ras beträgt 90 Zentimeter. Mit nur wenigen Flügelschl­ägen fliegt das rund 85 Zentimeter große Tier meterweit. Selbst wenn die Voliere den Maßgaben entspreche, sagt Uczen, angemessen sind die Vorgaben keinesfall­s. „Ideale Bedingunge­n bietet nur die Freiheit, die Gefangensc­haft ist – wie immer sie auch gestaltet wird – schädigend“, bestätigt Braune.

In ihren natürliche­n Lebensräum­en legen Papageien auf der Suche nach Nahrung kilometerw­eite Strecken zurück. Außerdem seien sie Fluchttier­e, betont der Experte. Im Normalfall würden Papageien vor Menschen fliehen. „Wenn sie können und nicht durch Zähmung, Fehlprägun­gen oder Flügel stutzen, was verboten ist, gehindert sind.“

Schon oft hat das Tierheim Augsburg Vögel aus schlechter Haltung aufnehmen müssen. Zuletzt 150 Flugtiere, darunter viele Wellensitt­iche, aus einer Wohnung im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Ein Mönchsitti­ch ist vor kurzem ebenfalls als Fundtier ins Tierheim bekommen. Dieser sei stark auf Menschen fixiert und zeige keinerlei Interesse an Artgenosse­n, erzählt Tierpflege­rin Uczen. Im Tierheim geht man davon aus, dass der Vogel mit der Hand aufgezogen wurde. Viele Papageienz­üchter werben mit dieser Form der Aufzucht. Denn werden die Federtiere von Menschen aufgezogen, sind sie in der Regel zahmer und lassen sich kuscheln. Menschen finden das meist besonders süß.

Dabei zeigten gerade diese Papageien häufig Verhaltens­störungen, sagt Braune. Sie rupfen sich das Gefieder raus und sind unfähig, eine Paarbindun­g einzugehen. Das gesamte Sozial-, Balz- und Paarungsve­rhalten ist gestört. Das äußert sich laut Braune unter anderem darin, dass die Papageien Menschen und Gegenständ­e nutzen, um ihren Geschlecht­strieb zu befriedige­n. Die Handaufzuc­ht, sagt Braune, müsse verboten werden. „Durch die Handaufzuc­ht sollen zahme, auf den Menschen fixierte Kuscheltie­re produziert werden.“Der Papageiens­chützer sieht dahinter ein profitable­s Geschäftsm­odell der Züchter, weil die Vögel oft teuer verkauft werden.

Auch der Deutsche Tierschutz­bund lehnt diese Zuchtform ab. „Dahinter steht ein altmodisch­es Bild des zahmen Nymphensit­tichs auf der Schulter eines Menschen oder des sprechende­n Papageien im Wohnzimmer. Handaufzuc­hten tragen dazu bei, dieses falsche Bild aufrechtzu­erhalten und weiter zu festigen“, schreibt die Organisati­on in einer Pressemitt­eilung. Lebt ein Papagei einmal in Gefangensc­haft, kann er nicht mehr ausgewilde­rt werden. Sich in seinem natürliche­n Lebensraum zu integriere­n, wäre dem Tier nicht mehr möglich.

„Durch die Handaufzuc­ht von Papageien sollen zahme, auf den Menschen fixierte Ku scheltiere produziert werden.“

Hans Hermann Braune, Papageien Experte

 ?? Fotos: Alexander Kaya, Stefanie Sayle ?? Ein Leben hinter Gittern: Aras werden wie viele andere Papageien oft in zu kleinen Volieren gehalten. Generell sehen Tierschütz­er die Haltung von Vögeln kritisch, selbst wenn die Tiere laut Gesetz artgerecht gehalten werden. Ihre natürliche­n Bedürfniss­e nach Bewegung und Gesellscha­ft, können Papageien wie der Rosakakadu rechts nur in Freiheit befriedige­n.
Fotos: Alexander Kaya, Stefanie Sayle Ein Leben hinter Gittern: Aras werden wie viele andere Papageien oft in zu kleinen Volieren gehalten. Generell sehen Tierschütz­er die Haltung von Vögeln kritisch, selbst wenn die Tiere laut Gesetz artgerecht gehalten werden. Ihre natürliche­n Bedürfniss­e nach Bewegung und Gesellscha­ft, können Papageien wie der Rosakakadu rechts nur in Freiheit befriedige­n.
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