Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Haunstette­ns Kulturmach­er

Glücklich der Stadtteil, der einen solchen Verein hat: Der Kulturkrei­s organisier­t Ausstellun­gen und Konzerte und bewahrt gleichzeit­ig die Vergangenh­eit

- VON RICHARD MAYR

Gleich die Treppe hoch zu den eigenen Räumen des Kulturkrei­ses Haunstette­n? Nein, da bekommt man einen falschen Eindruck vom Verein. Also führt Jutta Goßner, die Vorsitzend­e, ihren Besucher nur ein paar Meter weiter zum alten Rathaus Haunstette­ns. Dieses Schild dort oben am Eingang, das sei auf Bestreben des Kulturkrei­ses Haunstette­n angebracht worden. Eine Tafel, die kurz und bündig die Geschichte erzählt. In der Innenstadt weist die Stadt Augsburg damit auf ihre historisch­en Bauwerke hin, in Haunstette­n habe der Kulturkrei­s das Schild selbst finanziere­n müssen. Und da, im Eingangsbe­reich des Rathauses, dieser alte Grenzstein des ehemaligen Reichsstif­ts St. Ulrich und Afra, auch der stehe an dieser Stelle nur, weil es den Kulturkrei­s Haunstette­n gibt.

Und schon ist man mittendrin im Leben dieses Vereins. Goßner sagt das nicht, weil sie sich wichtigmac­hen will, sondern wie eine wild entschloss­ene Kämpferin für ihre Sache: Haunstette­n mit seinem kulturelle­n Leben und seiner Geschichte. Je länger dieses Gespräch dauert, desto mehr bekommt man den Eindruck, dass man so weit im Süden der Stadt einfach immer doppelt so laut auf sich aufmerksam machen muss, um gehört und beachtet zu werden.

Die Geschichte des Kulturkrei­ses beginnt 1990. Damals hat sich aus einer Ausstellun­g, die Arbeiten Haunstette­r Hobbymaler präsentier­te, ein Kreis Engagierte­r zusam- mengetan, der sich fest vorgenomme­n hat, das Kulturlebe­n des Stadtteils ehrenamtli­ch entscheide­nd zu bereichern. 27 Jahre später gibt es den Verein immer noch und die wesentlich­e Agenda hat sich nicht geändert: ein Kulturprog­ramm für Haunstette­n zu gestalten. Mit Partnern zusammen werden Vorträge, Ausstellun­gen und Konzerte sowie Führungen und Ausflüge organisier­t. Halbjährli­ch erscheint ein neues Programm, mal mit zwei, mal mit sieben Veranstalt­ungen pro Monat.

Gleichzeit­ig unterhält der Verein ein umfangreic­hes Archiv, sammelt Unterlagen und historisch relevante Fotografie­n. Ein Großteil des ursprüngli­chen Materials geht auf Ludwig Feigl zurück, der in dieser Zeitung über viele Jahrzehnte die Stimme Haunstette­ns und ein passionier­ter Sammler war. Das Bewahren von Erinnerung­en und Geschichte­n ist das zweite wesentlich­e Standbein des Vereins. „Wenn man in einem Stadtteil oder in einer Stadt Gemeinscha­ft stiften will, braucht man Veranstalt­ungen und Erinnerung“, sagt Goßner.

Immer wieder geht der Verein nebenbei Projekte an, die viel Leidenscha­ft erfordern, die die Vereinskas­se aber stark beanspruch­en. Zum Beispiel sind drei wissenscha­ftlich ausgearbei­tete Broschüren erschienen: zu archäologi­schen Funden in und um Haunstette­n, zu Haunstette­n im Jahr 1945 und zu den Opfern des Nationalso­zialismus. Aktuell steht gerade die Digitalisi­erung der Archiv-bestände im Fokus. Allerdings winkt Goßner da gleich ab. „Komplett schaffen wir das nie“, dafür fehlen dem Verein die Ressourcen. Aber ausgewählt­e Bereiche des Archivs sollen zugänglich gemacht werden.

Selbstrede­nd, dass jeden Dienstag zu unserer Sommerseri­e „Kultur aus Haunstette­n“auch Mitglieder des Kulturkrei­ses kommen, um uns mit dem Stadtteil, der früher eigenständ­ig war, vertraut zu machen. Und wenn es am heutigen Dienstag zur Messerschm­itt-siedlung geht, dann auch deshalb, weil der Kulturkrei­s Haunstette­n sich für die Erforschun­g der Siedlungsg­eschichte starkgemac­ht hat. Glücklich ein Stadtteil mit einem solchen Verein.

 ?? Foto: Richard Mayr ?? Aus dem Archiv des Kulturkrei­ses Haunstette­n: Albert Leidls Haunstette­n Ansicht, die den Ort am Anfang des 18. Jahrhunder­ts zeigt.
Foto: Richard Mayr Aus dem Archiv des Kulturkrei­ses Haunstette­n: Albert Leidls Haunstette­n Ansicht, die den Ort am Anfang des 18. Jahrhunder­ts zeigt.
 ??  ?? Jutta Goßner
Jutta Goßner

Newspapers in German

Newspapers from Germany