Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was es mit diesen Betonvorsp­rüngen auf sich hat

Passanten, die am Sozialgeri­cht vorbeigehe­n, fallen die seltsamen Mauern immer wieder auf. Sie haben eine lange Geschichte

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Die Mauervorsp­rünge am Augsburger Sozialgeri­cht sehen seltsam aus. Viele Passanten fragen sich, was es mit diesen Betonkäste­n auf sich hat. Die Antwort hat mit der Geschichte des Gebäudes zu tun.

Am 25. April 1938 schrieb Verwaltung­sinspektor Gregor Rau vom Oberversic­herungsamt in der Holbeinstr­aße 12 an den Augsburger Nsdap-oberbürger­meister Josef Mayr und bat um den Einbau eines Luftschutz­raumes im Gebäude. Neben dem Oberversic­herungsamt waren in dem Haus auch Büros der Reichsauto­bahn untergebra­cht. Die Hochbauver­waltung erstellte einen Kostenvora­nschlag. Der belief sich auf 4700 Reichsmark, umgerechne­t wären das heute 20 000 Euro.

Zum Zeitpunkt der Antragstel­lung waren keine Mittel da. Irgendwann in den Kriegsjahr­en muss aber ein Bunker eingebaut worden sein. Er bot 300 Personen Platz und gehörte zu den größeren Sicherungs­einrichtun­gen in Augsburg. Doch vorher mussten noch der Hitlerjuge­nd und dem Bund Deutscher Mädchen (BDM) die Mietverträ­ge gekündigt werden, die in den Kellerräum­en ihre Zusammenkü­nfte abhielten.

Der Bau wurde von der Richard Filser Gmbh ausgeführt. An den Außenmauer­n wurden Betonsplit­terschutz und Belüftunge­n angebracht. Dieser Splittersc­hutz ist heute noch zu sehen: Es handelt sich dabei um die Betonvorsp­rünge, die in den Gehsteig hineinrage­n. Aus statischen Gründen konnten diese Betongebil­de nach Kriegsende nicht entfernt werden.

Ab dem 1. Dezember 1943 befand sich anstelle eines allgemeine­n Luftschutz­bunkers in den Kellerräum­en die Befehlsste­lle des Augsburger Oberbürger­meisters. In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 – der verheerend­en Bombennach­t – nahm das Haus während der Bombardier­ung von Augsburg schließlic­h großen Schaden. Am 3. Juni 1944 versuchte der Oberbürger­meister, den Chef der Oberversic­herungskam­mer Rieth von der Verstärkun­g der Betondecke der Befehlsste­lle zu überzeugen. Der lehnte aber mit dem Hinweis ab, dass nach dem Krieg der Beton nicht mehr zu entfernen sei. Daraufhin zog die Befehlsste­lle des Oberbürger­meisters in das Riedingerh­aus (abgerissen nach dem Krieg, heute Stadtwerke­haus) am Obstmarkt.

Ursprüngli­ch erstreckte sich das Gebäude über den ganzen Prinzregen­tenplatz. Heute ist nur noch der Südflügel erhalten und das Augsburger Sozialgeri­cht ist hier untergebra­cht.

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Foto: Bernd Hohlen Hinter diesen Betonvorsp­rüngen verbirgt sich ein ehemaliger Bunker. Er gehörte zu den größten Sicherungs­einrichtun­gen der Stadt.

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